goettinger stadtinfo 
 Texte und Bilder © Impressum

Buback - Diskussion

> Veranstaltung Zeitschrift "pampa"
> Veranstaltungstext Antifa M

Erklärung
Wir sehen uns veranlasst, einen Nachruf zu veröffentlichen, einen Nachruf, den zu veröffentlichen unter Strafe gestellt worden ist: es geht um den erstmals in der Göttinger Studentenzeitung publizierten Nachruf auf Buback. Dieser Nachruf hat heftige Reaktionen ausgelöst: seine Verbreitung wird von Justiz und Polizeiorganen sowie von Hochschulleitungen verfolgt; in den Massenmedien, auch in den bürgerlich-liberalen Zeitungen, wird dieser Nachruf als Ausgeburt "kranker Gehirne" und als Musterbeispiel für "blanken Faschismus" (Frankf. Rundschau) deklariert. Der vollständige Text wird nirgends veröffentlicht im Gegenteil, die zentrale Intention des Artikels - seine Absage an Gewaltanwendung - wird unterschlagen.
Warum wird dieser Artikel unterdrückt? Die Publikation der unbotmäßigen Gefühle eines Studenten trifft auf eine Situation, in der der Staat Trauer für einen seiner Repräsentanten verordnet und in Szene setzt. Der Artikel verletzt in Form und Inhalt staatsbürgerliche Anstandsregeln - der Bundesjustizminister zeigt die "Verunglimpfung des Andenkens Toter" an. Der Artikel aber will auf seine Weise nichts weiter, als verordnete Gefühlsregungen infragestellen und einen Denkprozeß über die Gewaltverhältnisse in unserer Gesellschaft in Gang setzen.
Wir halten diesen Denkprozeß für notwendig. Die Unterdrückung und Verfolgung des Artikels ist selbst Ausdruck dieser Gewaltverhältnisse: während jeder Ansatz sozialistischer Kritik und Praxis erstickt werden soll, können sich faschistoide Tendenzen ungehindert breit machen. Die politische Öffentlichkeit in der Gesellschaft und speziell an den Hochschulen wird weiter eingeschränkt. Durch die exemplarische Kriminalisierung einzelner Studentenvertreter wird an den Hochschulen ein Klima der Angst erzeugt, in dem viele politische Diskussionen nicht mehr geführt werden und Äußerungen, die möglicher Weise politischen Charakter haben könnten, nur noch hinter vorgehaltener Hand gemacht werden.

Wir sind der Auffassung, dass eine öffentliche Diskussion des gesamten Artikels möglich sein muß. Mit seiner Veröffentlichung wollen wir zugleich dazu beitragen, der Kriminalisierung, der Illegalisierung und dem politischen Äußerungsverbot entgegenzutreten, indem wir das Recht auf freie politische Meinungsäußerung praktisch wahrnehmen.

Buback - Ein Nachruf Juni 1977
HERAUSGEBER: Prof. Dr. J. Agnoli, Berlin; Prof. Dr. G. Bauer, Berlin; Prof. Dr. J. Beck, Bremen; Prof. Dr. J. Blandow, Bremen; Prof. Dr. A. D. Brockmann, Bremen; Prof. Dr. P. Brückner, Hannover; Prof. Dr. W. Eichwedel, Bremen; Prof. Dr. M. Gallas, Bremen; Prof. Dr. H. Gerstenberger, Bremen; Prof. Dr. W. Gottschalch, Bremen; Prof. Dr. S. Grubitzsch, Bremen; Prof. Dr. K. Haubold, Oldenburg; Prof. Dr. K.-D. Hofmann, Berlin; Prof. Dr. W. Jaisli, Bremen; Prof. Dr. G. Jannsen, Oldenburg; Prof. Dr. S. Jannsen, Oldenburg; Prof. Dr. A. Keil, Bremen; Prof. Dr. G. Kiefer, Braunschweig; Prof. Dr. R. Knieper, Bremen; Prof. Dr. R. Künsken, Oldenburg; Prof. Dr. H. Lessing, Berlin; Prof. M. Liebel, Berlin; Prof. Dr. Ing. R. Lochmann, Berlin; Prof. Dr. E. Lucas, Oldenburg; Prof. Dr. J. Luther, Oldenburg; Prof. Dr. U. Maas, Osnabrück; Ass. Prof. Dr. C. Marzahn, Bremen; Prof. Dr. A. Meyer, Bremen; Ass. Prof. Dr. U. Mückenberger, Bremen; Prof. Dr. W. Nitsch, Oldenburg; Prof Dr. C. Offe, Bielefeld; Prof. Dr. H. Ortmann, Bremen; Prof. H. Pfütze, Berlin; Prof. Dr. U. K. Preuß, Bremen; Prof. U. Preuß-Lausitz, Berlin; Rechtsanwalt H. Rem‚, Berlin Prof. Dr. D. Richter, Bremen; Akad. O Rat Dr. I. Scheller, Oldenburg; Prof. Dr. E. Schmidt, Oldenburg; Prof. Dr. W. Schmidt, Oldenburg; Prof. Dr. B. Schonig, Berlin; Prof. W. Siebel, Berlin; Prof. Dr. Ch. Thürmer-Rohr, Berlin; Prof. Dr. M. Waltz, Bremen; Prof. Dr. R. Wolff, Berlin; Rechtsanwalt M. Zieger, Berlin; Rechtsanwalt H. Jacobi, Hamburg; Rechtsanwalt W. Günneman, Hamburg;

