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Filme

Avatar

Interessant wird die Story erst auf der Meta-Ebene und dann hat der Film auch noch etwas mit einem Stahlwerk in Indien zu tun - dort heissen die Navis aber Adivasi

2.2.10 / Natürlich ist der Film "Avatar" kein vorrangig lokales Ereignis - er wird rund um die Welt in den Kinos gespielt - selbst in China. Aber schätzungsweise 10.000 Menschen haben den Film in Göttingen bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits gesehen - das ist schon ein lokales Ereignis.
Es sind nicht nur die BesucherInnenzahlen, die einen Anlass bieten, über diesen Film zu schreiben. Vielerorts ist zu lesen und zu hören "ja die 3-D-Effekte sind schon toll, aber die Story ist ja total dürftig." Sicherlich bietet der Film dafür Angriffsfläche, seine Story lässt sich oberflächlich gesehen auf einfachste Abfolgen zusammenkürzen.
So kann ein großer Teil am Anfang des Films gesehen werden wie der Kampf zwischen "Cowboy und Indianern" bzw. "Armee und Indianern": die Navis (die BewohnerInnen des Planeten Pandora) reiten auf pferdeähnlichen Tieren und schiessen mit Pfeil und Bogen. Und wie in den meisten Wildwestfilmen gibt es da auch einen "Weissen" der die Indianer zum Frieden überreden will.
Aber wie gesagt, die Metaebene erst wird interessant: Indianer haben eine spirituelle Orientierung, die viele Berührungspunkte erstens zur Ökologiebewegung und zweitens zu neuen spirituellen Bewegungen aufweist. Beim Erlernen der Navi-Lebensart bedankt sich der Ex-Marinesoldat der zum Auspionieren geschickt wurde nun bei der Natur und entschuldigt sich wenn er ein Tier erlegt hat. Leben im Einklang mit der Natur - eine Orientierung, die zu den Träumen der Ökobewegung gehört.
Die Navis haben eine Schamanin als Königin, die letztlich mit ihren Entscheidungen und Handlungen die Entwicklung der ganzen Geschichte grundlegend beeinflußt. Und was als Besonderheiten auf Pandora geschildert wird, gehört zu den Standards einiger esotherischer Vorstellungen: alles ist in einem Energienetz miteinander verknüpft. Die Geister der Toten leben weiter und es gibt die Möglichkeit Kontakt mit ihnen aufzunehmen.
Dies alles kontrastiert der Film mit der als typisch amerikanische Art propagierte Hau-Ruck-Gewalt. Volle Kanne Explosives aus der Luft auf die Erde werfen, viel Feuer und was nicht gefällt einfach wegbomben. Diese andere Seite ist die hochtechnisierte, absolut nicht natur-freundliche Militär-Maschinerie , militärisch effektiv aber eben falsch gepolt, falsche Ziele verfolgend. Es geht nur ums Geld das sich mit einem bestimmten Metall verdienen lässt, was ausgerechnet dort zu finden ist, wo die Navis leben. Die technisierte, Ratiowelt trifft auf spirituelle Naturwesen - also wer diese Gegenüberstellung für eine langweilige Story hält, schaut eben nur die Oberfläche des Films an.

An dieser Stelle soll ein reales Pendant der Gegenwart auf der Erde eingefügt werden. So wie die Navis auf Pandora auf absolut fiese Weise ihres Lebensraumes beraubt werden, so wurden mit "Entwicklungshilfe"-Millionen für ein Stahlwerk in Indien 21.000 "Adivasi", die UreinwohnerInnen Indiens ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Die deutsche "Kreditanstalt für Wiederaufbau" (KfW) hat hunderte von Millionen Mark bzw. Euro in den Bau des "Rourkela- Stahlwerks" gesteckt, das Projekt wird auch immer noch als Vorzeige-Entwicklungshilfeprojekt gehandelt. Dabei bleibt das Elend der 21.000 Menschen unerwähnt, die deswegen zwangsumgesiedelt wurden. Diese Menschen vorwiegende indische Ureinwohner (Adivasi) bekamen zwar eine Entschädigung versprochen, haben von diesem Geld bis heute aber nichts gesehen. "Auf Einladung der Gesellschaft für bedrohte Völker kam nun der 60 Jahre alte Rechtsanwalt und Priester Celestine Xaxa nach Göttingen, um über die Kehrseite des vermeintlichen Musterprojektes Rourkela Öffentlichkeit herzustellen. Wo einst Adivasi-Ureinwohner in traditioneller Wirtschaftsweise ihren Lebensunterhalt bestritten, ziehen heute düstere Rauchschwaden über Slumsiedlungen. Der früher dichte Urwald ist gerodet, 32 Dörfer wurden enteignet, 16 von ihnen völlig zerstört." - Hört sich verdammt wie Pandora an.

