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Nachspiel Castortransport 2002: Demoverbot vor Gericht verhandelt

Göttingen, 23. Februar 2005
Demo-Verbot der Stadt Göttingen beim Castor-Transport 2002 für zulässig erklärt: Göttinger Verwaltungericht fällt unverständliches Urteil.
Das Verwaltungsgericht Göttingenhat am 23.2.05 ein unverständliches Urteil gefällt. Das Versammlungsverbot der Stadt Göttingen beim Castor-Transport 2002 wäre zulässig . Die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Hannelore Kaiser begründete das Urteil damit, dass die Gefahrenprognose der Stadt auf Tatsachen beruhe. Der Klageseite hatte dies angezweifelt, da sich die Prognose zum Teil auf falsche Angaben bzw. größtenteils nur auf Szeneberichte stützte. Prof. Groeneveld aus Friedland hatte im Februar 2003 gegen das Verbot geklagt. Erstmals in der Geschichte von Castortransporten wurde von der Stadt Landreis Göttingen ein Demoverbot in der Mitte der Transport-Strecke erlassen. Damit waren in der Stadt und im Kreis sämtliche Versammlungen entlang der Stecke verboten, während der Stadtrat sich in einer Resolution gegen den Transport ausgesprochen hatte.
Rechtsanwalt Johannes Hentschel hatte als Vertreter des Klägers in der Verhandlung argumentiert, ein Versammlungsverbot dürfe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur ultima ratio sein. "Die Gefahrenprognose der Stadt Göttingen war viel zu dürftig. Ein Versammlungsverbot im Wege der Allgemeinverfügung darf nur ergehen, wenn ein "polizeilicher Notstand" besteht." Weiter kritisierte der Rechtanwalt, dass die Stadt durch die späte Veröffentlichung des Verbots erst am Vortag des Transports die Rechtschutzmöglichkeiten eingeschränkt habe ."Das Verwaltungsverfahrensgesetz sieht vor, eine Allgemeinverfügung grundsätzlich 14 Tage vor ihrem Inkrafttreten bekannt zu geben"
Prof. Groeneveld sieht sich durch das Verbot Grundrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt: "Es kann ja wohl nicht sein, dass in einer Universitätsstadt wie Göttingen, die sich sonst ein so weltoffenes Image gibt, durch Verwaltungsakte Grundrechte wegen privater Profitinteressen eingeschränkt werden." Prof. Groeneveld wollte während desTransports im November 2002 eine Mahnwache am Göttinger Bahnhofsvorplatz abhalten. Die Klage wurde vom Anti-Atom-Plenum Göttingen unterstützt.
Leute vom Antiatomplenum meinten: Bei Castor-Transporten im Wendland wird jedes Jahr das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausgehebelt. "Dies ist ein plumper Versuch, gleiches in Göttingen durchzusetzen." Dagegen werde sich die Göttinger Anti-Atombewegung weiter zur Wehr setzten. Trotz des Demoverbots 2002 gab damals Sitzblockaden auf den Schiene.

Chronologie der Klage gegen das Demoverbot beim Castor

02: Mo, 28.2.02 Der Rat der Stadt Göttingen beschließt mehrheitlich eine Resolution gegen den geplanten Castor-Transport aus dem französischen La Hague ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben. Die Transporte ins Zwischenlager Gorleben seien verfrüht. Falls sich herausstellen sollte, dass Gorleben als Endlager-Standort ungeeignet sei, wären weitere Transporte nötig. Der Transport stellt eine Gefahr für die Bevölkerung da, weil die Castor-Behälter nicht gegen alle Unfallszenarien gesichert sind. Ein Unfall könnte auch die ganze Region Südostniedersachsen verstrahlen. Deshalb ist zumindest die Anzahl von Atommüll-Transporten weitestgehend zu minimieren. Daher lehnt der Rat der Stadt Göttingen den Transport ab.
Di, 29.10.02: Polizeiinspektor Ippensen "erbittet" von der Stadt- und Landkreisverwaltung, ein Versammlungsverbot zu erlassen.
Di, 5.11.02: Versammlungsverbote von Stadt und Landkreis sind bereits ergangen.
Sa, 9.11.02: Der Landkreis veröffentlicht sein Versammlungsverbot.
So,10.11.02: Das Anti-Atom-Plenum Göttingen Kritisiert das Verbot als "bedenklichen Eingriff in die Grundrecht."
Mo, 11.11.02: Die Stadtverwaltung veröffentlicht ihr Versammlungsverbot.
Di, 12.11.02 : Die Göttinger PDS und die Göttinger Grünen kritisieren das Verbot und OB Danielowski, der es gegen den Willen der Stadt verhängt habe und fordern ihn auf, es aufzuheben.
Mi, 13.11.02: Trotz des Demo-Verbotes gelangen ca. 35 AtomkraftgenerInnen auf die Gleise in der Nähe des Hauptbahnhofes und können den Transport 20 Minuten lang Aufhalten, der in Obernjesa warten muss. Eine mahnwache auf dem Bahnhofvorplatz konnte leider nicht stattfinden.
04.12.02: Der Göttinger Polizeichef Friedrich Niehörster wird in Lüneburg als neuer Nachfolger des Polizeidirektors Hans Reime vorgestellt und ist somit seit dem 1.Feb.2003 für die Gesamteinsatzleitung bei Castor-Transporten ins Wendland verantwortlich.
10.02.03 Prof. Groeneveld legt beim Verwaltungsgericht Göttingen Klage gegen das Demoverbot der Stadt beim ein und wird dabei von RA Johannes Hentschel vertreten.
08.04.03: Die Stadtverwaltung fordert, das Klage abzuweisen.
18.06.03: RA Hentschel tritt der Argumentation der Stadt entgegen.
Mi, 23.2.2005, 10.30 Uhr: Verwaltungsgericht Göttingen, Saal 1, Mündliche Verhandlung

