Texte und Bilder © Impressum        >   goest Startseite

Vortragsveranstaltung zur Uni-Wahl mit Detlef Hartmann

Nach den Protesten gegen die Mittelkürzungen und vor der Wahl zum neuen Studierendenparlament 2004 hatte die Antifaliste AL Detlef Hartmann zu einer Veranstaltung als Referent eingeladen. Bei der Veranstaltung am Freitag den 16.1.04 war angekündigt worden, daß Hartmann die Umstrukturierung der Universitäten als Folge der EU-Beschlüsse in Bologna ab 1996 erläutern wolle. Ca. 50 ZuhörerInnen waren in ZHG 001 gekommen.

Detlef Hartmann ist Rechtsanwalt in Köln. Bekannt wurde er 1989 mit dem Buch "Leben als Sabotage – Zur Krise der technologischen Gewalt" in dem er die Durchrationalisierung der gesamten Gesellschaft nach Fabrikprinzipien anprangert, innerhalb deren schon das pure Leben allein als potenzielle Sabotage verstanden werde. Besonders drastisch stellte er dies damals am Beispielen der der Innenstadt-Planungen und Einkaufszentren dar, bei denen der Mensch als "mobile Einkaufseinheit" angesehen wird. Themen, die auch diesmal in seinen Vortrag einflossen.

uni_hartmann.JPG (24027 Byte)
Detlef Hartmann 16.1.04, beim Vortrag in der Uni Göttingen

Hartmann begann mit einem Rekurs auf die Studentenbewegung, die er aus der Sicht von den USA aus schilderte, wo er damals studierte. Schon damals sei der Weg zur Knowledge Factory sichtbar gewesen wie dies Motorola und die Walt-Disney anstrebten. Die Aufspaltung in Bachelor und Master sei inzwischen sozusagen das Vorbild für die heutige Umstrukturierung der europäischen Universitäten geworden; das bedeute eine Verschulung an deren Ende die Lernfabrik stünde. Der Bachelor sei eine europaweite Konstruktion, die nun in den einzelnen europäischen Ländern durchgesetzt werden solle. Der Bolognaprozess sei der Versuch, Europa bis 2010 zu einem einheitlichen Raumf für die Umgestaltung des universitären Lehrbetriebs zu kommen.
Insbesondere der Bertelsmann-Konzern, die Bertelsmann-Stiftung mit ihrem Zentrum für Hochschulentwicklung sei der Motor für eine Konzeptentwicklung hin zu Denkfabriken und virtuellen Lernorganisationen.
Die Konkurrenz um effektivere und funktionalere Wissenschaftsproduktion sei Teil der Weltmacht-Konkurrenz zwischen Europa und USA. Der Rationalisierungsprozess der USA im Bildungssektor setze die europäischen Staaten dabei unter Druck.
Bei der weiteren Darstellung griff Hartmann dann auf die bekannten Muster zurück: Taylorisierung, Fordismus, Modularisierung des wissenschaftlichen Lehrbetriebes. Die stromlinienförmig für Kapitalinteressen erfolgende Umstrukturierung des Lehrbetriebs sei das eigentliche Ziel, die Argumentation mit Sparmaßnahmen sei nur vorgeschoben um genügend Druck für die Umstrukturierung zu erzeugen.
Danach bezog Hartmann diese Strategie auf die zunehmend Verbreitung findende Sichtweise von Schumpeters "schöpferischer Zerstörung". Staat und Unternehmer arbeiten im schumpeterschen Sinne Hand in Hand (private-public-partnrerships) bei der produktiven Umgestaltung, bei der alte Strukturen zerstört und neue aufgebaut werden, was schließlich als Grundlage für die Erhaltung der wirtschaftlichen Weiterentwicklung angesehen werde.
Der Vortragsstil mit sehr vielen assoziativen Sprüngen schien nicht besonders daran orientiert zu sein, dass die ZuhörerInnen eine möglichst klare Darstellung geboten bekamen, sondern man gewann zeitweise den Eindruck, daß Hartmann fast nur von Stichwort zu Stichwort sprang, quasi als Anmerkung dafür, was alles nachgelesen werden müßte. Dies ist ja in der Tat recht umfangreich, aber es nützt irgendwie nichts, wenn DiskutantInnen nicht daran anschließen können. Auf einen Diskussionsbeitrag mit assoziativen Kurz-Sprüngen zu Aristoteles, Diogenes und Faucault zu reagieren schien schon fast eher den Unwillen zu signalisieren, darauf einzugehen.
In der Ankündigung hatte es noch geheissen: "Der Referent freut sich ebenfalls auf eine Diskussion darüber, ob und wie man gemeinsam die kommenden Veränderungen abwehren kann. Es wird also auch eine ausführliche Diskussion über den Widerstand gegen Studiengebühren, die verschiedenen Studierendenproteste der letzten Monate und deren Ausrichtung geben" das konnte leider so nicht festgestellt werden.
Hartmann gab mit seinem Vortrag wichtige Anregungen für die Analyse dessen, was an den Hochschulen zur Zeit passiert. Schade, daß es danach nicht gelang, eine Verbindung zu Fragen aktueller strategischer Orientierung in den Streikaktionen zu finden. Lediglich einmal wurde an den Vortragsinhalt angeknüpft mit der Frage, ob er z.B. auch die Philosophie für derart formalisierbar halte, dass sie in dieses geschilderte Konzept passe  - was dann aber auch nicht weiter verfolgt wurde. Die übrigen Diskussionsbeiträge mußten sich vom Vortrag abkoppeln bei dem Versuch auf der universitären Alltagsebene anzukommen mit Fragen wie "Warum gibt es keine Motivation bei den Studierenden zur Kritik in den Seminaren an den Lehrinhalten" usw.

