Informationsdienst Computer&Medien

Archiv   Nr.4 / 1990

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ARTIKEL UND MATERIAL FÜR DEN INFODIENST *
BAWÜ: MEDIENGESETZ GEGEN FREIE RADIOS *
TEMEX: FERNÜBERWACHUNG DER WOHNUNG *
DUISBURG: "OFFENER KANAL" WIRD KANALISIERT *
INTERNATIONALES TREFFEN FREIER RADIOS *
SYMPOSIUM "KOMMUNIKATIONSÖKOLOGIE" *
FUNKKOLLEG "MEDIEN UND KOMMUNIKATION" *
BRD-OST: MIKROZENSUS UND VOLKSZÄHLUNG ? *
BRD-WEST: NACH 3 JAHREN IMMER NOCH VOLKSZÄHLUNGS-PROZESSE *
VOLKSZÄHLUNGSBOYKOTT IN DER SCHWEIZ AKTUELL *
SCHWEIZER NATIONALRAT ERWÄGT "IKÖ"-GRÜNDUNG *
NDR-ARMUTSZEUGNIS: "MEDIENREPORT" NACH 17 JAHREN ABGEWÜRGT *
WOCHENZEITUNG "DIE GRÜNEN" HAT AUFGEGEBEN *
INTERCITY-TELEFONATE MIT BILLIGGERÄT ABHÖRBAR *
"BÜRGERGUTACHTEN" DER POST ZU ISDN, BTX UND TEMEX *
INSTITUT FÜR NEUE MEDIEN / FRANKFURT *
VOM BÜRGERiNNEN-DIALOG ZUR PROTEST-AKTION? *
MAILBOX FÜR SOZIALPÄDAGOGIK *
KATHOLISCHER RADIO-PFARRER VORM LANDGERICHT *
RECHTSRADIKALE FÜHREN "DATEI ÜBER VOLKSFEINDE" *
IKÖ: SELBSTVERSTÄNDNISDISKUSSION *
SCHÄDLICHE STRAHLUNG VOM BILDSCHIRM (TEIL 1) *
ALTERNATIVE TELEFONZEITUNG IN KASSEL *
DER FERNSEHER BRENNT - WAS TUN? *
STELLENANZEIGE *
FINANZIERUNG DES INFODIENSTES *

ARTIKEL UND MATERIAL FÜR DEN INFODIENST

Einige Hinweise für diejenigen, die Artikel schicken: Ein Artikel sollte maximal 3000 Zeichen umfassen und im Idealfall auf einer 5,25 Zoll-Diskette als Word- oder ASCII-Datei zugeschickt werden. Das redaktionelle Konzept zielt darauf ab, daß die Texte durch mehrfache Überarbeitung möglichst kurz, knapp und dennoch aussagehaltig werden. Gegenwärtig liegt so viel Material vor, daß bereits einiges auf den nächsten Infodienst verschoben werden mußte. Aus Kostengründen bleibt der Infodienst auf jeweils 12 Seiten beschränkt.

Wenn jemand keine Zeit zum Artikelschreiben hat, kann sie/er auch einfach Material schicken, das als Grundlage für einen Artikel dienen könnte. Oft hat auch schon eine Postkarte mit einem wichtigen Hinweis ausgereicht, weil die anschließende Recherche dann was gebracht hat.

REDAKTIONSSCHLUSS für die nächste Nummer (1/91) des Informationsdienstes COMPUTER & MEDIEN ist der 28. Februar 1991.

Über Artikel und Material aus den neuen Bundesländern der Ex-DDR würden wir uns besonders freuen.

 

 

BAWÜ: MEDIENGESETZ GEGEN FREIE RADIOS

Der Novellierungsentwurf zum Landesmediengesetzes in Baden-Württemberg liegt jetzt auf dem Tisch. Die Drohung des BURDA-Konzerns, sich aus dem privaten Rundfunk zurückzuziehen, falls der Gesetzgeber nicht Raum schaffe für 1-2 Landessender unter (seiner) einheitlichen Regie, hat Wirkung gezeigt. Bereits vor der Wiedervergabe der Frequenzen 1994 sollen nun Fakten geschaffen werden.

Das Konzept in Stichworten: 1.) Die bisherigen Frequenzen der 22 "Regionalsender" werden zu 4 bis 6 Bereichen zusammengefaßt, die das Land flächendeckend bestrahlen können. Die Federführung bei diesen Bereichssendern obliegt dem BURDA-Verlag, der heute schon an den entsprechenden Sendern kräftig beteiligt ist, andere wie z.B. Holtzbrinck und Zeitungsverlage werden sich anschließen. 2.) Die bisherigen 22 Lokalsender sollen die 2te landesweite Programmschiene bilden. Sie werden auf 16 reduziert, das jeweilige Abstrahlgebiet ausgeweitet. Vorgesehen ist ihre weitgehende Kooperation untereinander sowie die Möglichkeit, ein einheitliches Mantelprogramm (von ca. 3 bis zu 20 Stunden täglich) auszustrahlen, das z.B. von Radio Television Luxemburg (RTL) zugeliefert wird. 3.) Die an manchen Orten zur flächendeckenden Ausstrahlung der 2 Landesprogramme nicht benötigten zusätzlichen Frequenzen können für die Veranstaltung von sogenannten "Spartenprogrammen" (z.B. für ausschließlich klassische Musik) genutzt werden.

Für nichtkommerzielle, gemeinnützige Sender wie Radio Dreyeckland ist in diesem Konzept kein Platz mehr vorgesehen. Nun ist von uns schnell dafür zu sorgen, daß in Freiburg und auch sonst in BaWü die Umsetzung der Gesetzesnovelle verhindert wird. Die Zeit drängt!

