Informationsdienst Computer&Medien

Archiv   Nr.2 / 1990

 

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MAI-SITZUNG DER BAG COMPUTER UND MEDIEN *

REDAKTIONSSCHLUSS DES NÄCHSTEN INFODIENSTES *
HEIDELBERGER TREFFEN DER TELEKOMMUNIKAKTION IM JUNI *
HINWEIS: AUS-UND FORTBILDUNG VON JOURNALISTINNEN UND JOURNALISTEN *
INTERNATIONALES TREFFEN DER FREIEN RADIOS IN DUBLIN *
TAGUNG ZUM THEMA "MEDIENREALITÄT UND WIRKLICHKEIT" *
"TELEKARTE": MASCHINENLESBARER TELEFONAUSWEIS *
LOKALFUNKBEGINN AM 1. APRIL 1990 IN NRW: APRIL, APRIL !! *
BRAIN-MACHINES: massage FÜR ZEITGEIST-HIRNE *
GRÜNE UMFRAGE ZUR MEDIENNUTZUNG IM WAHLKAMPF *
Neue Computer-Spezialeinheit im Innenministerium: BSI *
BTX-BOYKOTT IM GRÜNEN WAHLPROGRAMM *
VERDATUNG DER ARMUT - COMPUTER IM SOZIALAMT *
TELE-ARBEIT IN "TELE-HÜTTEN" ? *
"TELEMATIK-INSTITUT" IN KASSEL : DIE TELE-HÜTTE VON PROF. DR. REESE *
Französisch-Deutscher Kulturkanal *
NDR-RUNDFUNKRAT: ABLÖSUNG GEFORDERT *
COMPUTER IN DER KIRCHE *
NAZI-SOFTWARE AN DEN SCHULEN *
BAYERN: VOM ZAHMEN DATENSCHÜTZER ZUM ISDN-GEGNER ? *
Mensch-Technik-Umwelt e.V.: COMPUTER UND MAILBOX *
ZUR DISKUSSION UM "GEGENÖFFENTLICHKEIT" *
TELEFONDATENSCHUTZ BEI BERATUNGSSTELLEN *
STRATEGISCHE TELEFONÜBERWACHUNG *
KURZINFORMATIONEN ZUM DDR-UNTERNEHMEN ROBOTRON *
DDR: AUSBAU DER DATENNETZE *
COCOM-LISTE VERBIETET ISDN-EXPORT IN DIE DDR *
GENETISCHER FINGERABDRUCK AUF DER BRIEFMARKE *

 

MAI-SITZUNG DER BAG COMPUTER UND MEDIEN

Von Freitag den 25.5., 18.00 Uhr bis Sonntag den 27.5.90, 13.00 Uhr, in Haus Wittgenstein - Anmeldung bis spätestens 17. Mai an G.J. Schäfer - Anspruch auf Unterkunft haben nur angemeldete Teilnehmerinnen und Teilnehmer; Tagungsmaterial wird ebenfalls nur an die Angemeldeten verschickt.

 

REDAKTIONSSCHLUSS DES NÄCHSTEN INFODIENSTES

Redaktionsschluß für die nächste Nummer (3/90) des Informationsdienstes COMPUTER & MEDIEN ist der 31. August 1990. Bis spätestens zu diesem Termin müssen die Artikel fertig vorliegen. Sofern Material zur redaktionellen Weiterverarbeitung zugeschickt wird, muß dies bis spätestens 20. August in der Redaktion sein.

An dieser Stelle sollen noch einmal alle Leserinnen und Leser ermuntert werden, kurze Berichte oder Informationsmaterial für Artikel zuzuschicken, die für einen kritische LeserInnen interessant sein könnten und die sonst nur in einem kleinem Kreis, lokal oder regional bekannt bleiben würden.

 

HEIDELBERGER TREFFEN DER TELEKOMMUNIKAKTION IM JUNI

In der Zeit vom Freitag den 29. Juni, 19.00 Uhr bis Sonntag den 1. Juli, 13.30 Uhr findet in Heidelberg das dritte Aktionsseminar der Initiativen gegen die Computergesellschaft statt. Themenschwerpunkte sind diesmal die lokalen Aktions-Ansätze im Bereich Computerisierte Sozialhilfe, ISDN-Anlagen in öffentlichen Verwaltungen, Projekt "Datenstadtteilpläne", Regionale/Kommunale Rechenzentren. Diskutiert werden sollen die spezifischen Beschränkungen, die in der ANTI-ISDN-Kampagne liegen und wie das Thema ausgeweitet werden kann. Weitere Themen sind Aufklärungsaktionen gegen den (computerlesbaren) Sozialversicherungsausweis und die Verbreitung von Kartentelefonen (Vgl. den entsprechenden Artikel in diesem Infodienst).

Anmeldungen an: TelekommunikAKTION c/o Contraste, Postfach 104520, 6900 Heidelberg 1, Kostenbeteiligung für Tagungsräumlickeiten und Verpflegung 30 DM bzw. 10 DM, Reisekostenbeihilfe fallweise bei Bedarf möglich, sommerliche Übernachtung in aufgestellten Zelten oder je nach Bedarf anderweitig. Anmeldeschluß 20. Juni 1990.

 

HINWEIS: AUS-UND FORTBILDUNG VON JOURNALISTINNEN UND JOURNALISTEN

Ausbildung statt Labern ohne Ende - .Die bayrische Landesmedienzentrale (BLM) veranstaltet zum 3./4. Mai in München eine bundesweite Tagung zum Thema "Aus- und Fortbildung von JournalistInnen." Lange angemahnt und bislang von offizieller Seite kaum beachtet, beginnt die Kommerzfunkverwaltung mit dieser Tagung, über die handwerkliche Qualität nachzudenken, die für ein informatives Funkmedium notwendig ist. Unter anderem werden Ausbildungsgänge von öffentlicher und privater Seite vorgestellt, zum anderen soll aber auch in allgemeiner Diskussion ein Anforderungskatalog für den Beruf des Privatfunkjournalisten erarbeitet werden. Wer allerdings die Kosten für die adäquate Ausbildung und entsprechender Anstellung in den Sendern finanzieren will, wird möglicherweise offen bleiben.

Kontakt/Information: BLM, Fritz-Erler-Str. 30, 8 München 83, z.H. Frau Fendt, Stichwort: "Tagung Aus- und Fortbildung".

 

INTERNATIONALES TREFFEN DER FREIEN RADIOS IN DUBLIN

Von Vancouver über Nicaragua nach Dublin - . Das vierte internationale Treffen der freien Radios wird in diesem Sommer vom 12. bis zum 19. August in Dublin stattfinden. Die weltweit orientierte Konferenz unabhängiger Lokalradios ist manchen unter der französischen Abkürzung AMARC bekannt und speist sich teilweise aus UN-Geldern. Nachdem die bisherigen Tagungsorte für europäische und bundesdeutsche Interessengruppen aus finanziellen Gründen kaum zu erreichen waren, bietet der Dubliner Rahmen sicher für mehrere die Möglichkeit zu einem Informationsaustausch über den weltweiten Stand der nicht-kommerz-orientierten Lokalradios. Unterschiedliche Workshops, Foren und Ausstellungen sind geplant.

Kontakt/Information: ARMAC 4, 32 Gardiner Place, Dublin, Ireland, Tel.: 3531788733

 

TAGUNG ZUM THEMA "MEDIENREALITÄT UND WIRKLICHKEIT"

Zu diesem Grundsatzthema findet in Kochel am See eine fünftägige Klausurtagung statt, die von dem Münchner Peter Hohenauer vorbereitet wurde. Entgegen der sonst üblichen selbstbemitleitenden Medienschelte werden FachkollegInnen und Fachinteressierte zu einer Auseinandersetzung geladen, die sich konkret an Medienproduktionen und deren Auswirkungen orientiert. Die Natur-Umgebung läßt einen Arbeitsrahmen zu, der sich deutlich vom normalen (=vollgepfropften) Tagungsstil unterscheidet. Kleine Arbeitsgruppen werden sich mit Themen wie "Celler Loch", "Massaker von Temschwar" und "Die Toten von Peking" (und entsprechendeN Medienproduktionen) befassen.