Quelle, dort ist auch der Aufruf veröffentlicht:
http://www.uni-mainz.de/~franz/vda/proj1968/ueberreg/doku/mescale.htm

 

Buback - Dokumentarfilm und Diskussion der Zeitschrift "Pampa"

Im Rahmen einer Veranstaltung am 6.3.2001 im Theaterkeller schrieben die Veranstalter der Zeitschrift "pampa"

"Ein berühmter Göttinger stand dieser Tage wegen seiner Vergangenheit im Blickpunkt des öffentlichen Interesses: Aufgewärmt wurden die "Iinksradikalen" Jugendsünden von Bundesumweitminister Jürgen Trittin. Ihm wird zur Last gelegt, sich nicht eindeutig genug von etwas distanziert zu haben, mit dem er in Wahrheit gar nichts zu tun hatte. Es geht um den sogenannten "Mescalero-Nachruf", der anläßlich der Ermordung des damaligen Generalbundesanwalts Siegfried Buback durch die RAF 1977 verfaßt worden war. Trittin war zu dieser Zeit SoWi-Student der Göttinger Uni und Mitglied einer linken Gruppierung im Fachschaftsparlament. dass er nur ein kleines Licht in der Uni-Politik war, "alles andere als ein Volkstribun" (so ein Zeitzeuge), ist mittlerweile breit genug diskutiert worden und auch das GT; seinerzeit an vorderster Front bei der Hetze gegen den linken AStA, hat Partei ergriffen für den mittlerweile prominenten Bürger dieser Stadt. Die pampa nimmt die aktuelle Diskussion zum Anlaß, einen Blick zurück auf die Geschehnisse im Jahr 1977 zu werfen: Wir zeigen ein zeitgenössisches Filmdokument über den Streik an der Göttinger Universität, der sich gegen die Kriminalisierung des ASta und die drohende Abschaffung des "politischen Mandats" der Studentenvertretung richtete. Es soll dabei nicht um Trittin gehen, der angesichts seines mittlerweile vollzogenen Wandels wahrlich keinen Grund für Solidaritätsbekundungen bietet (vielmehr hat die pampa-Redaktion durchaus "klamm-heimliche Freude" verspürt, als Trittin am 1. Mai 1999 für seine Kriegsverteidigungsrede auf dem Göttinger Marktplatz mit allerlei verbalen Wurfgeschossen eingedeckt wurde). Vielmehr vermittelt der Film einen Eindruck von der Stimmung und den Kontroversen damals. Leider redet heute keiner mehr von den zahlreichen "Opfern" der Kriminalisierung des Göttinger AStA 1977. Von Leuten, die sich einfach nur solidarisiert hatten mit den linken Studierenden und dafür mit Berufsverboten und Prozessen überzogen wurden."

zum Anfang

Wiederauffleben der Diskussion 2001

Am 15.3.2001 veranstaltet die Gruppe Antifa M eine Veranstaltung zur erneuten Debatte um den Buback-Nachruf . Zur Veranstaltung wurde folgender Text veröffentlicht :

"Wieviel Gewalt produziert die Gesellschaft
Was ist los mit der bundesrepublikanischen Gesellschaft? Da schlägt der Aussenminister Fischer den Marx auf den Kopf. Der Polizist Marx zeigt aber Verständnis für Fischer. Verkehrte Welt? Angela Merkel von der CDU fordert eine Stellungnahme von Fischer und versucht sich in der Interpretation der 68er Generation. (...)
Während Aussenminister Fischer, und Umweltminister Trittin in der allgemeinen Beliebtheitsskala weiter hoch im Kurs stehen und ihnen politisch Stabilität vergönnt ist, weil ihr offensichtlich souveräner Umgang mit der jeweils linksradikalen Vergangenheit und militanten Geschichte Glaubwürdigkeit ausstrahlt, driftet die CDU mit dem Versuch im Raster des ,,Kalten Krieges" die Revolte der 68er Generation zu bewältigen, abwärts. Fischer hingegen umarmt mit der machtüblichen Geste des Staatsmannes seine eigene Vergangenheit und reiht 68 damit als Aufbruch gegen verkrustete gesellschaftliche Strukturen in den demokratischen Konsens von heute ein. Er erdrückt damit ebenso den Gedanken an den Widerstand heute.
(...) Auch in Göttingen zieht die Debatte um die Interpretation aufständischer Vergangenheiten populärer PolitikerInnen nicht vorbei. Michael Buback der Sohn des ehemaligen Generalbundesanwalts Siegfried Buback macht nicht nur als Professor der Chemie von sich reden, vielmehr hat dieser die Angewohnheit auf Reisen im ICE Minister anzusprechen und diese nach ihrer Meinung zum sogenannten ,,Buback-Nachruf" zu befragen. Dieses Pamphlet eines Göttinger Mescalero von 1977 befasste sich seinerzeit mit der "klamm-heimlichen Freude" über den Tod des vom RAF-kommando-,,Ulrike Meinhof" im April 1977 erschossenen Generalbundesanwalts einerseits, andererseits war der Nachruf eine mit spontaneistischer Feder geschriebene Kritik an der damaligen, bewaffneten Politik bundesdeutscher Guerrillagruppen, speziell an der RAF. Nicht nur damals stand weniger der Inhalt des Nachrufs im Mittelpunkt des Interesses, sondern der Streit über die Veröffentlichung einer Auseinandersetzung mit militanter gegen das kapitalistische System gerichteter Politik erhitzte die Gemüter. Und zumindest das ist bis heute geblieben: der Streit über die Legitimität grundsätzlicher Kritik an den gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen, die eben Militanz nicht ausschließt."