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Birkás - Werke
1975 bis 2006 Ausstellung
im Alten Rathaus, 11.3. - 22.4.07 Kunstverein
Göttingen e.V. und Fachdienst Kultur der Stadt Göttingen - Während
der Ausstellungseröffnung Akos Birkás 2007 im Alten Rathaus Göttingen
Gesprächsabend
mit Akos Birkás
Akos
Birkás | Am
27.3.07 kam Ákos Birkás (Akosch Birkasch) zum "Nachtcafé"
des Göttinger Kunstvereins ins Alte Rathaus. Das Nachtcafé ist ein
Veranstaltungsformat, bei dem Publikum und ausstellende KünstlerInnen in
ein lockeres Gespräch miteinander kommen können. Das Gespräch mit
dem Publikum fiel an diesem Abend etwas knapp aus, das lag wohl daran, dass Ákos
Birkás äußerst unterhaltsam frei von der Leber weg erzählte.
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Ákos Birkás hat die Austellung nach seinen besonderen biografischen
Gewichtungen und nicht als systematische Werkschau zusammengestellt. "Das ist
schon eine merkwürdige Ausstellung" meint er , z.B. fehlen die ersten 10
Jahre seiner Arbeit vollständig. Aber "Ich
mag diese Ausstellung sehr" fügt er hinzu. Nachdem
er noch ein wenig an der Ausstellung herumkritisiert hatte meinte er ironisch
humorvoll: "So genug der Selbstkritik - jetzt sind Sie dran: Verteidigen Sie die
Ausstellung". Es war ein lockerer Ton den Ákos Birkás anschlug.
Allerdings wurde es nicht so locker, dass es zu einer munteren Beteiligung des
Publikums kam. Anders als es die Konzeption des Nachtcafés verspricht blieb
das Wort stets bei Ákos Birkás oder der Moderation, von wenigen
Ausnahmen abgesehen. Insgesamt
war die Veranstaltung jedoch gut geeignet, mit dem Künstler näher vertraut
zu werden, mehr zu verstehen wie und warum er was gemalt hat. "Nachtcafé"
des Kunstvereins mit Akos Birás im Alten Rathaus Göttingen
Die
existentialistische Phase: "Notfalls erfinde ich die Kunst neu"
Er habe eine "schlechte Kunstschule besucht", nicht dass die Leute schlecht waren,
aber bei der Kunst im damaligen Ost-Block, "da gabs keine frische Luft". Der Versuch
am Puls der Zeit zu bleiben war chancenlos. Man schloß die Kunstszene von
Information aus, "uns wurde der internationale Kontakt verwehrt". In
dieser Situation sagte sich Ákos Birkás "Dann mache ich eben alles
selbst, baue alles von mir aus auf" notfalls wollte er die Kunst neu erfinden.
"Das Ergebnis war eine existentialistische Phase mit gequälter Malerei."
Dann erläuterte er , wieso er mit dem Fotografierene begann obwohl er eigentlich
malen wollte. Gemälde
fotografieren um mit Distanz über Malerei reflektieren zu können Das
Fotografieren startete er als Abgrenzungsversuch gegenüber der politisch
reglementierten Malerei. Trotz des Wechsels zur Fotografie wollte er aber den
Bezug zur Malerei erhalten. Er wollte beim Bildhaften bleiben "Ich wollte weiter
in Bildern denken" aber sich gleichzeitig soweit distanzierten, dass er von außen
über die Malerei reflektieren konnte. Er begann Gemälde in den Museen
zu fotografieren. Man fragte ihn "Was wollen Sie denn fotografieren und warum?"
Als er einmal antwortete, "Ich will den Raum zwischen zwei Bildern fotografieren"
war es mit dem Verständnis der Museumsverantwortlichen endgültig vorbei.
| Das
Verschwinden des Bildes in der Fotografie - Birkás entfernte sich bildlich
von der musealen Kunst. Er dachte in Bildern. |
Es
folgten "8 Jahre hektische Arbeit mit Fotografie". Während dieser Zeit beobachtete
er in den Fotopublikationen, dass das Amateurhafte in der Fotografie verschwand,
international wurde immer professionellere Technik eingesetzt und ihm wurde klar,
dass er mit seiner amateurhaften Technik deshalb keine Chance mehr haben würde,
irgendwie wahrgenommen zu werden. Die
Rückkehr zur Malerei - von der Opposition ins Zentrum der Akzeptanz geschleudert Eines
der Hauptprobleme damals war: Es gab einfach keine Ausstellungsmöglichkeiten
für junge Künstler in Budapest. Wenn man anfragte, dann hiess es "Genosse
Birkás es gibt noch so viele ältere Genossen, die auch schon mehr
Preise als du haben, die wollen doch erstmal ausstellen. Aber in 12 Jahren da
kannst du dann auch einmal mit einer kleinen Ausstellung anfangen." Deshalb beschäftigte
sich Ákos Birkás immer mehr mit der Frage "Wie kann man Raum besetzen?