Kontakt/Informationen: LORA München, Schwanthaler Straße 15. 8 München 2, 089/5380515 oder direkt bei der Vollmar-Akademie, Aspenstein, 8113 Kochel am See, 08551/822. Termin: 14.-18.5.90

 

"TELEKARTE": MASCHINENLESBARER TELEFONAUSWEIS

Bislang waren lediglich Chipkarten für das "Telefonieren ohne Münzen" im Einsatz. Diese Karten enthalten einen Chip auf dem Werteinheiten gespeichert sind. Diese werden beim Telefonieren entwertet bis die Chipkarte leer ist. Dann wird sie weggeworfen und es muß eine neue gekauft werden. Um das "Telefonieren ohne Münzen" durchzusetzen, geht die Deutsche Bundespost Telekom mit Zwangsmitteln vor: Ohne Rücksicht auf die tatsächliche Verbreitung von Chipkarten werden öffentliche Fernsprecher installiert, die nur noch mit Chipkarten benutzt werden können. Während die Leute vor Münzfernsprechern warte, ist die Kartentelefonzelle leer. So kommen notgedrungen immer mehr Leute auf die Idee, daß sie mit einer Chipkarte vorteilhafter dran wären. Nun läutet die Post bereits die nächste Runde ihrer Strategie ein: Sie bietet Karten an, mit denen "unbegrenzt" telefoniert werden kann, d.h. die Karte wird zur maschinenlesbaren Identifikationskarte. Die vom Apparat erfaßten personenbezogenen Daten werden direkt vom Apparat aus über Datenleitung zu einem Gebührencomputer der Post übertragen und auf dem persönlichen Konto der Karteninhaberin registriert. Problem dabei ist, daß die Telefondaten (welche Nummer wurde angerufen, an welchem Tag, zu welcher Zeit, wie lange, von welcher Telefonzelle aus ) nun auch beim Telefonieren in öffentlichen Telefonzellen personenbezogen registriert und gespeichert werden.

Die Durchsetzungsstrategie der Post könnte schwere Probleme bekommen, wenn sich eine öffentliche Diskussion über die Hintergründe der Kartentelefone entzündet und die Leute demonstrativ diese Kartentelefone meiden.

 

LOKALFUNKBEGINN AM 1. APRIL 1990 IN NRW: APRIL, APRIL !!

Entgegen aller Hoffnungen von LfR und Landesregierung begann der Sendestart des 2-Säulenmodells in NRW mit tatsächlich nur einem Sender: Radio Duisburg ! Die Chefredeaktion übernahm der Ex-NDR-Mann Karsten Uwe Pieper, der schon in Hamburg Erfahrungen mit der dortigen Variante des 2-Säulen-Modells sammelte: er war redaktionell verantwortlich für den Pleitensender Radio Korah...- wenn das mal kein böses Omen ist ! Bis zur NRW-Landtagswahl am 13. Mai werden nach Auskunft von Wolfgang Hahn-Cremer, Vorsitzender der Lokalfunkkommission der LfR, nur höchstens 2 weitere Sender starten können: Hamm und Wesel. Bis in den Oktober werden von 45 möglichen Sendern wahrscheinlich nur 11 lokale Stationen zu hören sein. Für die Realisierbarkeit des komplizierten NRW-Rundfunkgesetzes sicherlich kein untrüglicher Beweis.

(Mathias Lahmann, München)

 

BRAIN-MACHINES: massage FÜR ZEITGEIST-HIRNE

Eine kleine aber teure Maschine erregt Aufmerksamkeit, die sogenannte Brain-Machine. (Ob die TAZ das Thema "Brain-Machines" deshalb aufgegriffen hat, weil ein Ex-Mitarbeiter ein brain-Studio eröffnet hat, sei dahingestellt, vgl. TAZ vom 3.3.90)

Die optisch-akustischen Brain-Machines bestehen aus einem Kopfhörer und einer mit Leuchtdioden bestückten Skibrille, das Herzstück ist ein kleiner Kasten, der einen Computer beherbergt. Der Computer sendet synchronisierte Licht- und Tonsignale aus. Die Aktivität der Hirnwellen ist durch optische und akustische Reize beeinflußbar, also wird versucht, das Gehirn durch Signale in einen anderen Zustand zu versetzen. Das Gehirn wird zum Beispiel in eine Frequenz eingeschwungen, die es normalerweise nur im Schlafzustand erreicht. Der Effekt der Brain-Machines soll mit dem des autogenen Trainings vergleichbar sein, angeblich aber schneller und ohne Trainingsaufwand. Übertriebene Erwartungen werden geweckt, wenn mit der Anwendung der brain-machine das Superhirn der 90er Jahre versprochen wird.

Bei der Beschreibung der Funktionsweise von brain-machines wird das menschliche Gehirn gerne mit der eines Computers verglichen. So wird z.B. subjektives Erleben als "biomentale Software" beschrieben. Brain-Machines passen wohl gut in die jetzige Zeit, in der alles möglichst schnell und effektiv zu funktioniere hat. Als Beispiele für die mannigfaltigen Anwendungsbereiche sind z.B. der Einsatz in Betrieben zur Entspannung der MitarbeiterInnen zum Zwecke der Erhöhung ihrer Produktivität oder in Sprachschulen denkbar.

Die Maschinen werden zur Zeit größtenteils in Esoterik-Läden vertrieben, auch lassen viele Propagandisten der neuen Technik eine Nähe zum New Age erkennen. Da aber immer mehr Leute mit den Maschinen Geld verdienen wollen, wird jetzt öfter versucht, mit einem seriösen Image neue Kundenbereiche zu erschließen. So wird dem modernen Manager die "Entspannung aus der Steckdose" nahegelegt. Keine zeitaufwendigen Entspannungsübungen, mehr Kreativität und weniger Schlaf, all das soll durch die neue Maschine möglich werden.

Zu guter letzt sei noch auf einige Computerfreaks hingewiesen, die sich die Prinzipien der Brain-Machines zunutze machen wollen. Sie wollen eine Art Adapter für den PC konstruieren, der den eigenen Computer zu einer Brain-Machine umfunktionieren kann. Bei den Überlegungen spielt das Kostenargument (eine Brain-Machine kostet heute ca. 1000DM) nicht die Hauptrolle, vielmehr ist es die Möglichkeit der freien Programmierung. Die Hoffnung geht hin zu einer Auswahl von Trips aus der Steckdose; die besten Programme oder Trips werden dann getauscht, eine moderne Designerdroge und eine Schritt hin zum Cyberpunk.

(Uwe Jonas, Berlin)

 

GRÜNE UMFRAGE ZUR MEDIENNUTZUNG IM WAHLKAMPF

In einem Fragebogen zur Vorbereitung der Bundestagswahl 1990, den die Bundesgeschäftsstelle an Orts- und Kreisverbände verschickt hat, wurde neben den traditonellen Printmedien auch Film-, Dias- und Computereinsatz thematisiert. U.a. wurden folgende Punkte angesprochen:

* Soll die Bundesgeschäftsstelle die Fernsehspots auch in einer 35 mm-Kopie für Kinowerbung anbieten ?

* Würden die Kreisverbände Runfunkspots in lokalen Sendern einsetzen, wenn die Bundesgeschäftsstelle diese Spots anbietet.?

* Gutgemachte Dias zu aktuellen Themen im Kino zeigen ?

* Werden Video- bzw. Ton-Dia-Schaus zu inhaltlichen Veranstaltungen eingesetzt ?

* Verfügt der Kreis-/Ortsverband über einen PC oder hat Zugang dazu und setzt diesen auch (z.B. für Textverarbeitung oder desktop-publishing) ein ?

* Soll die Bundesgeschäftsstelle wichtige Texte (z.B. Wahlprogramm, Wahlaussage und andere grundsätzlich längere Positionspapiere) auch auf Diskette anbieten ?

Wir sind auf die Ergebnisse der Befragung gespannt !

Kontakt: Ansprechpartner für alle Wahlkampfangelegenheiten ist Richard Herten, Bundesgeschäftsstelle, Colmantstr. 36, 53 Bonn 1, 0228/72613-0.

 

Neue Computer-Spezialeinheit im Innenministerium: BSI

Ein Gesetzesentwurf, den die Bundesregierung am 27 Februar 1990 beschlossen hat, sieht die Einrichtung eines Bundesamtes für "Sicherheit in der Informationstechnik" (BSI) im Januar 1991 vor. Die Aufgabe des BSI besteht laut Regierungstext u.a. in folgendem: "kriminell, extremistisch oder nachrichtendienstlich motivierte Einbrüche in informationstechnische Systeme" sollen "rechtzeitig erkannt, ihre Auswirkungen bewertet und Möglichkeiten der sächlichen Beweisführung aufgezeigt werden. Zu diesem Zwecke soll für die Strafverfolgungs-, Polizei und Verfassungsschutzbehörden des Bundes zentral der erforderliche Sachverstand bereitgestellt werden."