Kontaktadresse für alle, die mit dem Rundfunk etwas anderes im Sinn haben als "Kommerz auf Megahertz": Freundekreis Radio Dreyeckland, Adlerstr. 12, W 7800 Freiburg, Tel.: 0761/30407

 

TEMEX: FERNÜBERWACHUNG DER WOHNUNG

TEMEX ist ein Datenerfassungs- und Fernwirksystem, das über die Leitungen des Telefonnetzes abgewickelt wird und quasi parallel dazu läuft, ohne die Funktion "Fernsprechen" zu stören. Nach der Erprobungsphase in mehreren Städten wird TEMEX gegenwärtig breiter vermarktet. Z.B. werden Verbrauchsdaten der Wasseruhren, Gasuhren und Elektrozähler per TEMEX über die Telefonleitung zu den Versorgungsunternehmen übertragen, Einbruchswarnanlagen können über TEMEX mit privaten Überwachungsstellen oder der Polizei verbunden werden. Die Vorgänge in einer Wohnung können daher per Fernabfrage überwacht werden. Wenn jemand seinen Elektroherd oder die Wasserspülung benutzt, kann dies praktisch im E-Werk bzw. Wasserwerk registriert werden; so können Rückschlüsse auf Lebensgewohnheiten, Anzahl der Personen in der Wohnung etc. gezogen werden. Mit dem im Rahmen von TEMEX angebotenen Notruf-System ist es sogar möglich, von außen in die betreffende Wohnung hineinzuhören, obwohl der Telefonhörer aufgelegt ist. Dies soll erlauben, daß alte Menschen nicht in Pflegeheimen versorgt werden müssen, sondern von außen überwacht werden können. Als Fernwirk-Funktionen bietet TEMEX die Möglichkeit, per Datenbefehl aus der Ferne über das Telefonnetz z.B. die Heizung ein- und auszuschalten. Die Bundespost/TELEKOM stellt im TEMEX-System das Telefonnetz und TEMEX-Zentralen zur Verfügung, von denen aus die Daten an private Dienstleistungsunternehmen wie z.B. E-Werk oder Wach- und Schließgesellschaft weitergeleitet werden.

Der im folgenden abgedruckte Text ist für eine Veröffenlichung im "TEMEX-Info" geschrieben worden, weil dort eine Stellungnahme der GRÜNEN zu Fragen des Datenschutzes bei TEMEX gewünscht worden war. Das TEMEX-Info wird von der Flaskamp GmbH, Agentur für Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Neue Medien im Auftrag der Bundespost/TELEKOM herausgegeben.

1. Die Verwendung von TEMEX-Daten für Rückschlüsse auf Verbrauchs- und Lebensgewohnheiten kann nicht durch technische Schutzmaßnahmen verhindert werden. Darüberhinaus werden auch zunehmend die rechtliche Beschränkungen des Datenzugriffs durchlöchert. So können Staatsanwaltschaft, Geheimdienste und Polizeibehörden die TEMEX-Zentrale der Post selbst anzapfen oder eine Herausgabe der TEMEX-Daten von privaten Dienstleistungsunternehmen verlangen. Dienstleistungsunternehmen im TEMEX-Bereich sind bereits jetzt gesetzlich dazu verpflichtet, überprüftes Personal für die Zusammenarbeit mit den Überwachungsbehörden bereitzustellen und werden mit bis zu 30.000 DM Geldbuße für den Fall bedroht, daß sie ihre Kunden von der Überwachung in Kenntnis setzen. Eine Datenschutzdiskussion bei den neuen Telekommunikations-Dienstleistungen macht nur Sinn, wenn diese Überwachungsgesetze zurückgenommen werden.

2. Privathaushalte müssen ohne Benachteiligungen TEMEX-Anschlüsse verweigern können. Das Freiwilligkeitsprinzip ist jedoch nicht gewährleistet, wenn durch indirekte Zwangsmaßnahmen solche Anschlüsse aufnötigt werden können. Indirekte Zwangsmaßnahmen wären z.B. erhöhte Versicherungsbeiträge bei fehlenden TEMEX-Einrichtungen, erhöhte Zahlungsforderungen bei konventionellen Ableseverfahren etc. Wenn sich jemand für den besten Datenschutz, nämlich die Verweigerung eines TEMEX-Anschlusses entscheidet, dürfen ihm keine Nachteile entstehen.

3. Jedes TEMEX-Antragsformular sollte eine verständliche, vollständige Auflistung aller Möglichkeiten zur Überwachung und mißbräuchliche Nutzung der TEMEX-Daten enthalten. Dazu gehört zunächst die Nennung der gesetzlichen Möglichkeiten von Staatsanwaltschaften, Geheimdiensten und Polizeibehörden. Ebenso müßten die KundInnen aber darüber aufgeklärt werden, wie einfach die verbleibenden formalen Datenschutzregelungen durch technische und organisatorische Maßnahmen ausgetrickst werden können.

Einige Beispiele wo und wie TEMEX bereits angewandt wird: KÖLN: Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke, Temex-Zählerabfrage / BERLIN: Berliner Wasserbetriebe, Fernablesung von Wasserzählern / MÜNSTER: Stadtwerke Münster, Fernablesung von Gas-,Wasser-,Strom / HANNOVER: Parkleitsystem (Kontakt: GABL im Rathaus) / MANNHEIM: Pilotversuche zur Fernablesung, Notruf, Aufzugsüberwachung, Alarme, Leittechnik, Energieerfassung- und regelung, Einsatzrufdienste, Verkehrssignalanlagen, Leittechnik. Koordinator war Dipl. Ing. Eberhard Wagner im Hochbauamt

Material: a) net-Special, Sondernummer März 1986, R.v. Deckers Verlag, Im Weiher 10, Postfach 10 26 40, 69 Heidelberg 1, Tel.:06221/489357

b) TEMEX-Info,(Werbezeitschrift zum TEMEX-Dienst der Deutschen Bundespost Telekom - herausgegeben im Auftrag der Generaldirektion Telekom) c/o Flaskamp GmbH, Kasernenstr. 14, 53 Bonn 1, Tel.: 0228/650061-64

 

DUISBURG: "OFFENER KANAL" WIRD KANALISIERT

Nach dem NRW-Rundfunkgesetz sind im Lokalradio "bis zu" 15 % der täglichen Sendezeit für Gruppen mit "insbesondere kultureller Zielsetzung" kostenlos bereitzustellen, der "Offene Kanal" bekommt also keine eigene Sendefrequenz, sondern darf die Sendefrequenz der Privatradios für eine bestimmte Zeit nutzen. Nach dem bisherigen Programmschema war der BürgerInnenfunk werktags in drei Blöcken vorgesehen, morgens von 9.00-9.20 Uhr, nachmittags von 14-15 Uhr und abends von 20-21 Uhr.