Veröffentlichungen Hartmanns (seit 2002)

  • Detlef Hartmann: Fortschritt durch Krieg – Von der Zerstörung zur Reorganisation , alaska: 239/2002 (Zeitschrift, Seiten: 16-20)
  • Detlef Hartmann: "Sozialarbeiter mit Bewaffnung" – Über die Militarisierung der internationalen Politik analyse und kritik: 460/2002 (Zeitschrift, Seiten: 3)
  • Detlef Hartmann: "Empire" - linkes Ticket für die Reise nach rechts – Umbrüche der Philosophiekritik. Hardt/Negri, Sloterdijk, Foucault (Materialien für einen neuen Antiimperialismus, Sonderheft) Assoziation A: 2002 (Buch, Seiten: 195)
  • Detlef Hartmann: Soziale Befreiung und (neue) nationale Eliten: Die Lügen entstehen mit dem falschen "wir" interim: 174/1991 (Zeitschrift, Seiten: 18-19)
  • Detlef Hartmann: Auf in den Irak, auf ins "Preußen Arabiens" – Bürgerliche Modernisierungsstrategien für den Nahen Osten (Schwerpunkt: logik macht krieg. BUKO 26; Thomas Uwer und Thomas von der Osten-Sacken mit ihrer BRD-Politikberatung bezüglich dem Irak) alaska: 243/2003 (Zeitschrift, Seiten: 12-15)
  • Hartmann, Detlef/Vogelskamp, Dirk Irak – Schwelle zum sozialen Weltkrieg. Nachkriegsplanungen der US-Regierung und ihrer Think Tanks (Sonderheft Materialien für einen neuen Antiimperialismus) Assoziation A: 2003 (Buch, Seiten: 85)

Wer sich für diese Schumpetersche Theorie interessiert findet eine gute Zusammenfassung des ursprünglichen Schumpeters unter http://www.inwent.org/E+Z/1997-2002/ez7899-7.htm und wen diese Konzepte von Bertelsmann interessieren findet unter http://www.materialien.org/ , wo Hartmann in der Redaktion mitarbeitet Hinweise auf entsprechende Unterlagen, Links etc.

zum Anfang