Nun bekommt also der Verfassungsschutz mit der BSI-Behörde quasi einen bundesbehördlichen, staatlich geschützen Hacker-Club zur Verfügung gestellt, der nicht nur technische Spezialisten und Geräte zur Verfügung hat, sondern "als Behörde verfügt sie auch über die für die Wahrnehmung der Aufgabe erforderlichen Zugänge zu den staatlichen Sicherheitsinformationen" (Regierungstext). Konsequenterweise wird das "BSI" in die Abteilung "Innere Sicherheit" des Innenministeriums eingegliedert, wo auch die Geheimdiensttätigkeiten koordiniert werden.

Das BSI soll im Kern aus einem Teil der "Zentralstelle für das Chiffrierwesen" (ZfCH) bestehen, die bisher im Bundeskanzleramt untergebracht war. Die ZfCh bestand aus code-makern und code-brakern. Zusammen mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) sind die code-braker für die Entschlüsselung von ausspionierten geheimen Nachrichten zuständig, die code-maker beschäftigten sich mit der Verschlüsselung des diplomatischen und geheimdienstlichen Nachrichtenverkehrs. Die Code-maker-Abteilung wurde unter dem Namen "ZSI" (Zentralstelle für Sicherheit in der Informationstechnik, Leiter: Dr. Leibrich) bereits aus dem Kanzleramt heraus ins Innenministerium verlagert und soll mit 153 Personal-Stellen und 37 Millionen DM zunächst den Grundstock des neuen BSI bilden.

Die Verbindung des BSI zum Militär ist z.B. im § 6 des BSI-Gesetzentwurfes augenfällig: dort wird festgelegt, wie die "Soldaten" im BSI zu besolden sind - also arbeiten dort auch welche. Nach außen hin jedoch versucht z.B. Staatssekretär Hans Neusel vom Innenministerium, das BSI als eine "zivile" Behörde darzustellen, denn sie soll ja innerhalb der gesamten zivilen und privatwirtschafltichen Computerinfrastruktur tätig werden. So soll sie über die Vergabe von Sicherheitszertifikaten Einfluß auf die Produktgestaltung der Computer-, Software- und Fernmelde-Hersteller nehmen.

Beim Einsatz von Chiffriersystemen mußten Behörden auch bisher schon die Genehmigung von ZfCh bzw. ZSI einholen, nun soll das mittels einer Zertifikatsvergabe möglichst auf die ganze Wirtschaft und das Fernmeldewesen übertragen werden. "Die ZSI hat Chiffrierverfahren und -geräte mathematisch und technisch zu entwickeln und die Verantwortung für die Sicherheit zu tragen. Die ZSI führt nur die Grundentwicklung durch, Produktion und Verkauf erfolgen durch die Indusrie. (..) Die Zweite Hauptaufgabe ist die Herstellung der Fernmeldesicherheit, d.h. der Schutz von Informationen, d.s. Texte, Telefongespräche oder Daten, auf Fernmeldewegen gegen unbefugtes Mitlesen bzw. Mithören durch Bereitstellen von Chiffriereinrichtungen." (ZSI-Leiter Dr. Leibrich am 24.1.90 bei der Wissenschafts-Pressekonferenz, Bonn).

Bei der Entwicklung von Verschlüsselungssoftware kann das BSI nun darauf achten, daß a) seine Produkte nicht geknackt werden können und daß b) keine Produkte auf den Markt kommen, die der deutsche Geheimdienst nicht knacken kann.

Als Wolf im Schafspelz schleicht sich das BSI sogar an das Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz heran. Polizei und Geheimdienste lassen sich bekanntermaßen vom Datenschutzbeauftragten nicht in die Karten gucken, aber umgekehrt soll es nun für das BSI möglich werden. Die Datenschutzämter brauchen dringend computer-technisch ausgerüstete Spezial-Stellen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte bereits 1985 eine Stelle für technischen Service angeregt. Die ehemalige ZfCh konnte hierfür nicht offen in Betracht gezogen werden, denn man hielt es "wegen der Zuordnung der ZfCh zum Bundesnachrichtendienst (...) nicht für sinnvoll, diese Stelle bei der ZfCh oder in ihrer Nähe anzusiedeln." (Wissenschafts-Pressekonferenz, Hintergrundpapier des Mathematikers Dr. Werner Schmidt, Leiter des Referats "Informationstechnik" beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz, 6.2.90, S.2). Mit der Gründung einer scheinbar zivilen Nachfolgeorganisation, dem BSI bekommt nun aber der Kontakt zwischen Geheimdiensten und Datenschutz endlich den ersehnten Heiligenschein. Und was sagt dazu der Datenschützer W. Schmidt? "Bei aller Distanz, die sich aus der unterschiedlichen Aufgabenstellung des neuen Amtes und des Bundesbeauftragten für Datenschutz ergibt, wird in diesem wichtigen Aufgabenbereich die gute Zusammenarbeit von beiden Seiten fortgesetzt werden."

(G.J. Schäfer)

Kontakt: Die Grünen im Bundestag, Barbara Böttger, Bundeshaus, 53 Bonn 1, 0228/169173

Material: a) Gutachten im Auftrag der Fraktion DIE GRÜNEN im Bundestag, "Das neue Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik", von Bizer, Hammer, Pordesch, Roßnagel, Februar 1990 , b) Gesetzentwurf der Bundesregierung, Drucksache 134/90, 23.2.90, In - Fz - R , Alleinvertrieb: Verlag Dr. Hans Heger, Postfach 200821, 53 Bonn 2, c) Hintergrundpapiere der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK) vom 6.2.90, Dürenstr. 1, 53 Bonn 2, 0228/352992

 

BTX-BOYKOTT IM GRÜNEN WAHLPROGRAMM

Im Landtagswahlprogramm für die Niedersachsen-Wahl im Mai 1990 ist im Abschnitt Wirtschaft/Neue Technologien zu lesen: "Die Grünen weisen seit mehreren Jahren auf die Problematik vernetzter Computersysteme hin und sehen sich in letzter Zeit durch die zunehmende Zahl kritischer Stellungnahmen gegen Bildschirmtext (BTX) und ISDN bestätigt. Um eine Einbindung der privaten Haushalte in Computernetze zu verhindern, hat der niedersächsische Landesverband der GRÜNEN den Beschluß gefaßt, den Aufruf zum Boykott von BTX zu unterstützen."

Material: BTX-Boykottaufruf, der seit mehreren Jahren im Umlauf ist und zu dem viele Gruppen, Organisationen eine Unterstützungserklärung abgegeben haben.

Kontakt: OFF-line, Geiststr. 1, 34 Göttingen

 

VERDATUNG DER ARMUT - COMPUTER IM SOZIALAMT

Die Armut nimmt zu, die Sozialhilfeausgaben der Kommunen steigen ohne daß ein Ende absehbar ist. Die Computerisierung der Sozialämter soll nun die Verwaltung der Armut rationalisieren die gesammelten Daten sollen ihre Strukturen transparenter machen.

Der Sozialhilfeantrag wird garnicht erst auf Papier geschrieben, sondern gleich am Bildschirmterminal eingetippt. Je nach Eingabe regt das Datenverarbeitungssystem gemäß der bestehenden Gesetze Zusatzfragen an. Das juristische Wissen wird auf den Computer verlagert. Gleichzeitig wird die Bearbeitung scheinbar "versachlicht" und es kann nun heißen: "Tut mir leid, Du kriegst jetzt weniger, der Computer hat nun mal so entschieden."

Die gesetzlich verankert "Individualität der Beratung" wird durch diese Computerisierung ebenso gefährdet, wie die kommunale Selbstbestimmung bei der Sozialhilfe, weil durch einheitliche Programme auch eine Standardisierung in der Bearbeitung stattfindet. Außerdem entsteht durch die Möglichkeit der überregionalen Zusammenfassung von Daten neues Planungswissen. Die Struktur der Armut, die Möglichkeiten zur "Entschärfung sozialen Sprengstoffes" sind Ziel wissenschaftlicher Untersuchungen, die auf diesem Datenmaterial aufbauen.

In Hamburg läuft die Armutsverdatung unter dem Namen PROSA (Wer denkt da nicht an schöne Literatur und entspannt sich erstmal ?). Aber eine Arbeitsgruppe im Rahmen der GAL hat dieses Thema aufgegriffen und arbeitet intensiv an einer kritischen Aufklärung.