Bei Radio Duisburg gab es schon bald Konflikte zwischen Chefredakteur Uwe Carsten Pieper (früher beim Hamburger Alternativ-Radio-Versuch "Radio Korah") und den NutzerInnen der sogenannten 15%-BürgerInnenfunkquote. Konfliktanlässe waren z.B. eine Sendung mit "meditativer Musik", oder als in einer Sendung mal das Wort "Hundekacke" über den Äther ging. Von den StammhörerInnen des Radio Duisburg hagelte es Proteste und die Kommerz-Profis von "Radio Duisburg" befürchteten ein Absinken der Einschaltquote sowie einen darauffolgenden Verlust von Werbeaufträgen. Vier Monate nach dem Start von "Radio Duisburg" verlangte Chefredakteur Pieper eine radikale Änderung des Programmschemas, eine Zerstückelung des BürgerInnenfunks in Sparten und ein Abdrängen in die hörerInnenschwachen Tagesrandzeiten. Nach dem neuen Schema gibt es in der Hauptsendezeit bis 18 Uhr nur noch zwei mal sechs Minuten nach strenger inhaltlicher Vorgabe, und zwar am Morgen ("Frauen und Verbraucher") und am Nachmittag ("Kinder und Jugendliche"). Weitere Sendetermine sind morgens von 5.50-5.56 Uhr ("Arbeit und Soziales") sowie zwischen 19.10 und 20.56 Uhr, aufgeteilt in vier vollkommen unterschiedliche inhaltliche Sendeblöcke (z.B. mittwochs: 16 Minuten "Musik Folklore", 26 Minuten "Wissenschaft", 22 Minuten "Freizeit" und 26 Minuten "Soziales").

Pieper in einer Vorlage für die Veranstaltergemeinschaft: "Wir stehen vor der Situation, daß großflächige Sendeplätze des BürgerInnenfunks während der Zeit zwischen 6 und 18 Uhr den Sendefluß stoppen." (Außerdem sollten) "sie im Rahmen unserer Musikfarbe liegen. Radio NRW toleriert gegenwärtig die Situation. Man wird sie aber auf Dauer nicht hinnehmen." Noch hält Radio Nordrhein-Westfalen still, der Monopol-Zulieferer des Mantelprogrammes für die in NRW tätigen Lokalsender, der diesen vor allem landesweite Markenartikelwerbung beschafft. Aber hinter den Kulissen wird Druck gemacht. So kursiert z.B. eine Demo-Kassette mit "besonders negativen" Ton-Beispielen aus BürgerInnenfunk-Sendungen. In staatsanwaltschaftsmäßiger Manier werden Sendungen mit meditativer Musik und eine Heavy-Metal-Musik als geschäftsschädigend vorgeführt.

Jürgen Mickley vom Duisburger Radioverein "Radio KaKaDu" wehrt sich vehement gegen die Änderung der Programmstruktur: "Die Beschneidung auf 22 oder 26 Minuten am Abend ist nicht richtig. Wir haben die Erfahrungen gemacht, daß für den "Offenen Kanal" überwiegend Ein-Themen-Sendungen produziert werden, die länger dauern. Mickley befürchtet, daß durch das starre Korsett der vorgeschriebenen Themen und die Zerstückelung der Sendezeiten das BürgerInnenprogramm vollkommen zur kostenlosen inhaltlichen Zulieferung des Profifunks degradiert wird.

(Korrespondentenbericht NRW)

 

INTERNATIONALES TREFFEN FREIER RADIOS

Vom 12.-19. August trafen sich in Dublin/Irland ca 300 unabhängige RadiomacherInnen und Interessierte aus über 40 Ländern zum AMARC 4 (Assemblée Mondiale des Artisans des Radios type Communautaire). AMARC 1 hatte 1983 in Montreal/Quebec stattgefunden, 3 Jahre später, während AMARC 2 in Vancouver/Canada wurde dann beschlossen, die 3. Weltversammlung im August 1988 in Managua/Nicaragua abzuhalten, und dort AMARC als offizielle "Nicht-Regierungs-Organisation" (NRO) zu gründen.

Einige Ergebnisse von AMARC 4:

- In Dublin wurde ein Solidaritätsnetzwerk gegründet, das es ermöglichen soll, innerhalb kürzester Frist weltweite Solidaritätskampagnen für politisch gefährdete Radios zu lancieren, und das langfristig Einfluß auf die medienpolitischen Rahmenbedingungen nehmen kann.

- Der Kongreß in Dublin wurde von den europäischen TeilnehmerInnen genutzt, mehrere Arbeitsgruppen ins Leben zu rufen. Über ihre Arbeit zu europäischer Medienpolitik, Kooperation und Programmaustausch untereinander und zwischen Stationen im Trikont und in Europa wird ein regelmäßiger Rundbrief informieren. Für 1991 ist ein Treffen von Radio-Initiativen in Litauen geplant.

Kontakt: AMARC 5, die 5. Weltversammlung der 'Radios Comunitarias', wird im Sommer 1992 in México stattfinden. Bis dahin wird es 6 Ausgaben der AMARC-Zeitschrift 'Interradio' geben. Bezug (US$ 10,-/Jahr). und weitere Informationen über: Radio Dreyeckland, Felix Forster, Adlerstr.12, 7800 Freiburg.

 

SYMPOSIUM "KOMMUNIKATIONSÖKOLOGIE"

Am 21./22. September 90 führte das IKÖ ein Symposium mit ca. 40 Personen zum Thema "Kommunikationsökologie" durch. Die Veranstaltung war insbesondere von Barabara Mettler-Meibom inhaltlich vorstrukturiert worden.

IKÖ-Mitglied Frederic Vester, dessen bio-kybernetische Gesellschaftstheorie zuvor eine Kontroverse innerhalb des IKÖ ausgelöst hatte, nahm nicht am Symposium teil. Die Kritik entzündete sich diesmal am systemtheoretischen Ansatz von Jaeger/Trampe aus Bielefeld. Sie grenzten sich zwar bereits in ihrem Diskussionspapier von "selbstgefälligen Öko-Technokraten" und "biologisch orientierter Humanökologie" ab, versuchten gleichzeitig aber z.B. die Begriffe "Verschmutzung" und "Vergiftung" "aus der Domäne der natürlichen Umwelt in die Welt der Kultur und Kommunikation" zu übertragen: "Werden Fernsehnachrichten beiläufig mit Crackern und Gesprächen genossen, so bleiben die Eindrücke undifferenziert, und es werden lediglich Sprachfetzen und Geräusche wahrgenommen. Die originäre Funktion der Fernsehnachrichten ist praktisch aufgehoben. Das Wahrnehmungs- und Verarbeitungssystem des Fernsehkonsumenten wird verschmutzt...". Außerdem sprechen sie sich quasi für eine "Begriffshygiene" gegen die Umweltverschmutzung in der Kommunikation aus.