Mit kleinen grauen Fotos? Nein!" Also begann er mit großen bunten Bildern.
Das traf zusammen mit einer Phase, in der Ungarn sich gegenüber Westeuropa
als offeneres Land präsentieren wollte, in das man ruhig Geld investieren
könne. Man liess daher "frische und spektakuläre Kunst" zu, um zu zeigen,
wie frei Ungarn ist, um zu sagen "seht her wir sind anders als die Sowjetunion,
uns könnt ihr ruhig Geld geben." Als Ákos Birkás nun mit Malerei
begann wurde er plötzlich "ins Zentrum gespült". Er fand sich in jenem
Zentrum wieder, zu dem er bisher immer in opposition gestanden hatte. Um Distanz
zu halten ging er aus Ungarn weg. "Die Oppositionshaltung steht mir bis heute
noch im Wege." Die
Malerei nach der Foto-Phase mündete in die abstrakten Ovale durch die Birkás
bekannt wurde. 1998 stellte Ákos Birkás in Göttingen diese
berühmten abstrakten Kopfbilder aus. Selbstverständlich waren einige
davon auch in diese neuerliche Ausstellung aufgenommen worden.
| .....
Ovale in verschiedenen Farben. Das war für ihn die "perfekte Form" es schien
ihm, als müsse er nun bis an sein Lebensende diese Ovale malen - mehr gäbe
es nicht mehr. Insgesamt wurden es 200 Kopfbilder - abstrakte Ovale. Irgendwann
überlegte er "was würde ich auf keinen Fall malen?". Da fiel ihm auf,
dass "ich schon sehr lange kein Rot mehr auf meiner Palette hatte". Und dann entschied
er sich das zu machen, was er vermieden hatte und malte mit Rot. . |
Wäre
er damals noch in Budapest gewesen, hätte er wie er meint wahrscheinlich
nicht in Rot gemalt. Ebenso hätte er die geteilten Ovale wahrscheinlich nicht
im Berlin zu Zeiten der Mauer gemalt - jeder hätte gefragt, ob das das geteilte
Berlin sein soll | Eines
der Ovale verglich er mit dem Blick in den Brunnen an den er sich aus seiner Kindheit
erinnerte. Das heisst der Blick ging ins Bild HINEIN. Nun überlegte er wie
kann ich aus den Bilder HERAUS kommen. Und das beste war, hierfür große
Portraits zu nehmen, weil der Blick der Augen führte konsequent aus dem Bild
heraus. Aber immer
wieder experimentierte er wie bei den Ovalen schon mit der Teilung der Bilder
bzw. dem Übereinanderlegen zweier Bilder. |
Nicht
festlegen auf Stile Birás
kritisiert die Auffassung , dass man einen erkennbaren Stil entwickeln müsse.
Junge Künstler sollten sich nicht auf einen Stil festlegen lassen. Man schränkt
die jungen Kunstschüler ein wenn man ihnen sagt "schau es gab schon diesen,
diesen und diesen , das kannst du nicht machen, du mußt etwas ganz neues
machen oder aber etwas, was zwischen diesen liegt." Das ist falsch, die jungen
Künstler sollen freier mit ihren Impulsen umgehen. Birkás wies darauf
hin, dass man ihm vorwerfe, er mache die Jungen Künstler nach. Dazu meint
er : ja es stimmt, ich habe viel von den Jungen gelernt. Die Junge Leipziger Schule
interessiert sich z.B. nicht, ob schon mal was gemacht wurde - es ist ihnen egal,
sie machen etwas, wenn sie es machen wollen. Dei
Weiterentwicklung von Portraits zum erzählenden Bild Um noch weiter
aus dem Bild heraus zu kommen, malte er Portraits, die auf etwas starrten, was
VOR dem Gemälde liegen mußte, also zwischen Betrachter und Bild. Irgendwann
blieb ihm auch das alles zu statisch , zu stationär und er wechselte zum
"narrativen Bild" also zu einem Bild, das eine Geschichte darstellt, etwas erzählt.