Kontakt: GAL Hamburg, Angelo Wehrli, Bahrenfelder Str. 244, 2000 Hamburg 50, Tel.: 040/391578

Material: "Projekt Sozialhilfeautomation - Armutsverwaltung per Computer", kostenlose Bestellung bei obiger Adresse.

 

TELE-ARBEIT IN "TELE-HÜTTEN" ?

Sie werden "Tele-Stuben" oder "Tele-Cottages" genannt - wir reden lieber von "Tele-Hütten". "Telehütten" sollen vor allem im ländlichen Raum bei Bevölkerung und Kleinbetrieben Propaganda für die IuK-Technik machen: "Der ortsansässigen Bevölkerung wird die Möglichkeit geboten, moderne technische Ausrüstungen zu nutzen und so ihre Angst vor Computern zu verlieren. Eine Kontaktstelle für 10jährige Kinder bis hin zu den Senioren wird geschaffen. Das ortsansässige mittelständische Gewerbe erhält eine Beratung beim Kauf und bei der Anwendung von Informationstechnologien."(Zitat aus dem Rat der Stadt Cloppenburg). Das angestrebte Tätigkeitsfeld umfaßt Beratungsdienste, Datenbankabfragen, Übersetzungsdienste, Serviceangebote für kleine und mittlere Firmen, Schulungen, Mailbox-Dienstleistungen, Bürodienste, Arbeitsplatzvermittlung, TEMEX-Leitzentrale, Vereinsverwaltung (Karteiführung, Buchhaltung), Teletex-, Telefax-, BTX-Anschlüsse, spezielle Programme und Datenverarbeitung als Dienstleistung.

Nervöse Reaktionen bei Fragen zum Thema Datenschutz lassen erkennen, daß den Tele-Hütten-Propagandisten dabei nicht ganz wohl ist und das mit gutem Grund. Mit einer TEMEX-Leitzentrale hätte die Tele-Hütte Einblicke in die individuellen Verbrauchsgewohnheiten der Haushalte, durch Serviceleistungen hätte sie wichtige Informationen über finanzielle Hintergründe der Klein- und Handwerksbetriebe, sie hätte Einblicke in die Vereinskarteien und -buchhaltungen und als private Arbeitsvermittlung auch Kenntnisse von sensiblen Daten Arbeitsloser. Statt diese Probleme zu erörtern, behaupten die Tele-Hütten-Propagandisten frech:"Lokale Demokratie wird durch das Beherrschen der Kommunikationstechnologie begünstigt".(Rat Cloppenburg)

Tele-Hütten in Schweden, wo das Konzept herstammt, sind fest eingebunden von großen schwedischen Firmen und schwedischem Militär. Die allseits propagierte Idee der "Dezentralisierung durch Telekommunikation" wird praktisch ins Gegenteil verkehrt, weil Tele-Hütten ein Ausgangspunkt für die Anbindung an Großbetriebe der Ballungszentren sind. Mit den Tele-Hütten schaffen sich Großunternehmen Zugänge zum billigen Zuliefermärkten in entlegenen Regionen. Gegenüber den ortsansässigen Kleinbetrieben wird das so dargestellt, als ob sich plötzlich der Weltmarkt für sie öffne. Vorsorglich spielen Tele-Hütten-VertreterInnen dagegen die Gefahr herunter, daß mit den Datennetzen der Einfluß von Großbetrieben im ländlichen Raum wächst, daß abgeschottete regionale Märkte in Zukunft die mörderische Konkurrenz der Großen zu spüren bekommen.

Teleheimarbeit, "Nachbarschaftsbüros" und "Satellitenbüros" sind Stichworte, die beim Tele-Hütten-Konzept aktuell werden. Die "Tele-Hütten"-Propaganda spricht von "Arbeitsplätzen in ökologisch einwandfreien und landschaftlich attraktiven Gegenden". Dafür sollen die Beschäftigten dann aber wegen der Einsparung von Fahrtkosten auf einen entsprechenden Gehaltsanteil verzichten. Wichtiger noch ist, daß Regionen, Kleinstädte und Gemeinden in einem Prozeß der Lohnkostenkonkurrenz gegeneinander ausgespielt werden, weil Telearbeitsplätze räumlich nicht gebunden sind. In den Ballungsräumen werden die Gewerkschaften mit Auslagerungsdrohungen unter Druck gesetzt. Tarifabschlüsse können unterlaufen werden, indem Serviceaufgaben in eine andere Region und einen anderen Tarifbereich verlagert werden.

In Niedersachsen werden Tele-Hütten in Jork, Otterndorf, Leer und Cloppenburg mit Fördermitteln des Landes Niedersachsen geplant. Ein von der Landesregierung Beauftragter Tele-Hütten-Spezi namens Henning Albrechtsen soll die Standortfrage für die Landesregierung sondieren. Prof. Dr. Kroes, Fachbereich Raumplanung an der Universität Dortmund, ist mit begleitenden Untersuchungen in Otterndorf beteiligt.

In Bayern ist die "MüTel"-Gesellschaft mit der Gründung einer Tele-Hütte in Bayreuth, in Baden-Württemberg ist die Fraunhofer Gesellschaft mit dem Telehütten-Gedanken beschäftigt. Hessen beabsichtigt angeblich die Einrichtung von vier Pilotversuchs-Hütten.

(G.J. Schäfer)

 

"TELEMATIK-INSTITUT" IN KASSEL : DIE TELE-HÜTTE VON PROF. DR. REESE

Interessierte Wissenschaftler, Wirtschaftsunternehmen, Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammern Kassel/Fulda sowie die Stadtsparkasse Kassel betreiben seit Sommer 1989 dem Aufbau des "Telematik-Institut Kassel". Im März 1990 bezog das Telematik-Institut ein neues Domizil in den großen fabrikmäßigen Räumen einer ehemaligen Druckerei (die zum Bärenreiter Verlag gehörte). Dort sind mehr als ein Dutzend ISDN-vernetzter Arbeitsplätze eingerichtet worden, denn das Institut will eine "Vorbild- und Vorreiterfunktion für die Region Nordhessen erfüllen und deshalb in der Lage sein, stets den neuen Stand der Technik nutzen und vorführen zu können." (Selbstdarstellung des Instituts).

Leiter des Telematik-Instituts ist Prof. Dr. Jürgen Reese, der sich 1979 noch Gedanken über die "Gefahren der informationstechnischen Entwicklung" gemacht hatte. Neuerdings spricht Reese vor allem von den "großen Rationalisierungschancen der Telematik für Unternehmen und Wirtschaft". Die Teilnahme an Seminaren des Institut, kostet 300 DM für "Nebenstellenanlagen im Vergleich", ein 12-Stunden-Seminar über Mailboxen kostet satte 600,- DM. Prof. Reese bietet ein 5-Stunden-Seminar zum Thema "PC für Führungskräfte" für 300 DM an.

Themen wie z.B. "Datenschutz für ArbeitnehmerInnen" oder "Überbetriebliche Rationalisierungsstrategien in vernetzten Systemen und Probleme der Betriebsrätearbeit" sucht man vergebens im Seminarprogramm. Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates (IHK, Handwerkskammer, Wirtschafts-Ministerium) wird dafür sorgen, daß das auch so bleibt. Die Tele-Hütte von Prof. Dr. Jürgen Reese ist also nichts anderes als eine mit 1,5 Mill. DM öffentlich mitfinanzierte Unternehmensberatung bzw. Marketingstelle für IuK-Technik.

Kontakt: Telematik-Institut Kassel e.V., Heinrich-Schütz-Allee 35, Tel.: 0561/31809-0 (Datenschutzhinweis: Ab Sommer 1990 handelt es sich dabei voraussichtlich um einen ISDN-Basis-Anschluß) Einen BTX-Anschluß hat das Vorreiter-Institut auch, aber wen interessiert das schon.