Die kritischen Vorträge von Norbert Cobabus und Engelbert Schramm beschäftigten sich mit der Frage "Läßt sich ein Konzept kommunikationsökologischer Gleichgewichte vertreten ?", was beide eindeutig mit "Nein" beantworteten. Cobabus und Schramm zeigten mit ihren Beiträgen, welch abstrakt-theoretischen Erörterungen notwendig werden, wenn "Kommunikationsökologie" den Anspruch auf einen wissenschaftlichem Ansatz erheben will. Einige TeilnehmerInnen plädierten angesichts solcher Anstrengung eher für Ansätze, die den schnelleren Zugang zu praktisch-politischer Diskussion schaffen. Dabei forderten einige die Rückbesinnung auf die "Sinnlichkeit menschlicher Kommunikation" was schließlich dazu führte, daß in Zukunft der "Unterschied zwischen direkt menschlicher und medial vermittelter (entsinnlichter) Kommunikation" als wichtiges Arbeits-Thema festgehalten wurde. Rudolf zur Lippe schließlich übersprang die Form des "verkopften Diskurses" und bewegte die TeilnehmerInnen zu einer wortlosen, gemeinsamen Körperübung um klarzumachen daß es auch noch andere Formen der Kommunikation gibt.

Als ein Kriterium für die Beurteilung von technischen Systemen zur Information und Kommunikation führte Prof. E.U.v. Weizäcker den vor allem von seiner Frau Christine v. Weizäcker entwickelten Begriff der "Fehlerfreundlichkeit" ein. Weizäcker forderte u.a. Kleinräumigkeit und Grenzziehungen, um Vielfalt zu garantieren. In dieser Argumentation liegen aber politische Gefahren, so sollte unbedingt bei der Übertragung des "evolutionären Prinzips Fehlerfreundlichkeit" auf die Gesellschaft eine scharfe Unterscheidung von nationalistischen Positionen vorgenommen werden, die sich z.B. gegen eine "völkische Durchmischung" wenden.

Bei der Suche nach Maßstäben und Normen für eine "menschliche Kommunikation" wurde festgehalten, daß dies nicht allein Aufgabe von WissenschaftlerInnen sein kann. Die Entwicklung einer positiven Utopie sollte Ergebnis einer Diskussion unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen sein. In diesem Zusammenhang war ein Beitrag über "Zukunftswerkstätten" vorgesehen, der leider wenig ergiebig im Hinblick auf diese Fragestellung blieb, da der Referent eine "Zukunftswerkstatt" u.a. als Maßnahme für die Akzeptanzbeschaffung neuer Technologien im Sinne der Herstellerindustrien verstand. Dagegen wäre die Entwicklung einer kritischen Zukunftswerkstatt ein lohnenswertes Ziel für die Fachgruppe "Kommunikationsökologie".

Kontakt: Prof. Barbara Mettler-Meibom, Universität Essen - Fachbereich 1, Postfach 103 764, W4300 Essen 1, 0201/183/3475 oder 3480

Material: Zu diesem Symposium gibt es den Vorbereitungsreader "Was könnte Kommunikationsökologie sein" IKÖ, Balkenstr. 17-19, 46 Dortmund 1, 0231/5779046

 

FUNKKOLLEG "MEDIEN UND KOMMUNIKATION"

Die Kontroverse um "Kommunikationsökologie", Systemtheorie und Biologismus im IKÖ kann in der Auseinandersetzung um das neue Funkkolleg "Medien und Kommunikation" fortgesetzt werden. Die kritisierten Ansätze aus Biologie und Systemtheorie haben dort offensichtlich erheblichen Einfluß auf die Konzeption ausgeübt.

Einer der drei wissenschaftlichen Leiter des Funkkollegs, Prof. Siegfried J. Schmidt (Siegen) bezieht sich im Funkkolleg-"Einführungsbrief" ausdrücklich auf die Erkenntnistheorie des Biologen Humberto R. Maturana. Schmidt selbst nutzt die Theorie "selbstorganisierender Sozialsysteme" die sich daraus ableitet. Der zweite aus der wissenschaftlichen Leitung des Funkkollegs, Prof. Klaus Merten (Münster) hat bereits 1977 daran gearbeitet, Kommunikation im systemtheoretischen Rahmen zu fassen. Im Funkkolleg-Anmelde-Prospekt heißt es denn auch: "Die Autoren dieses Funkkollegs gehen von einem systemtheoretischen Begriff von Kommunikation aus...".

Für diejenigen, die gegen die Übertragung biologisch orientierter Theorien auf die Gesellschaft argumentieren, müssen bei der Kombination der Begriffe "Selbstorganisation" und "Systemtheorie" bereits die Alarmglocken klingeln. Um es anschaulicher zu machen, ein Zitat von S.J.Schmidt aus dem ersten Funkkollegbrief: "Ob es dem Zuschauer bewußt ist oder nicht: Die Medien beherrschen ihn nur dann, wenn er als Beobachter diese Herrschaft in sich akzeptiert, sich gleichsam im Namen eines anderen selbst beherrscht.(...) Die Betonung der Selbstorganisation gegenüber Regelung und Kontrolle hat natürlich auch politische Implikate. Konstruktivistisches Denken geht davon aus, daß unsere komplexen modernen Gesellschaften nicht in erster Linie auf Kontrolle, zentrale Regelung und Hierarchie aufgebaut werden können, sondern auf Selbstorganisation, Eigenverantwortlichkeit und Kooperation...".

Bei einer solchen Sichtweise kann allzuleicht die Reflexion über die Bedeutung von Macht und Herrschaft in der medialen Kommunikation zu kurz kommen. Möglicherweise bleibt die Betrachtung der medialen Machtstrukturen ausgeblendet und die MedienkonsumentInnen werden selbst für die medial vermittelten Inhalte verantwortlich gemacht, weil sie an der "Konstruktion von Wirklichkeit" beteiligt sind.