In den Gemälden malt er besonders gerne die Menschen, die er mag, die
ihm nahe sind. So kommt es, dass ein Bild sofort als ein Irak-Thema gedeutet wird,
weil da Rauch aufsteigt und der Mann im Vordergrund einen Bart hat. Aber dieser
Mann ist Birkás Sohn, der in einer Pose festgehalten ist, die sich dadurch
ergeben hat dass er seit langer Zeit Probleme mit einem Zahn hat. Da schlägt
schon eine ordentliche Portion Schlitzohrigkeit und Humor mit hinein wenn Birkás
solche Einzelheiten erzählt. Schließlich
beim Bild mit Reflexion auf die Welt angekommen | Nachdem
er beim narrativen Gemälde angekommen war in seiner Entwicklung, fragte er
sich wieder einmal, was er auf keinen Fall machen würde. Und das waren politische
Bilder. Das ist zu schwierig, zu sehr dem Wechsel unterworfen . Und nun fragte
er sich "Bin ich zu feige oder was?" - Also malte er fortan Bilder mit politischem
Bezug. | | Das
Bild mit den chinesischen Ölarbeitern war ein Versuch, "mal wieder auf das
zurückzugehen, was ich als Kind zuerst mit der Malerei zu sehen bekam: den
sozialistischen Realismus". Da kommt nun alles drin vor, was in der Welt
zur Zeit wichtig ist, Öl, China ... |
Keine
geschönte Bildwelt - keine gesäuberte Bildwelt Ákos Birkás
markiert sich in Opposition zur Bildwelt der Werbung, "diese riesigen Bilder sind
gesäubert - es gibt keine Poren! Oder Pickel ? Um Gottes Willen!" Andererseits
solle man sich mal heutzutage die Fotos in Newsweek oder Time anschauen. Vor 10
Jahren wären viele dieser Fotos vom politischen Tagesgeschehen als schlechte,
unscharfe Fotos ausgesondert worden. Jetzt ist es so, dass das unscharft, leicht
verwackelte Authentizität signalisieren soll, soll sagen "Ich war dabei".
Vielleicht war es sogar vorher ein scharfes nicht verwackeltes Bild und es wurde
erst am Computer nachträglich so bearbeitet, dass es verwackelt aussieht.
Hier gibt es nun plötzlich einen Bezug zu den gewollten "kleinen Fehlern"
bei den Übergängen der geteilten Bilder - gewollte Ungenauigkeit so
etwas wie Brecht´sche Verfremdung? Sie sollen nicht perfekt sein die
Bilder. Die Bilder sind zweigeteilt - "ich könnte jetzt sagen es liegt daran,
dass mein Atelier so klein ist und der Platz für die großen Formate
fehlt" aber nein es liegt nicht daran. Und an der Nahtstelle im Bild gibt es kleine
gewollte "Fehler" durch versetzte Linien und Farbwechsel - "ich habe da nicht
vergessen weiterzumalen, das ist gewollt so." Die
Stilistik der Werbung meint er, "ist weniger belastet als Rembrandt". Ákos
Birkás narrative Bilder sollen "kein Zentrum" haben, es soll viel freier
Raum, es soll Luft im Bild geben. Das Querformat wählte er, um sich vom musealen
Gemäldeformat abzusetzen. Unbändige
Lust auf Freiheit Ákos Birkás beansprucht Freiheit, Freiheit
zu wechseln, Freiheit für Impulse und Freiheit im Ausdruck sowie im Denken.
Er lässt als "geistiger Allersfresser" alles in sich hineinströmen und
sucht eine Form es malerisch darzustellen was er denkt und fühlt. Er erforscht
nicht nur seine Emotionen für die er einen Ausdruck sucht, sondern er reflektiert
inzwischen auch die Zusammenhänge sozialer, politischer, historischer Art
in denen er sich bewegt. Somit kann man ihn als Maler ansehen, der das komplexe
Weltdasein als Individuum malerisch zu verarbeiten sucht. Anmerkung Immer
wieder erwähnt Birkás die "Leipziger Schule" von der es
heisst, sie stehe "für einen hohen künstlerischen Anspruch, verbunden mit
bewusster Gesellschaftsanalyse, vorgetragen mit bemerkenswertem handwerklichen
Können." Die beiden darin enthaltenden Hauptströmungen, der "expressiv-leidenschaftlichen"
und der präzisen, "nüchtern-sachlichen" scheint Birkás in seiner
Herangehensweise zu verbinden. "Es sind dies der Drang zur gedanken- und phantasiereichen,
tiefgründigen Deutung von den Themen der Geschichte bis zu intimen Bereichen unserer
Umwelt sowie die Neigung zu einer gegenstandsbetonten, aber ausdrucksstarken Auffassung
zwischen den Polen zeichnerisch-klarer Detailgebung und malerischer Bewegtheit".
(Der Leipziger Kunsthistoriker Günter Meißner, 1974 über die Leipziger Schule).
Verständlich auch die Hinweise Birkás`auf die "London School"
die in den 50er Jahren entgegen dem Trend zur abstrakten Kunst die Linie der gegenständlichen
Malerei verfolgten. Birkás ist von den abstrakten Ovalen schließlich
auch zur gegenständlichen figurativen Malerei zurückgekehrt.
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