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Gustav Kuhn

siehe auch >>"Widerstand in Göttingen"

Informationen des Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur e.V.
Lange-Geismar-Straße 2, 37073 Göttingen // 0551-7704889
antifaverein-goettingen@nadir.org
www.nadir.org/nadir/initiativ/antifaverein-goettingen

Donnerstag, den 24. Mai 2012, berät der Kulturausschuss der Stadt Göttingen über die Anbringung einer Gedenktafel für Gustav Kuhn. Gustav Kuhn war ein Göttinger Kommunist und Antifaschist, so leitete er bspw. den Kampfbund gegen den Faschismus (KgF). Die Nazis verschleppten Kuhn von 1933 bis 1945 in verschiedene Gefängnisse und Konzentrationslager. Schwer gezeichnet wurde Gustav Kuhn 1945 von der US-Army aus dem KZ Dachau befreit und lebte danach in der Petrosilienstraße 8. Er starb am 3.10.1954 in Göttingen.
In der Göttinger Gedenkkultur sind Antifaschistinnen und Antifaschisten stark unterrepräsentiert. Bisher gab es zwei Anstöße, dies durch Gedenktafeln zu ändern: So wurde 1986 eine Gedenktafel für den jugendlichen Kommunisten Ernst Fischer beantragt und an seinem letzten Wohnort Neustadt 17 angebracht. Im Jahr 2004 wurde eine Tafel für den jüdischen Rote-Hilfe-Anwalt Walter Proskauer (Hainholzweg 68) initiiert. Hanna Riechers vom Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur erklärte hierzu: "Die Antifaschistinnen und Antifaschisten, die in den 1930er Jahren in Göttingen aktiv waren, müssen einen angemessenen Platz in der regionalen Geschichtsschreibung erhalten. Unter den widrigen Bedingungen einer national-konservativ geprägten Universitäts- und Garnisonsstadt, bewiesen Menschen wie Gustav Kuhn Weitsicht und Mut, sich dem heraufkommenden Faschismus entgegenzustellen. Gustav Kuhn zahlte dafür einen hohen persönlichen Preis." Die Ratsfraktion Göttinger Linke hat den Antrag auf Initiative unseres Vereins eingebracht.

Antrag der Ratsfraktion GöLinke zur Anbringung einer Gedenktafel für Gustav Kuhn
Der Kulturausschuss möge dem Rat zum Beschluss empfehlen: Die Stadt Göttingen wird gebeten, eine Gedenktafel für Gustav Kuhn an seinem letzten ehemaligen Wohnhaus in der Petrosilienstraße 8 anzubringen. Begründung: Gustav Kuhn (geb. am 13.2.1982 in Königsberg) hat von 1922 bis 1933 und von 1945 bis zu seinem Tod 1954 in Göttingen gelebt. In den Jahren von 1933 bis 1945 war er nur kurzzeitig in Göttingen, da er in dieser Zeit vor allem in verschiedenen Konzentrationslagern und Gefängnissen inhaftiert war. Gustav Kuhn leistete einen bedeutsamen Teil zur Göttinger Stadtgeschichte, indem er auf verschiedenen Ebenen frühzeitig Widerstand gegen den aufkommenden Faschismus organisierte. Seit 1929 war Kuhn Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und hier von 1932 bis 1933 Hauptkassierer. Zudem war er Mitglied der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO), Organisationsleiter des Kampfbundes gegen den Faschismus (KgF) sowie Kassierer der Roten Hilfe. Alle seine Ämter bzw. Mitgliedschaften führte er bis zu seiner ersten Verhaftung 1933 aus. Für sein aktives Engagement gegen den Faschismus nahmen ihn die Nazis 1933 erst in "Schutzhaft" und inhaftierten ihn anschließend im KZ Moringen, später verschleppten sie ihn in das KZ Oranienburg. Nachdem er 1933 entlassen wurde, wurde er 1935.. und 1936 erneut wegen "Heimtücke" und "politischer Umtriebe" verhaftet und ins Gerichtsgefängnis Göttingen und ins Zuchthaus Kassel (Wehlheiden) gebracht. Anschließend inhaftierten ihn die Nazis im KZ Dachau. Während dieser Zeit in Dachau wurde seine Ehe zu Luise Kuhn, geb. Wild, auf Druck der Gestapo geschieden. - Mit seinen antifaschistischen Aktivitäten und den daraus folgenden Inhaftierungen wird Gustav Kuhn in dem Buch ,,100 Jahre Göttingen und sein Museum: Texte und Materialien zur Ausstellung im Städtischen Museum und im Alten Rathaus" im Artikel "Die politische Lage ist hier als verhältnismäßig ruhig zu betrachten ..." von Rainer Rohrbach auf Seite 168 besonders hervorgehoben. Nach der Befreiung des KZs Dachau durch die Alliierten kehrte Kuhn als kranker und schwer gezeichneter Mannn 1945 nach Göttingen zurück. Auf Grund seiner 12-jährigen Inhaftierung, Schändung und Folterung war er ab 1948 nicht mehr in der Lage zu arbeiten und musste bis zu seinem Tod um Wiedergutmachung und Entschädigung ringen. Unter der Nummer 34 wird er beim Sonderhilfsausschuss in Göttingen als anerkannter politisch Verfolgter geführt. Nachdem ihm die Entschädigungsgelder für sein tägliches Überleben erst bewilligt wurden, wurden ihm diese ab Anfang der 1950er Jahre im Zuge der neu einsetzenden Kommunistenverfolgung wieder aberkannt. Hätte es mehr weitsichtige und mutige Menschen wie Gustav Kuhn gegeben, hätte unermessliches Leid und Schaden abgewendet werden können. Diesen Teil der Geschichte halten wir für so bedeutsam, dass wir ihn auch in der offiziellen Geschichtsschreibung und Gedenkkultur der Stadt verankert sehen wollen.