Kontakt: Funkkolleg Zentralbüro, Robert-Mayer-Str. 20, 6 Frankfurt/M 90, 069/7982556 oder 772869

Material: Funkkolleg Einführungsbrief und weitere Begleitbriefe

 

BRD-OST: MIKROZENSUS UND VOLKSZÄHLUNG ?

"Wir sind das Volk" - "Schon gut, schon gut, Ihr werdet ja auch bald gezählt". Im Januar 90 lautete eine Frage von Vera Gaserow (taz) an den Bundeswahlleiter und Chef des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden Egon Hölder: "Träumen Sie schon von einer gesamtdeutschen Volkszählung?" Hölders Antwort: "Wenn wir eine staatliche Vereinigung hätten, eine Förderation oder was auch immer, würde man sicher auch Informationen brauchen, wieviele Menschen in diesem Staat wohnen. Ich habe ja auch schon mit dem Ostberliner Kollegen gesprochen. Dann würden wir als Statistiker sicher auch geeignete Methoden finden." Die Volkszählungs-Boykott-AG im Berliner Mehringhof meint, es sei "so gut wie sicher, daß von Staats wegen wieder das Volk gezählt werden soll. Egon Hölder hat dies am 25.5.90 in einer Fernsehsendung der ARD angekündigt." Auf Rückfrage im Statistischen Bundesamt in Wiesbaden sah man das dort anders. Gegenwärtig erhalte man Angaben vom Statistischen Amt der DDR, das bis 1992 noch weiterarbeite. Bis dahin würden auch die statistischen Ämter in den neuen Bundesländern und eine Zweigstelle des Bundesamtes in Berlin aufgebaut. Die Äußerungen von Herrn Hölder seien falsch verstanden worden, wenn man daraus die Ankündigung einer gesamtdeutschen Volkszählung herausgelesen habe. Allerdings kam anläßlich der 40-Jahrfeier des Bundesamtes für Statistik am 18.10.90 doch wieder der Satz in den Nachrichten: "Nun müsse man bald die Daten im Gebiet der ehemaligen DDR erheben."

Fest steht, daß im April 1991 ein Mikrozensus in der Ex-DDR durchgeführt wird, das geht aus einer Presseerklärung des Statistischen Bundesamtes vom 26.7.1990 hervor. Bei dieser intensiven Teil-Volkszählung namens "Mikrozensus" werden 1 % der Bevölkerung nach einem statistischen Stichprobenverfahren ausgewählt, die dann wesentlich detaillierter als in der allgemeinen Volkszählung Auskunft geben müssen. Die Bundesregierung hatte noch schnell vor der "Deutschen Einigung" die Verlängerung des entsprechenden "Gesetzes über jährliche Bevölkerungsbefragungen" erwirkt.

Die Stasi hatte Informationen über ca. 6 Millionen Menschen in Dateien und Karteien zusammengetragen. Allein in der Berliner Normannenstraße betrug der Aktenumfang der Stasi-Sammlungen mehrere tausend Meter Papier. Die Menschen in der ehemaligen DDR werden aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen mit der Stasi-Datensammelwut hoffentlich auch einer Verdatung durch den "freien Westen" skeptisch begegnen.

Nachfragen: Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Gustav-Stresemann-Ring 11, W6200 Wiesbaden, Tel.: 0611/751;

 

BRD-WEST: NACH 3 JAHREN IMMER NOCH VOLKSZÄHLUNGS-PROZESSE

Nicht nur die Verfälschung der Zählungsergebnisse durch Boykott und falsche Angaben haben den Wert der Volkszählung 1987 erheblich gemindert. Die rasanten Veränderungen durch die Aufhebung der Grenze zwischen BRD und DDR haben die Volkszählungsdaten von 1987 noch wertloser gemacht. Aber die zur abstrakten Disziplinübung verkommene staatliche Volkszählungsaktion wird weiterhin durchgezogen: Wegen des Nicht-Bezahlens von Bußgeldern versuchen die Rechtsbehörden nach 3 Jahren immer noch BoykotteurInnen mit mehrtägiger "Erzwingungshaft" endlich auf die Knie zu zwingen.

Einige Beispiele für Erzwingungshafturteile wegen Nichtzahlung der Boykott-Bußgelder: Karlsruhe: 8 Tage wegen 400 DM / Berlin: 10 Tage wegen 300 DM / Hannover : 2 Tage wegen 50 DM / Hunsrück: zwei Leute mußten für je 5 Tage in Haft / Göttingen: Haftandrohung gegen die GAL-Ratsfrau Vera Hacker / Christian Herz, Berlin, 8 Tage Erzwingungshaft wegen 400 DM, usw.

Am 20.10.90 meldete die VOBO-AG Berlin erneut, daß zwei Tage zuvor ein Volkszählungsboykotteur morgens vor seiner Wohnung verhaftet und zu 6 Tage Erzwingungshaft in der JVA Plötzensee abgeführt worden sei. Nach Angaben der VoBo-AG sind noch ca. 4.000 rechtskräftige Bußgeldbescheide zur Vollstreckung und ca. 2.000 Amtsgerichtsverfahren zwecks Erzwingungshaft zu erwarten. Mit teutonischer Verkrampftheit sollen die Zähl-DissidentInnen zur Disziplin gezwungen werden. Dieser autoritäre Popanz sollte endlich durch eine politische Amnestie für VolkszählungsboykotteurInnen beendet werden.

Kontakt: Volkszählungsboykott-AG Mehringhof, 1 Berlin 61, Gneisenaustr. 2a, Tel.: 030/6 94 15 16, jeden Mittwoch ab 18-21 Uhr, Spendenkonto der VoBo-AG: J.P. Bünte, BfG Berlin, BLZ: 100 10 111, Kto.Nr.: 2118 519 800

 

VOLKSZÄHLUNGSBOYKOTT IN DER SCHWEIZ AKTUELL

Der 4.12.1990 ist Stichtag der Schweizer Volkszählung. Die Proteste gegen den Schweizer Schnüffelstaat erfahren nun eine Verlängerung im Volkszählungsboykott. Im November findet eine Vielzahl von politischen und kulturellen Protestveranstaltungen gegen die Volkszählung statt, LoRa-Zürich begleitet die Protestbewegung mit täglichen Nachrichten von 18-19 Uhrauf 104,5 MHz, in der Schweizer Wochenzeitung "WOZ" werden praktische "Hinweise zum Boykott von Otto Boik" und "Sabo-Tips von Ottilia Boik" aufgelistet. Sogar das Zentralkomitee der "Partei der Arbeit Schweiz" (PdAS) will den Aufruf zum Boykott unterstützen.