AntiAtomPlenum Göttingen c/o Buchladen "Rote Straße" Nikolaikirchhof 7, 37073 Göttingen

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Artikel von 2002

Erstmals Verbotskorridor in der Mitte der Transport-Strecke
10.11.02 // Anti-Atom-Plenum: "Erstmals in der Geschichte der Castor-Transporte nach Gorleben gibt es ein Demonstrations-Verbot außerhalb des Wendlands in der Mitte der Transport-Stecke. In der Zeit von Dienstag, dem 12.11.02, 20 Uhr bis Mittwoch, dem 13. 11. 02 10 Uhr. Eine Sprecherin des Anti-Atom-Plenum Göttingen kritisiert das Verbot als willkürliches Ausssetzen von demokratischen Grundrechten. Eine Sprecherin des Anti-Atomplenums erklärt dazu:“Das inflationäre Verhängen von Ausnahmezuständen auf einer fast beliebig langen Strecke ist ein bedenklicher Eingriff in die demokratischen Grundrechte. Die Gefahrenprognose ist vollkommen vage und kriminalisiert pauschal den Anti-Atom-Protest in Göttingen. Es ist zu befürchten, dass auch das Betreten der Verbotszone von einzelnen „Verdächtigen“ untersagt werden wird, mit der pauschalen Begründung, sie könnten auf dem Weg zu einer verbotenen Versammlung sein. Die Berufung auf angebliche (!) Diebstähle und Sachbeschädigungen von vor 6 Jahren ist lächerlich und unzureichend. Die Behauptung mit der Formulierung >>es ist nicht auszuschließen, dass<< läßt sich grundsätzlich nicht entkräften, darf aber nicht als ernstzunehmende Begründung für Grundrechtseinschränkungen dienen. Die Texte und Plakate, auf die sich die Prognose konkret beruft, rufen weder zum Betreten der Schienen noch zu Blockaden , geschweige denn zum Anketten auf. Weiterhin beruft sich die Einschätzung des Landkreises auf Aufklärungsmaßnahmen der Polizei. Um welche es sich konkret handelt, bleibt offen. Belegt ist höchstens, dass beabsichtigt sei, gegen den Transport zu protestieren, wenn man folgenden Satz aus der Göttinger Drucksache 436 entsprechend interpretiert: >>Jetzt könnt ihr (...) schon einmal in Schienennähe rumfahren und nerven<<.“ Das Verbot soll rechtlich überprüft werden.

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Grüne und PDS kritisieren Demoverbot durch OB Danielowski
11.11.02 / Mit der städtischen Verfügung werde der Protest vom Ort des Geschehens verdrängt. "Die DemonstrationsteilnehmerInnen würden unverhältnismäßig in ihren demokratischen Grundrechten beschränkt. Es sei "nicht einzusehen, warum CastorgegnerInnen nicht auch auf dem Bahnhofsvorplatz ihren Protest bekunden sollen können", so die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN-Ratsfraktion Margit Göbel. Mit dem Demonstrationsverbot wende der Oberbürgermeister sich gegen den Willen des Rates, der noch am Freitag mehrheitlich den Castortransport kritisiert hatte. Der Rat hatte gefordert, auf weitere Transporte zu verzichten, solange Zweifel an Sinn und Zuverlässigkeit der Castortransporte nach Gorleben nicht vollständig ausgeräumt seien. "Wir fordern Oberbürgermeister Danielowski auf, sich am Willen des Stadtrates zu orientieren und unverzüglich das unverhältnismäßige Demonstrationsverbot aufzuheben", so Göbel. (Hinzuzufügen bliebe noch die Ironie, dass die CDU Ratsfraktion sich darauf beruft, das der Grüne Umweltminister Trittin die Castortransporte für sicher hält und lauthals verkündet "Wir vertrauen dem Umweltminister")
12.11.2002:. Der Sprecher der PDS, Philipp Hagenah, sagte, mit dem Demonstrationsverbot werde das im Grundgesetz verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung außer Kraft gesetzt. Es sei bezeichnend, dass die NPD in Göttingen ihre Demonstrationen durchführen könne, während Personen, die sich für den Atomausstieg einsetzten, kriminalisiert würden, so Hagenah. Die Stadt Göttingen hatte gestern erklärt, Gegner des Castortransports dürften weder an den Gleisen, noch auf dem Bahnhofsvorplatz sowie auf dem Gelände des Güterbahnhofs demonstrieren.

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