Quellen:
1) Stadtarchiv Göttingen: Meldekarte Gustav Kuhn Pol. Dir.Fach 31a Nr. 2 Bd.
2: Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik 1923-1936 (Spezialakten) Pol. Dir. Fach 155 Nr. la: Die kommunistische Partei 1926-1946 (Spezial) PoIDir.31aNr.14: Polizeiauskünft zu Einzelpersonen -Pol.Dir. Fach 155 Nr. 10: Kampfbund gegen den Faschismus Pol. Dir. Fach 155 Nr. 9: Die Antifaschistische Arbeiterabwehr (Antifa)
3) Privat übermitteltes Dokument: Anklageschrift 0.Js.284/36 vom 03.08.1937
4) Interviews mit ZeitzeugInnen Mit Karin Rohrig am 08.02.2012 und 17.04.2012 in Göttingen -Mit Reinhard Neubauer am 24.04.2012 in Göttingen
5) Literatur Rohrbach, Rainer: Die politische Lage ist hier als verhältnismäßig ruhig zu betrachten: Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Göttingen in den Jahren 1933 bis 1945. In: 100 Jahre Göttingen und sein Museum, S. 161180. Göttingen 1989

 

Diskussion im Göttinger Kulturausschuss

28.5.12 // In einer Tischvorlage, die dem Kulturausschuss am 24.5.12 vorgelegt wurde, erkennt der Fachbereich Kultur an, "dass die Göttinger Bürger - Kommunisten, Sozialdemokraten (ISK) und Menschen anderer politischer oder religiöser Prägung - die Widerstand geleistet haben (...), bisher noch in keiner angemessenen Weise in Göttingen gewürdigt werden" und plädiert "für eine andere Form des Gedenkens an diese Vertreter eines regionalen Göttinger Widerstands gegen die Nationalsozialisten. Zu denken wäre etwa an eine Erinnerungstafel am Gebäude der Stadtbibliothek. Dort im damaligen Stadthaus, befand sich das städtische Polizeigefängnis, in dem die meisten Opfer des Nationalsozialismus zunächst inhaftiert wurden".
Bisher gibt es in Göttingen lediglich zwei individuelle Gedenktafeln für Antifaschisten, die 1986 und 2004 gegen Widerstände in der Stadtverwaltung verwirklicht werden konnten. "Wichtig ist, dass historische Fakten beim Namen genannt und nicht erneut hinter nichtssagenden Formulierungen verwässert werden" erklärte der Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur . In Göttingen zwischen dem 1.3.1933 und dem 31.8.1933 alleine 80 Personen in die sogenannte polizeiliche Schutzhaft genommen. Darunter befanden sich 4 Frauen. In fünf Dokumenten ordnete die Polizei 35 Personen der KPD und 6 Inhaftierte der SPD zu. Die meisten Personen wurden nach einigen Tagen oder Wochen zunächst wieder entlassen. Von Elisabeth Vogel, Else Heinemann und Gustav Kuhn ist bekannt, dass sie im Anschluss am 23.8.1933 in das Konzentrationslager Moringen verschleppt wurden. Damit gehörten sie zu den ersten Häftlingen des KZs Moringen überhaupt. In den nächsten Jahren folgten in Göttingen weitere Verhaftungswellen und Inhaftierungen wie beispielsweise erneut von Gustav Kuhn (KZ Oranienburg und Dachau), von Adolf Reinecke (KZ Sachsenhausen) oder von Willi Eglinsky (KZ Buchenwald). (Nach einer Pressemitteilung des
Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur e.V. )

 

ISK

"In Göttingen gab es seitens des ISK 15 bis 20 aktive Widerständler. Diese arbeiteten in kleinen Gruppen und waren gut organisiert, so daß sie bis 1936 unentdeckt blieben. Ihre Tätigkeit bestand im Drucken von Flugblättern, die in den Straßen verstreut oder an Bäume, Masten und Schilder geklebt wurden. Eine Aktion setzte man zum 1. Mai 1934 um: Ein unter einem Koffer befestigter Stempel hinterließ auf der Straße das Farbbild "Nieder mit Hitler", wenn er abgestellt wurde. Später wurde auch Informationsmaterial in die Betriebe geschmuggelt, das im Exil gedruckt und von London über Amsterdam ins Reich gebracht worden war.
Mitte Januar 1936 wurden 14 Mitglieder des ISK in Göttingen von der Gestapo verhaftet. Wir veröffentlichen hier ihre Namen: Fritz Körber, Heinrich Westernhagen, Heinrich Oberdieck, Hermann Dettmer, Heinrich Düker, Gustav Funke, Friedrich Henze, August Bartels, Alma Böhme, Willi Macke, Oskar Schmitt, Heinrich Schütz, Karl Probst und Wilhelm Wahle. aus: >> "Widerstand in Göttingen"

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