Im Mai 1991 ist es dann übrigens auch in Österreich soweit mit der Volkszählung. Dort läuft die Diskussion gerade langsam an - vielleicht wird sie im Dezember und Januar 91 durch die Schweizer Ereignisse beflügelt.

Kontakte:

BERN: Sekretariat für den Volkszählungsboykott 90, Quartiergasse 17, CH-3013 BERN, 031(Vorwahl aus der BRD 004131)/412172, Mo und Do 10-14 Uhr, Fr 14 - 20 Uhr

ZÜRICH: CH-Koordination VOBO 90, CH-8026 Zürich, Fach 18 (PC: 80-35300-2)

BASEL: Gruppe für Volkszählungsboykott Basel, Libertäres Zentrum, Brombacher Str.33 CH-4057, Tel.: 061(BRD: 004161)/6929029

ST. GALLEN: Volkszählungsboykott-Gruppe c/o Graz, Fach 251, CH- St.Gallen

 

SCHWEIZER NATIONALRAT ERWÄGT "IKÖ"-GRÜNDUNG

Die GRÜNE Fraktion im Schweizer Nationalrat hat bereits am 6. Februar 1990 folgenden Antrag gestellt: "Im Sinne von Artikel 21 des Geschäftsverkehrsgesetzes und Artikel 27 des Ratsreglements unterbreite ich die folgende parlamentarische Einzelinitiative in Form einer allgemeinen Anregung: 'Die Bildung und Unterstützung eines Intstituts für Informations- und Kommunikationsökologie ist zu veranlassen.' Sprecherin: Diener".

Am 18. September nun wurden die damalige IKÖ-Sprecherin (heute Geschäftsführerin) Heiderose Wagener und IKÖ-Sprecher Prof. Herbert Kubicek von einer Kommission des Nationalrates eingeladen, die mit der Vorprüfung des Grünen Antrages befaßt ist. Diese Tatsache läßt auf erfreuliche Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen bundesdeutschem und evtl. zukünftigem schweizerischem IKÖ hoffen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat aber der Schweizer Nationalrat eher ein Institut für allgemeine "Technologiefolgenabschätzung" bzw. "Technologiefolgenforschung" im Sinn.

Kontakt: Parlamentsdienste/Kommissionsdienste, Fachdienst IV, Parlamentsgebäude, CH-3003 BERN

 

NDR-ARMUTSZEUGNIS: "MEDIENREPORT" NACH 17 JAHREN ABGEWÜRGT

Die Sendereihe "MEDIENREPORT" im NDR 4-Hörfunkprogramm wurde am Sonntag den 30.9.90 nach 17 Jahren sang- und klanglos eingestellt. Diese Sendereihe bot Hintergrundswissen und beschäftigte sich mit Strukturzusammenhängen in einem Themengebiet, das dem des Infodienstes "COMPUTER & MEDIEN" vergleichbar ist. In der letzten Sendung wurde noch einmal die ganze Themenpalette in einem Überblick entfaltet und umso größer war der Überraschungseffek, als zum Schluß die Abschaffung der Sendereihe bekanntgegeben wurde.

Redakteur der Sendereihe war Michael Wolf Thomas, der sich bei den Kampagnen gegen die von Ernst Albrecht geplante Zerschlagung des NDR engagiert hatte. Nachdem nun Herr Rohmann (CDU) Programmdirektor von NDR 4 geworden ist, ist eine politische Motivation bei der Einstellung der Sendung nicht ganz auszuschließen. Michael Wolf Thomas, so die offizielle Erklärung der Presseabteilung, sei zum NDR-Fernsehen übergewechselt und könne nun die Redaktion des Medienreports wegen Arbeitsüberlastung nicht mehr fortsetzen. Warum aber hat man nicht andere Leute mit der Fortsetzung der Arbeit beauftragt ? Entscheidendes Moment war wohl die geringschätzige Bewertung der Sendereihe durch die neue Programmdirektion. Die vielen Fachleute, die die Sendung regelmäßig gehört haben, mögen da eine völlig andere Meinung haben.

Die ersatzlose Streichung des Medienerports im NDR 4 ist ein Armutszeugnis sondergleichen in einer Zeit, wo die dort behandelten Fragen eine immer größer werdende Bedeutung gewinnen. Die HörerInnen wurden darauf hingewiesen, daß sie die Themen nun alle 4 Wochen im Schul- und Bildungsprogramm des NDR 4 im Rahmen der Hörfungsendung "Logo" suchen sollen. Das ist wahrlich kein Ersatz für den Medienreport !

 

WOCHENZEITUNG "DIE GRÜNEN" HAT AUFGEGEBEN

Wer die Telefon-Nummer (08251/4071) der Wochenzeitung "Die Grünen" nach dem 9. Oktober 1990 angewählt hat, vernahm nur noch "kein Anschluß unter dieser Nummer". Das neue Symbol der Wochenzeitung, ein angebissener Apfel (apple?!) hat offensichtlich kein Glück gebracht, "Rückgang der AbonnentInnenzahlen, keine finanzielle Unterstützung durch die Gremien der Partei und damit verbunden ein ständig steigendes Defizit machten die Einstellung der Zeitung unvermeidlich." hieß es im Editorial der Nr.35/90. Die Wochenzeitung "Die Grünen" gehörte nicht, wie vermutet werden könnte der Partei DIE GRÜNEN, sondern war eine selbständige GmbH, die den Namen "Die Grünen" tragen durfte, weil sie von August Haußleiter bereits vor der Parteigründung herausgegeben worden war. Seitens der Partei DIE GRÜNEN bestand jedoch Interesse am Erhalt der Zeitung und deshalb war vom Bundesvorstand beschlossen worden, für eine Übergangszeit von 6 Wochen 3 Doppelnummern zu finanzieren. Letztlich änderte dies aber nichts an der Tatsache, daß die Zeitung ihr Erscheinen einstellen mußte. Der Bundesvorstand der GRÜNEN entschloß sich in diesem Zusammenhang, demnächst eine Bestandsaufnahme der grünen Presselandschaft vorzunehmen. "Angesagt ist eine Überprüfung des grünen Zeitungsdschungels. Jeder Landesverband verfügt inzwischen über seine eigene Zeitschrift, der Bundesverband ist Herausgeber des Grünen Basisdienstes und des Ökologie-Rundbriefes, verschiedene Bundesarbeitsgemeinschaften geben eigene Informationsblätter heraus. Eine der Wochenzeitung DIE GRÜNEN vergleichbare Zeitung, die nicht nur breit gefächerte Informationen anbietet, sondern auch dazu beitragen kann, die innerparteiliche Diskussion für jedermann und jederfrau transparent zu machen, gäbe es jedoch nach dem Verschwinden dieser Zeitung nicht mehr." (Axel Vogel, Bundesschatzmeister, September 90). Vorläufig, so war im Oktober zu erfahren, wird der Grüne Basisdienst (gbd) als zentrales grünes Presseprojekt ins Auge gefaßt. Wenn ein Schatzmeister von "Zeitungs-Dschungel" spricht, liegt die Assoziation von "Abholzen" nicht weit, Basisdemokratisch-Gewaltfrei selbstverständlich.