 

Französisch-Deutscher Kulturkanal

Deutsch-Französisch wird multikulturell -. Die als "Alternative und Innovation zum bestehenden Satelliten-Programm" gepriesene Einrichtung "deutsch französischer Kulturkanal" ist mittlerweile vom Sog europaweiter Aufbruchstimmung erfaßt worden. Entgegen aller zweistaatlicher Intentionen von Kohl und Mitterand, sich unter einem medial effektvollen Kulturdenkmal sonnen zu können, entwickelt sich das Projekt zu einer europäischen "Größe", die ihm aufgrund der bislang gefaßten Budget-Rahmen gar nicht zusteht. Mit einem Jahresetat von 240 Mio. DM, der je zur Hälfte von LA SEPT und von ARD/ZDF getragen wird, werden Programmminutenbudgets bei etwa 2000 DM liegen. Ankauf von europaweiten Senderechten, Neuproduktionen und vielsprachige Synchronisationen sind da kaum drin. Das Finanzloch, welches dieses Budget bei ARD/ZDF reißt, wird nach Meinung von SWF-Fernsehdirektor Rittig (deutscher Koordinator für das Kulturkanalprojekt) spätestens ab 1993 durch erhöhte Gebühren rückgedeckt werden. Wann dieser Kanal seine Flutventile öffnet, bleibt allerdings ungewiß: der Sendestart zum 1.1.1991 scheint zunehmend illusorisch.

(Mathias Lahmann, München)

 

NDR-RUNDFUNKRAT: ABLÖSUNG GEFORDERT

Redaktionelle Vorbemerkung: Der Streit um den Sitz der GRÜNEN im NDR-Rundfunkrat schwelt schon eine ganze Weile. Um zu beleuchten, was da eigentlich los ist, sind sicher mehrere Beiträge notwendig. Beim folgenden Text handelt es sich zunächst um eine Stellungnahme von Bernd-Joachim Meyer aus Kiel (LAG Medien Schleswig-Holstein und NDR-AG) der den bisherigen Vertreter der GRÜNEN, Michael Schmelich ablösen soll:

"Den jeweiligen Sitzinhaber sollte eine NDR-Arbeitsgemeinschaft aus jeweils zwei Mitgliedern der (Grünen) Medien-Landesarbeitsgemeinschaften unterstützen. Nach zwanzig Monaten sollte eine Rotation innerhalb dieser NDR AG erfolgen. Als erste hatte Angelika Gericke aus Hamburg den Sitz inne, die NDR-AG traf sich während ihrer Amtsperiode regelmäßig. Fahrtkosten und andere Aufwendungen zahlte Angelika von den monatlich 750 DM die ein Rundfunkratmitglied erhält. Als Angelika nach zwanzig Monaten zugunsten von Michael Schmelich herausrotierte, wies sie auf die Probleme dieser kurzen Amtszeit und auf die Wichtigkeit einer kontinuierlichen Arbeit der NDR-AG hin. Michael Schmelich sagte, das wäre alles kein Problem. Während Michael Schmelichs Amtszeit fanden praktisch keine NDR-AG-Sitzungen statt, wenn doch - ohne Michael Schmelich. Folglich erstattete Michael Schmelich auch keine Fahrtkosten oder andere Kosten aus seinen Diäten an andere.

Ein Informationsfluß von Michael Schmelich aus dem NDR war nicht vorhanden. Auch nicht während der wichtigen Programmstrukturänderungen im NDR Anfang 1989, die Michael Schmelich als die medienpolitisch bewegtesten Zeiten der letzten zwanzig Jahre bezeichnete. Michael Schmelich erhielt im Sommer 1989 ein offizielles Schreiben des Schleswig-Holsteinischen Landesvorstands als Erinnerung daran, daß im August seine Amtsperiode ablaufe. Nach vergeblichen Bemühungen, Kontakt zu ihm aufzunehmen, erklärte Michael Schmelich mündlich, daß er nach den Haushaltsberatungen des NDR im Herbst rotieren würde, später, daß er im September rotieren würde und schließlich äußerte er sich zum ersten mal schriftlich, nämlich "lehne ich für meine Person wohlwissend, daß ich damit gegen bestehende Absprachen verstoße eine Rotation aus dem Rundfunkrat ab."

Meine persönliche Kontakaufnahme zu Michael Schmelich gestaltete sich etwas schwierig, da er sich am Telefon verleugnen läßt, zu Treffen der niedersächsischen LAG Medien nicht erscheint und auf Schreiben nicht reagiert. Und auf ein Fax aus Hannover faxte er ein zweiseitiges Papier mit der Weigerung zu rotieren und einen tabellarischen Amtsbericht zurück.

Michael Schmelich kritisiert zu recht den Rotationszeitraum von 20 Monaten. Die Verbindung des Rotationsproblems mit dem Problem "Michael Schmelich" ist jedoch unzulässig. Sollte er, wie mir berichtet wurde, auf einem Rundfunkrätetreffen in Bremen behauptet haben, er rotiere nicht, weil es keinen Nachfolger aus Schleswig-Holstein gäbe, so hat er die Unwahrheit gesagt.(...) Der niedersächsische Landesverband sollte sich sofort nach den niedersächsischen Landtagswahlen am 13. Mai von Michael Schmelich trennen. Sein Nachfolger sollte die vollen fünf Jahre im Rundfunkrat eine kontinuierliche Arbeit in Absprache mit allen drei Landesverbänden leisten. Viele Mitarbeiter im NDR, die von den GRÜNEN zur Zeit enttäuscht sind warten darauf, einen nicht proporz-gebundenen Ansprechpartner im Rundfunkrat zu erhalten."

Bernd-Joachim Meyer, Kiel

 

COMPUTER IN DER KIRCHE

Die Ev. Landeskirche bzw. die Ev. Medienzentrale Hannover veranstaltete vom 9.-11.3.90 eine "Medienmesse" in Göttingen. In diesem Rahmen fand u.a. eine Diskussion zum Thema "Computer in der Kirche" statt.

Zunächst lobpreiste ein Pastor die Effizienzsteigerung, die sein PC ermöglicht, dann erwähnte er aber auch, daß er sich bei Serienbriefen oft nicht mehr erinnern könne, wem er alles geschrieben habe. Die Anregung, er solle doch auf den Briefen ehrlicherweise vermerken, daß es ein "Serienbrief" sei, nahm er stillschweigend zur Kenntnis. Bei der kritischen Bemerkung, die Effektivität sei eher dadurch zu steigern, daß man nicht so viel unnötige Sachen schreibe, entstand kurzfristige Sprachlosigkeit. Schließlich gab jemand zu bedenken, daß mit Textbaustein-systemen zwar die Predigten schneller zusammengesetzt werden könnten, aber die Qualität leide.

Auf den datenschutzhinweis, daß bei Serienbriefen ja maschinell gespeicherte Adressen verwendet würden, die aus kirchlichen Meldedaten stammen, entgegnete der anwesende kirchliche Datenschutzbeauftragte, das könne man durchaus auch ohne Zustimmung der Betroffenen machen. Nebenbei wurde übrigens klar, daß die Pastoren im Rahmen ihre seelsorgerischen Tätigkeit sehr persönliche Informationen über die Gemeindemitglieder erhalten, wie z.B. "Vater war im Gefängnis" etc.. Das dürfe aber nicht in den Pfarramts-PC eingespeichert werden, da sei nur das Notizbuch erlaubt.

Stratmann vom sozialwissenschaftlichen Institut der EKD, Bochum, berichtete, ein Pfarrer habe ihm geklagt, daß er oft einfach keine Lust mehr habe z.B. den alten Leuten zuzuhören und vor den seelsorgerischen Aufgaben manchmal resigniere. Während seelsorgerische Arbeit immer nur Stückwerk bliebe, biete die Arbeit am PC so etwas wie eine Möglichkeit zur Perfektion. Der Computer werde somit zum potentiellen Fluchtinstrument vor der menschlichen Begegnung. Wenn man über Effizienz rede, müsse man daher fragen, "was fange ich mit der gewonnenen Zeit eigentlich an. Besuche ich menschlich bewegt in seelsorgerischer Absicht andere Menschen und lasse mir mehr Zeit oder schreibe ich am Computer ein neues Programm, vervollständige meine Datei ?"