Die Indiander-Analogie endet übrigens auch noch sehr unglücklich für die rationalistische, militärisch-technische Macht. Der Kundschafter läuft zu den Navis über und wird auch noch deren Anführer in einer entscheidenden Schlacht bei der die "Indianer" gewinnen - eigentlich ein Albtraum für US-Amerikaner. Aber es könnte auch ein Albtraum für das Stahlwerk in Rourkela werden, wenn die Adivasis gegen das dortige Stahlwerk auf die Barrikaden gingen.

 


Adivasi - Ureinwohner Indiens - Naturgottheiten in alten Bäumen

"In ihrem Kampf um Selbstbestimmung stützen sich die Adivasi auf ihre eigenständige kulturelle Identität. Ihre spirituelle Welt ist bewohnt von Naturgottheiten, die in alten Bäumen und auf Berggipfeln wohnen. Auch die Ahnen werden mit Opfergaben und Festen verehrt, denn sie vermitteln zwischen Mensch und Gott. Wildbeuter im südindischen Regenwald, Brandrodungsbauern auf dem zentralindischen Hochland und Hirtennomaden im Himalaja - Adivasi pflegen eine spirituelle Beziehung zu ihrem Land und wirtschaften weitgehend autark, der lokalen Umwelt angepasst. Ihre Wirtschaftsweise ist darauf angelegt, die Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Profite werden verachtet, Überschüsse mit der Gemeinschaft geteilt. In Liedern und Lagerfeuerlegenden vermitteln sie ihre Geschichte, die Religion und ihre kulturellen Werte."

(>>Quelle / zit. Rainer Hörig )

BRD - KfW - Stahlwerk - Abholzung des Urwaldes - Vertreibung der Adivasi

"Die Adivasi-Koordination in Deutschland e.V. schreibt von einer "moralischen Bringschuld der deutschen Politik" für die "fortwährende Ungerechtigkeit für Zwangsumgesiedelte durch das Stahlwerk im indischen Rourkela (Bundesstaat Orissa). (...) Die bis heute in das Stahlwerkprojekt involvierte Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) solle ihren Einfluss geltend machen, um insbesondere Mittel (...) zur Wiedergutmachung in zweckbestimmter und transparenter Weise einzusetzen. (...) Anhand der Interviews wird deutlich, dass die 1958 begonnene Umsiedlung der Adivasi keineswegs auf freiwilliger Basis erfolgte. (...) Die Bewohner seien - in einigen Fällen ohne jegliche Ankündigung - gezwungen worden, ihre Nahrungsmittel und ihr Vieh auf LKWs zu laden, mit welchen sie anschließend in teilweise weit entfernte Dschungelgebiete transportiert und ohne weitere Erklärungen abgesetzt worden wären. "Im Februar 1958 wurden die Bewohner des Dorfes Kantabera Mauza ohne jegliche Benachrichtigung gewaltsam ausgewiesen. Erst nach ihrer Vertreibung wurden sie seitens der Regierung informiert, so dass keinerlei Protest oder Widerstand möglich war. (...) Das Stahlwerk Rourkela wurde in den 1950er Jahren mit finanzieller und technischer Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland und westdeutscher Unternehmen gebaut ..."

(>> Quelle: Adivasi-Koordination in Deutschland e.V. ) Eine Kurzfassung der Studie sowie weitere Informationen zum Stahlwerk Rourkela werden auf Anfrage gerne zugestellt. Dr. Theodor Rathgeber, 0171-4054959