Außerdem fand am 31.Oktober 90 ein erstes Treffen von RedakteurInnen grüner Landeszeitungen in Hannover statt. Einige Landesverbände haben wohl Interesse signalisiert, sich mit einem eigenen Landesteil an den Grünen Basisdienst dranzuhängen und den dann an alle ihre Mitglieder zu verschicken. Frage ist nun, ob sich das zu einer bundesweiten Mitgliederzeitung ausweiten könnte.

 

INTERCITY-TELEFONATE MIT BILLIGGERÄT ABHÖRBAR

Wie Funkexperten glaubhaft dalegen, ist es ohne weiteres möglich, die Telefonate aus Intercity-Fernsprechern mithilfe eines billigen Funkempfängers abzuhören. Solche Geräte (nur für den Export bestimmt etc.) sind auf Flohmärkten schon für 5 DM zu haben. Mit einem solchen Gerät können die Telefonate aus Intercitys aber auch von Autotelefonen, die über das C-Netz laufen auf den Frequenzen 157 MHZ und 148 MHZ des PublicBand Air abgehört werden.

Daß dies im C-Netz prinzipiell möglich ist, war bekannt, daß es aber so einfach ist, wie geschildert, überraschte denn doch. Man muß sich mal klarmachen, daß Telefonate abhören dabei so ähnlich funktioniert wie Rundfunk hören - und zwar mit einem Radio das nur 5 DM gekostet hat. Und die Leute, die vom Intercity aus telefonieren haben keine Ahnung davon, daß ihr Gespräch quasi so öffentlich zugänglich ist wie eine Radiosendung.

Es reicht nicht aus, nun darauf hinzuweisen, daß die Benutzung solcher Empfangsgeräte in Deutschland verboten ist. Auch der Hinweis darauf, daß davon nur das C-Netz als überholte Technik betroffen sei, kann hier nicht beruhigen, denn solange es benutzt wird, muß auch hier das Fernmeldegeheimnis gesichert sein. Und gerade durch den Fernmeldenotstand in der Ex-DDR dürften die C-Netz-Kapazitäten noch länger als geplant genutzt werden. Als unabdingbare Sofortmaßnahme müßte wenigstens ein Hinweis auf den IC-Telefonapparaten über die Abhörmöglichkeit angebracht werden und eine ebensolche Aufklärung der Bevölkerung durch die Tagespresse erfolgen. Vorschlag für einen von der Bundespost anzubringendes Schild: "Der Bundespostminister: Telefonieren an diesem Apparat gefährdet ihre Geheimnisse" oder ähnlich.

Material: a) Broschüre "Telefonüberwachung" (u.a. zum Autotelefon, Abhören im Betrieb, beim Telefaxen) zu bestellen bei ROBOTAGE, Fach 18, CH-8026 Zürich, 5.50 Fr. in Briefmarken beilegen.

b) Beschluß der 40. Konferenz der Datenschutzbeauftragten am 4./5. Oktober 1990 in Kiel (bei einer Enthaltung, nämlich des bayrischen Datenschützers)

 

"BÜRGERGUTACHTEN" DER POST ZU ISDN, BTX UND TEMEX

Im Frühjahr 1991 werden von der Telekom aller Voraussicht nach die Ergebnisse eines sogenannten "Bürgergutachtens" zum demokratischen Feigenblatt für die Einführung von ISDN hochstilisiert. Das Bürgergutachten, quasi ein "BürgerInnendialog a la Bundespost" ist Teil raffinierter Akzeptanzforschung und Einführungsstrategie. Es wird zum Schein auf die Kritik der beteiligten BürgerInnen eingegangen, um auf diesen Erkenntnissen aufbauend eine reibungslosere Einführungsstrategie für ISDN, BTX und TEMEX entwickeln zu können. Um genügend Anschauungsmaterial für die Post zu liefern mußten die TeilnehmerInnen jeweils in 16 Einheiten a 90 Minuten Gedanken zum Thema produzieren: "Kritisieren Sie bitte"..

Am 4.9.-7.9.90 in Rottweil z.B. beteiligten sich an dieser scheindemokratischen Veranstaltung u.a. die Projektgruppe ISDN-Vertrieb Trier, Telefonseelsorge, Tübingen (Herr Müller-Stör), Herr Alke vom Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Herr Walder von der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle in Rottweil, Dr. Lange (!) von der Forschungsgruppe Telefonkommunikation/FU Berlin, Dr. Mechtel von der TELEKOM und und Prof. Dr. Seel vom DIFF Tübingen. Im Folgenden dokumentieren wir den Einladungsbrief der Akzeptanzforschungsgruppe Wuppertal:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

dies ist eine Einladung, Sie gehören zu den im Zufall ausgewählten Einwohnerinnen und Einwohnern Freiburgs, die das Recht haben, an dem aus Mitteln des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation finanzierten "Bürgergutachten ISDN" mitzuwirken. (...) Aus dieser Einladung ergeben sich für Sie sicher mancherlei Fragen (z.B. Freistellung von der Arbeit, Sonderurlaub, Kinderbetreuung). Deswegen wird eine/r meiner Mitarbeiter/innen zwischen dem 30. Juli und 4.AUgust in Freiburg sein, um Sie nach Terminabsprache zu einem Informationsgespräch auzusuchen. (...)