(G. Schäfer)

Literaturhinweis: Studie der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), Die neuen Informations- und Kommunikationstechniken - Chancen, Gefahren, Aufgaben verantwortlicher Gestaltung, Verlagshaus Gerd Mohn (natürlich!), Gütersloh 1985

 

NAZI-SOFTWARE AN DEN SCHULEN

Ende 1989 hatte das Hessische Kultusministerium mitgeteilt, daß lediglich an 4 von insgesamt 2000 hessischen Schulen Computerspiele mit rechtsradikalem Inhalt aufgetaucht seien. Der Stadtschülerrat in Fulda hat nun am 12.3.90 die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung vorgestellt, die in krassem Widerspruch zur Aussage des Kultusministeriums stehen. Während sich das Kultusministerium auf die Informationen von Schulleitern stützte, fragte der Stadtschülerrat Fulda 903 Schülerinnen und Schüler an den Schulen in Fulda. Ergebnis: an allen 14 Schulen Fuldas wechseln Disketten mit rechtsradikalen, menschenverachtenden Computerspielen die Besitzer. mehrfach wird darauf hingewiesen, daß nicht selten 9 jährige Schüler Computerspiele spielen, bei denen der Spielinhalt in "Juden vergasen", "Ausländer abknallen", "Arier-Test", "Türken-Test" oder "Menschenrassen ausrotten" besteht. Die in den Computerspielen verwendete Sprache kennt keine moralischen, ethischen Grenzen und schafft bei entsprechender Gewöhnung die Voraussetzungen für rechtsradikale Gewaltbereitschaft gegen "menschliches Ungeziefer", "Parasiten". Es gibt sogar Hinweise auf die Wahl der Mittel: in einem Fall wird nahegelegt, bei ausländischen Taxifahrern, soll eine Handgranate ins Taxi geworfen werden, um diesen Ausländer zu töten. Der Mord wird dann als "Das ist eine wahre deutsche Lösung" bezeichnet.

Bei der Umfrage des Stadtschülerrates gaben 264 Befragte an, rechtsradikale Spiele zu kennen und belegten ihre Kenntnis durch detaillierte Beschreibung des Inhalts: 187 Befragte gaben an, daß sie die Disketten auf dem Schulhof oder in der Klasse erworben bzw. kostenlos bekommen haben.

Von einem antifaschistischen Computerspiel oder Virusprogramm, das die Blindheit der Schulleiter und die Borniertheit des Kultusministeriums etwas kompensieren könnte, ist leider bisher (noch) nichts bekannt geworden.

Kontakte: Stadtschülerrat Fulda (SSR), Goerdelerstr. 7, 64 Fulda, 0661/69034 oder Pressesprecher der AG Unabhängige Lehrer (UL) im Lande Hessen: F. Maywald, Dresdnerstr.11, 6301 Biebertal 1, 06409/9206

 

BAYERN: VOM ZAHMEN DATENSCHÜTZER ZUM ISDN-GEGNER ?

Der bayrische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Sebastian Oberhauser wurde Mitte 1987 von Franz-Josef Strauß aus der Rechtsabteilung seiner Staatskanzlei ins Datenschutzamt geschickt nachdem man sich des kritischen Datenschützers Konrad Stollreither entledigt hatte. Der neue Datenschutzbeauftragte Oberhauser sorgte sich dann, daß die Polizei soviele Daten löschen müsse, daß Datenschutz zum "Lumpenschutz" verkomme. Wie der Presse zu entnehmen war vertrat er die Meinung, man solle sich nicht an das Volkszählungsurteil wie an ein Evangelium klammern. Anderen Datenschutzbeauftragten habe er "gemeinschaftsschädliche Tendenzen" vorgeworfen, weil sie nach seinen Begriffen den Datenschutz zu weit trieben. Datenschutzverletzungen der Sicherheitsbehörden hingegen habe Herr Oberhauser z.B. als "Flüchtigkeitsfehler" bezeichnet.

Nun versucht sich ausgerechnet Herr Obernhauser in der Öffentlichkeit als ISDN-Kritiker zu profilieren. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung am 28.3.1990 gibt er nahezu die gesamte Argumentation gegen die Nummernspeicherung im ISDN wieder. Bei solchen Kritikern ist Skepsis angebracht !

Adresse: Der Bayrische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Wagmüllerstr. 18, 8000 München 22, Tel.: 089/2165-485

 

Mensch-Technik-Umwelt e.V.: COMPUTER UND MAILBOX

"Soziale Netze statt Technikzentriertheit ! - War die Nutzung elektronischer Medien im Umweltschutz bisher eher verpönt, die Diskussion eher auf einer Ebene genereller Computerablehnung angesiedelt, so hat sich dieses Bild heute geändert. Viele Verbände nutzen bereits Computer und auch die Vorteile von Mailboxnetzen. Hier nun einige Stichworte zur Nutzung von Mailboxnetzen. Bei den Nachteilen der EDV und Telekommunikation muß zwischen drei Bereichen unterschieden werden:

1. Auswirkungen auf die direkt mit den Geräten arbeitenden Menschen. (Diskussion über Haltungs- und Augenschäden, Belastungen durch Monitorstrahlung u. a.)

2. Umweltprobleme, die durch die Herstellung und Entsorgung von Computern entstehen. (Lösungsmittel, Kunststoffe, Schwermetalle, Dioxine)

3. Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt, die durch den weltweiten Einsatz der Telekommunikation verursacht werden. (JUST-IN-TIME-Produktion, Aufbau und Steuerung weltweiter Großkonzerne = neue Umweltprobleme durch mehr Transport und Konsum. Speicherung der Kommunikationsdaten und andere ungeklärte Fragen bei ISDN.

Trotzdem sollte man hilfreiche Anwendungen und Argumente, die für die Nutzung sprechen, nicht übersehen:

- Die Arbeit im Umweltschutz muß und wird mehr und mehr auf konzeptionelle Arbeit hinauslaufen. Lösungen können nur durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen (Fach)leuten und Verbänden aus unterschiedlichen Aufgabenbereichen errungen werden. Wichtig ist dabei nicht nur die Abstimmung zwischen Ost- und West. Noch wichtiger die zwischen Nord und Süd.

- Die meisten der herkömmlichen Medien sind für eine gemeinsame Arbeit an Projekten jedoch zu teuer, langsam und aufwendig. Ein Medium, bei dem nicht nur wenige Menschen einen Text leicht veröffentlichen können, ist bisher praktisch nicht realisiert.

- In einer "mobilen Informationsgesellschaft" ist es häufig nicht nur schwer, Leute zu erreichen, Informationen, die in riesigen Mengen auf uns einstürmen, weiterzuverarbeiten. Probleme enstehen auch, weil immermehr, häufig sehr spezielle Informationen, veröffentlicht werden, jedoch nicht bei denjenigen ankommen, die sie benötigen. Das Problem ist häufig nicht, daß Informationen nicht vorhanden sind, sondern an sie heranzukommen.

In einigen Bereichen haben Mailboxnetze bereits gezeigt, daß sie in der Umweltarbeit durchaus ein hilfreiches Werkzeug bieten können. So z.B. bei der alternativen Pressearbeit zur Weltbanktagung in Berlin, zur Koordination weltweiter Kampagnen z.B. zum Regenwald, aber auch in zahlreichen anderen kleineren Projekten.

Wichtig ist dabei, daß man nicht in eine Technikzentriertheit verfällt. Netze dürfen nicht durch ihre technischen Mängel geprägt werden, sie müssen vielmehr den Kommunikationsbedürfnissen der mit ihnen arbeitenden Menschen entsprechen, "Soziale Netze". Eins muß jedoch von vornherein klar sein: Es handelt sich nur um Werkzeuge. Sie vermitteln nur Informationen. Informationen, die ohne sie auch vorhanden sind. Unser eigentliches Problem liegt darin, mit diesen Informationen richtig umzugehen. Zu lernen, sich richtig zu interpretieren, zu erkennen, daß wir grundlegend umdenken müssen."

(Wolfgang Schröder, MUT e.V., Hamburg)

Kontakt: Mensch-Umwelt-Technik (MUT) e.V., Im Winkel 3, 2000 Hamburg 20, Tel.: 040/464811

Material: Zusammenstellung von Einsatzmöglichkeiten, Projekten und Problemen der Telekommunikation im Umweltschutz kann bestellt werden durch Überweisung von 16,- DM auf das Postgirokonto: Mensch-Umwelt-Technik e.V., Postgiro Hamburg (BLZ 200 100 20) Konto Nr. 151 950-208, Stichwort "Doku", bitte Absender nicht vergessen !

 

ZUR DISKUSSION UM "GEGENÖFFENTLICHKEIT"

Gemeinsam haben die verschiedenen Ansätze zur Erklärung des Begriffes "Gegenöffentlichkeit" nur zwei Dinge: sie besitzen weder Kontinuität noch beschäftigen sie sich mit mehr als nur dem engen Medienbegriff sogenannter "fortschrittlicher bürgerlicher Medienwissenschaftler". Öffentlichkeit produzieren heißt eben mehr als nur "Gedanken in Zeichensysteme umzusetzen, damit sie für andere Menschen durch Geste, Sprache, Schrift und Bild wahrnehmbar werden." (Harry Pross). Politische Protestbewegungen haben neue Formen zur Vermittlung ihrer Aussagen entwickelt. Die Studentenbewegung z.B. den Gebrauch von "Puddingbomben", Kaufhausdemos, Exkremente vor Richtertischen, teach-ins, bed-ins, sit-ins. In Protestbewegungen neuerer Zeit waren es Menschenketten, Sitzblockaden und Hüttendörfer.

Dennoch hat sich für die Linke fatalerweise eine Arbeitsteilung zwischen einer "Medienarbeit der Straße" und einer Medienarbeit in den Kanälen der Massendistributionsmittel" (Presse, Radio, Fernsehen) ergeben. Auch die linke Medientheorie-Diskussion war von dieser Spaltung geprägt. Diskutiert einerseits eine linke Medientheorie für Presse, Radio, Fernsehen. Während dabei über "materialistische Medientheorie" nachgedacht wurde, werkelte die "Medienarbeit der Straße" an "operativen Einsätzen von Video", andere problematisierten den "Gegensatz zwischen Bewegungsradio und Integrationsrundfunk".

Die verschiedenen Diskussionsstränge, bereichert um Diskussionen über IuK-Techniken/Computernetze etc. beginnen sich zu mischen und führen neuerdings zu alten Fragestellungen und Begriffen zurück, wie die Verwendung des Begriffes "elektronische Gegenöffentlichkeit" und die "Mailbox-Diskussion" zeigen. In der Alltagspraxis bleibt der Begriff "Gegenöffentlichkeit" oft nur ein leerer Begriff im Munde derer, die gleichzeitig die Formen der bürgerlichen Öffentlichkeit reproduzieren. Entgegen den glänzenden theoretischen Ausführung, z.B. zu den Wirkungsweisen von Medienverbund und neuen Medien verwirrt Alexander Kluge durch sein pragmatisches Alltagshandeln, das in eine ganz ander Richtung weist: um Zutritt zum Satelliten-TV und weiteren Abspielkanälen zu finden, paktiert er sogar mit japanischem Werbe-Kapital.

Bei vielen Ansätzen linksalternativer Medienprojekte dient der Begriff "Gegenöffentlichkeit" nur als "label", als Markenzeichen, dem man vertrauensvoll seine linke Identifikationssympathie (und das Geld) leihen kann. "Gegenöffentlichkeit" ist aber kein verkäufliches Markenzeichen sondern muß als eine alltäglich praktizierte neue Form entwickelt werden. Reflexion über neue Strukturen sind nichtzuletzt angesichts der neuen Medien bzw. IuK-Techniken von Bedeutung. Zu dieser neuen Phase sagt Negt: "Ich glaube, daß in dieser dritten Phase die Herstellung eines Medienzusammenhanges unter Zuhilfenahme fortgeschrittener Medien und Technologien immer dringlicher wird. Sprache, geschriebene Sprache ist eben immer nur ein Ausschnitt der Artikulation gewesen. Diese Form der Öffentlichkeit darf jedoch nicht mit denselben Ausgrenzugsmechanismen arbeiten, wie die herkömmlichen Medien. Diese linken Medien müssen Lebenszusammenhänge ausdrücken, ganz unterschiedliche Aspekte artikulieren und das linke Schwerpunktdenken verlassen. Diese Medien können nicht nach den selben Prinzipien organisiert sein, die gemeinhin als politisch betrachtet werden. Sie müssen vom Privaten zum Politischen gehen."

Die klassische Medienöffentlichkeit kanalisiert und grenzt aus - auch und vor allem durch die Form: wer sein Anliegen nicht in "1:30" (eineinhalb Minuten) rüberbringen kann, paßt nicht ins Produktionsraster. Auch linke Öffentlichkeitsproduktion im klassischen Medienbereich kanalisiert und engt das Ausdrucksspektrum z.B. auf das Wunschbild "Polit-Menschen" ein. Überdeutlich wird das klassische Verständnis von Öffentlichkeit in politischen Aktionen, die als public-relations in Reinkultur angelegt sind, wie bei Greenpeace: nur noch die Ressonanz in den Distributionskanälen der Masseninformationssysteme sind wichtig, nicht die Politisierung vor Ort.

Träger der Gegenöffentlichkeit sind nicht nur andere Inhalte in den bestehenden Medienstrukturen, auch nicht selbsternannte Fachleute und Spezialisten (vgl. die Debatte um die Professionalisierung des Alternativjournalismus), sondern die Möglichkeiten und Formen der Teilhabe für jede/jeden. Wir alle sind Trägerinnen und Träger dessen, was mit Gegenöffentlichkeit gemeint ist.

Thomas Muntschik / G.J.Schäfer (Der Text ist nach einer siebenseitigen Diskussions-Vorlage von Thomas Muntschik entstanden, von der ich einzelne Teile herausgezogen, gekürzt und umgeschrieben habe. Die Langfassung es Diskussionspapiers kann angefordert werden bei Thomas Muntschik, Heidbrink 3, 3453 Polle)

 

TELEFONDATENSCHUTZ BEI BERATUNGSSTELLEN

Die Fachgruppe Telekommunikation des IKÖ hatte die Idee, Leute anzusprechen, die besonders auf Anonymitätsschutz beim Telefonieren angewiesen sind: z.B. Aidsberatung, Drogenberatung, Telefonseelsorge, Rechtsanwaltsbüros, Journalisten und psychologische Beratungsstellen. Von diesen Stellen aus ist es besonders klar zu verdeutlichen, welche Gefahren mit der Telefonnummern-, Datums- und Uhrzeitspeicherung verbunden sind.

Hierzu hat das IKÖ zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung bereits am 3.2.90 eine Tagung zum Thema "Vertrauensschutz und Berufsgeheimnis im Telefonverkehr" durchgeführt. Dabei wurde u.a. ein gemeinsamer Protestbrief an das Postministerium entworfen, der u.a. die Forderung nach Streichung des §12 FAG enthält.

Material: a) Dokumentation des IKÖ "Nach der Volkszählung die Kommunikationszählung ?", Zusammengestellt von Prof. H. Kubicek, zu beziehen über IKÖ, Wittener Str.139, 4600 Dortmund 1, 0231/175007, kostet 10 DM . (Aktuelle Neuauflage ist in Vorbereitung)

Kontakt: für Protestaktion von Beratungsstellen: Prof. H. Kubicek, z.H. Knud Bach, Universität Bremen, Fachbereich 3, Bibliotheksstr., 2800 Bremen 33, Tel.: 0421/218-2722 und: Pfarrer Korsten, Evangelische Telefonseelsorge Essen, Hagen 7, 43 Essen 1

 

STRATEGISCHE TELEFONÜBERWACHUNG

In einer Presserklärung des IKÖ heißt es, bei der Überwachung des innerdeutschen Telefonverkehrs durch den BND würde "regelmäßig ein bestimmter Prozentsatz von Telefongesprächen computergesteuert mitgeschnitten. Es werden solche Telefongespräche mitgeschnitten, in denen bestimmte Begriffe oder Silben enthalten sind. Diese Auswertungen sind als strategische Überwachungen gemäß § 3 des sogenannten "G 10"-Gesetzes möglich. Nach einem Urteil des BVerfG von 1985 ist die strategische Überwachung nur verfassungsgemäß, weil sie nicht personenbezogen sei. Die Partner der Gespräche blieben unbekannt, weil es im Fernsprechverkehr in der Regel nicht möglich sei, die Gesprächspartner zu identifizieren." Nun weisen die Verfasser der Presseerklärung darauf hin, daß mit dem ISDN diese Anonymität "grundsätzlich nicht mehr gegeben" ist und folgern: "Die strategische Überwachung gem. § 3 G-10-Gesetz wäre damit im ISDN personenbeziehbar und somit verfassungswidrig."

Kontakt: Heinzpeter Höller (IKÖ-Fachgruppe Telekommunikation) und Jochen Rieß (IKÖ-Fachgruppe Kontrolle und Verdatung), beide Uni Bremen, Fb Informatik, 28 Bremen 33, Postfach.

 

KURZINFORMATIONEN ZUM DDR-UNTERNEHMEN ROBOTRON

Sitz der Hauptverwaltung ist Dresden. Robotron hat insgesamt 65.000 Beschäftigte, seit Grenzöffnung sind 2.000 abgegangen. Der Jahresumsatz betrug 1989 12,8 Milliarden DDR-Mark. Schwerpunkte der Produktion sind u.a. Schreibmaschinen, von denen jährlich ca. 500.000 produziert werden und die im Bereich "tragbare Schreibmaschinen" 30 % Anteil am BRD-Markt haben. Die Produktpalette umfaßt Drucker, Software, Großrechenanlagen (modernste Fassung: EC 1834), Richtfunkanlagen, PCs, Unterhaltungselektronik, Meßtechnik u.a.. Viele Produkte im Computerbereich werden als unlizensierte Nachahmungen angesehen: Robotron Datenbank REDABAS-3 von Ashton Tates dBase III, Robotron Betriebssystem DCP 3.3. von Microsoft MS DOS 3.3., Robotron TPASCAL von Borlands Turbo Pascal. Nach der Grenzöffnung wird Robotron dadurch in Lizenzabhängigkeiten kommen oder Rechtsstreitigkeiten entgegensehen.

Generaldirektor Friedrich Wokurka wollte den Gesamtbetrieb in eine Holding, d.h. die 21 Teilbetriebe in GmbHs mit Mehrheitsanteilen der Holding-AG umgewandeln. Teilwerke sind z.B. Robotron Büromaschinenwerk/Sömmerda das eine gemeinsame PC-Produktion mit Aquarius Int. GmbH Taiwan plant, VEB Robotron-Anlagenbau/Leipzig, VEB Robotron Buchungsmaschinenwerk/Karl-Marx-Stadt, VEB Robotron Vertrieb/Berlin, Robotron Elektronik/Radeberg (Vertrag mit ANT/Bosch) usw. Inzwischen hat die Betriebsleitung des Robotron Büromaschinenwerks Sömmerda/Erfurt zusammen mit IG Metall West und IG Metall Ost eine Satzung vorgelegt, die eine Umwandlung des Teilwerks in eine eigene AG vorsieht, wobei die Belegschaft über eine Stiftung oder einen Verein mit 75 % am Eigentum der BWS ROBOTRON AG beteiligt würde, entsprechend haben die BelegschaftsvertreterInnen das Sagen im Aufsichtsrat. Es handelt sich dabei um ein Modell dafür, wie die Enteignung von Volksvermögen verhindert werden kann.

 

DDR: AUSBAU DER DATENNETZE

Nach einer offiziellen Verlautbarung des Ministers für Post und Telekommunikation (BRD) vom 9.2.90 sind u.a. folgende Maßnahmen zum Ausbau von Datennetzen in der DDR geplant:

"Die DDR-Post plant die Errichtung eines digitalen Overlaynetzes in der DDR in mehreren Etappen. Ein erster Schritt sieht den Aufbau digitaler Orts- und Fernvermittlungsstellen in Erfurt, Leipzig, Zwickau, Karl-Marx-Stadt, Dresden, Berlin (Ost), Strausberg, Neubrandenburg und Rostock vor, die auf der Basis terrestrischer Übertragungswege (Glasfaser-/Koax-kabel) bzw. neu zu errichtender Richtfunklinien miteinander verbunden werden sollen. Die Realisierung ist bis Ende 1990, Anfang 1991 vorgesehen. (...) Das Overlaynetz wird schrittweise unter Einbeziehung weiterer Zentren (z.B. Magdeburg) über das ganze Land ausgedehnt. Hierbei wird von Beginn an volle Kompatibilität mit dem Netz der DBP TELEKOM vorgesehen. Die Fertigstellung des digitalen Overlaynetzes wird es ermöglichen, noch Ende des Jahres den modernen Telefaxdienst in der DDR und in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen. Mittelfristig wird in der DDR ein paketvermitteltes Netz aufgebaut werden (...) Die DDR plant für den internen Fernmeldeverkehr ein digitales Overlaynetz, dessen Knoten hauptsächlich durch Richtfunkstrecken verbunden werden sollen. Durch einen südlichen Richtfunkzweig soll dieses Overlaynetz mit dem Netz der Deutschen Bundespost Telekom verknüpft werden. Zeitziel ist Anfang 1991."

Den Auftrag zur Errichtung eines auf Richtfunk gestützten Overlaynetzes für ca. 10 bis 20 Millionen DM hat das Unternehmen ANT der Bosch-Gruppe erhalten. Die Siemens AG hat von der DDR-Post den Auftrag erhalten, in sechs von 9 großen DDR-Städten ihre ISDN-Vermittlungstechnik EWSD eimzurichten. SEL liefert Containervermittlungsstellen nach Dresden, Karl-Marx-Stadt, Zwickau, Reichenbach, Leipzig, Neubrandenburg Erfurt und Ostberlin.

COCOM-LISTE VERBIETET ISDN-EXPORT IN DIE DDR

Viele westliche Produkte der IuK-Technologien fallen unter die Ausfuhrverbote der COCOM-Liste. Das COCOM ("COordinating COMmittee on Multilateral Export Control") hat seinen Sitz in Paris. Es gibt im Auftrag der Nato und Japans regelmäßig Listen mit Gütern heraus, deren Export in den Ostblock untersagt ist und es überwacht die entsprechenden Genehmigungsverfahren der nationalen Regierungen.

Ende März 1990 monierte Herr Schwarz-Schilling, daß ISDN-Anlagen unter die Cocom-Bestimmungen fallen und ihr Export in die DDR daher genehmigungspflichtig sei. Bis Ende letzten Jahres mußten mehrfach geplante Lieferungen von digitalen Daten-Paket-Vermittlungs-Netzen (Siemens) wieder storniert werden. Neuerdings scheint einfach geliefert zu werden, wie z.B. die S-12-Anlage von SEL (Alcatel) für Ostberlin gezeigt hat. Auch die digitale SEL-Vermittlungstechnik kann zum Kernstück eines militärischen Nachrichtennetzes werden. Bereits 1979 war mit der Digitalisierung des Telefonnetzes des US-Militärs in der BRD begonnen worden; am 125 Millionen Dollar Projekt waren Siemens, SEL, T&N, sowie DeTeWe beteiligt. Dies wurde erneut deutlich, als SEL 1984 einen Auftrag zur Schaffung eines Luftwaffen-Kommunikationsnetzes für die Bundeswehr erhielt in dem diese digitale Vermittlungstechnik eine zentrale Rolle spielt. Wenn die SPD nun dazu aufruft, die COCOM-Bestimmungen schlichtweg zu ignorieren und lediglich auf die Lieferung von Waffensystemen zu verzichten, vernachlässigt sie die Verquickung von ziviler und militärischer Technik.

 

GENETISCHER FINGERABDRUCK AUF DER BRIEFMARKE

Da Speichelspuren ausreichen, um eine Gen-Analyse durchzuführen, dürfte die angeleckte Briefmarke zum Träger des "genetischen Fingerabrucks" werden. Die DNS-Analyse wird bereits beim BKA praktiziert, technische Gerätschaften für die Analyse stehen bereit. Durch gezieltes Abfangen von Briefen könnte somit das Rohmaterial für eine DNS-Analyse der Speichelspuren auf der Briefmarke beschafft und so eine Datei über DNS-Profile ausgewählter Personen angelegt werden. Darüberhinaus können einige interessante genetische Prädispositionen, die als medizinisch sensible Daten gelten können, ermittelt werden.

Erfahrungsgemäß werden die scheinbar absurdesten Phantasien bei einer Offenlegung der Geheimdienstmethoden durch die Realität noch übertroffen. Für diejenigen, die Mutmaßungen dieser Art stets als Paranoia abtun, sei noch ein kleines wissenschaftliches Zugeständnis angefügt: Die Wahrscheinlichkeit, daß Speichel auf Briefmarken von BKA oder Geheimdiensten für die DNS-Analyse verwendet wird, hängt ab von deren "rechtsstaatlichem Abweichungskoeffizienten" in Verbindung mit "antidemokratogener Energie" und "organisatorisch verstärkten Psychopathologien" wie z.B. die in Deutschland kulturspezifisch verbreitete "collectio kryptomanis" (Sammelwut). Diese konnte erst kürzlich wieder beobachtet werden, als Archive der STASI mit kilometerlangen Aktenbeständen geöffnet wurden.

Alternativ zur kompromittierenden Verwendung menschlichen Speichels bieten sich Mineralwasser, kalter Kaffee, Tee, Limonaden etc. an, die meist auf Schreibtischen herumstehen. Wer den Geheimdienst verwirren will, nehme zum Anfeuchten der Briefmarken Wodka oder lassen mal eben Hund und Katze bzw. Meerschweinchen und Goldhamster über das kleine Papier lecken. Im letzteren Fall ist allerdings zu befürchten, daß dann "tierische Eigenschaften" in der Datenbank des BKA personenbezogen gespeichert werden.