Soviel läßt sich jetzt schon sagen: ISDN steht für eine Fülle neuer Kommunikationsmöglichkeiten, z.B. Bildtelefon, Fernzeichnen und interessante Verbesserungen beim Telefonieren. Die Ausgestaltung des ISDN läßt jedoch viele Fragen offen. Mit dem Bürgergutachten gibt der Bundesminister für Post und Telekommunikation darum unsgesamt 550 Bürgerinnen und Bürgern in 8 Städten die Chance, in kleinen Gruppen die neue Technik zu bewerten. Eine dieser ausgewählten Städte ist Freiburg. Zuvor waren Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Frankfurt, München und Saarbrücken an diesem Bürgergutachten beteiligt. Für die Mitarbeit benötigen Sie keinerlei Vorkenntnisse. Als Aufwandsentschädigung erhalten Sie 200,--. Darüber hinausgehende Verdienstausfälle und Ihre Fahrtkosten werden Ihnen erstattet. Zum Mittagessen und in den Pausen sind Sie unser Gast. Ihre Mitarbeit am "Bürgergutachten ISDN" wird für Sie informativ und spannend werden."

Adressen/Namen der AkzeptanzforscherInnen (die übrigens auf Anfrage durch die Redaktion keine Informationen rausrücken wollten): Bergische Universität, Gesamthochschule Wuppertal, Fachbereich 1 Gesellschaftswissenschaften, Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und Planungsverfahren, Prof. Dr. Peter C. Dienel, Gaußstr. 20, Postfach 100127, W 5600 Wuppertal 1, Tel: Frau Fischer, Beate Moog, Adrian Reinert (Wiss. Mitarb.) 0202/439-2344, abends und am Wochenende Herr Köhler 0212/310523.

 

INSTITUT FÜR NEUE MEDIEN / FRANKFURT

Seit bereits gut einem Jahr existiert bereits das Institut für Neue Medien an der Frankfurter Städelschule (Kunstschule). Aber erst seit einigen Monaten tritt es verstärkt in die Öffentlichkeit. So ist es an der Ausstellung "Vom Verschwinden der Ferne" im Museum der Deutschen Bundespost/Frankfurt beteiligt - verträgt sich also anscheinend gut mit den Leuten von der TELEKOM. Und während der Fertigstellung dieses Infodienstes findet ein dreitägiges Symposium unter dem Titel "Strategien des Scheins - Im Irrgarten der Begriffe und Medien" in Frankfurt statt.

Gegenwärtig sind im Institut 8 Studierende beschäftigt. Ziel ist die "Ausbildung von digitalen Künstlern" (?!). Ein weiteres Ziel des Instituts ist die "Herstellung einer Öffentlichkeit für Fragen der Medienkultur, Organisation von Ausstellungen, Symposien, Publikationen zur Medientheorie."

Die Ausrüstung des Instituts besteht aus Computerarbeitsplätzen, einer VAX 5000 etc., Software-Wavefront, Videoarbeitsplätze auf D1, Betacam und Super VHS, digitale Effektgeräte: A.D.O., Abekas, mehrere Kameras, Ton etc.

Material:

Edith Decker, Peter Weibel (Hrsg.); Vom Verschwinden der Ferne, Köln 1990, (zur gleichnamigen Ausstellung im Postmuseum)

Peter Weibel (Hrsg.), Von der Bürokratie zur Telekratie - Rumänien im Fernsehen, Ein Symposium aus Budapest, Merve-Verlag 1990

Peter Weibel (Hrsg.), Oswald Wiener Probleme der Künstlichen Intelligenz, Merve-Verlag 1990

Taz 22.11.90: Gespräch mit Peter Weibel, Direktor des Frankfurter Instituts für Neue Medien

Adresse: Institut für Neue Medien an der Städelschule, hanauer Landstr. 204-206, W6000 Frankfurt, Tel.:069/44 50 36

 

VOM BÜRGERiNNEN-DIALOG ZUR PROTEST-AKTION?

"Uns stört, daß das politische System in seiner derzeitigen Struktur nicht in der Lage ist, eine breite, kontroversen Diskussion zu fördern un den außerparlamentarischen Bereich dabei angemessen zu berücksichtigen." heißt es zu Beginn des neuen Anti-ISDN-Buches von Berger/Kubicek.

Die Grundlage für das Buch bildete die OPTEK-Studie, die von der Landesregierung NRW finanziert worden war. Weil die Ergebnisse der Optek-Studie zu kritisch gegen ISDN gerichtet waren, wurde die Veröffentlichung vom zuständigen Ministerium in Nordrhein-Westfalen blockiert. Lediglich die Erstellung von 300 Exemplaren wurde erlaubt. "Kritische Fragen scheinen nicht in das Konzept der Modernisierungspolitik und die Initiative Teletech 90 der Landesregierung zu passen." resümieren die Autoren des Anti-ISDN-Buches. Ungeachtet dieser Widrigkeiten wollen sie nun mit ihrem Buch die kritischen Ergebnisse der OPTEK-Studie einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen.

Wer das Buch gründlich studiert, ist wohl bestens präpariert für eine öffentliche Argumentation gegen ISDN, denn es nimmt Schritt für Schritt 66 Behauptungen der ISDN-Propaganda auseinander und liefert Gegenargumente. Zwar verweigert sich die Post diesem Grundkonzept des "BürgerInnendialogs" aber gleichzeitig fährt z.B. das IKÖ e.V. unter Federführung von Kubicek die juristische Schiene gegen Telefondatenspeicherung im ISDN, zusammen mit Telefonseelsorge und anderen Beratungsstellen, was zunehmend Druck auf die Post ausübt.

Vielleicht ist es nun an der Zeit, durch gut verständliche Flugblätter die ISDN-Kritik über die bisherigen Kreise hinauszutragen und eine Aktionsperspektive für den Massenprotest zu entwickeln. Auch dieser Überlegung verschließen sich die Autoren des Buches nicht. Das Buch endet mit folgenden Bemerkungen: "Wie im Umweltbereich erscheint es erforderlich, neben der intelektuellen Auseinandersetzung auch konkret zu handeln. Dazu gehören die Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten durch gerichtliche Klagen ebenso wie öffentlichkeitswirksame Protestaktionen.(...) Es ist auch nicht auszuschließen, daß es Hackern gelingt, an gespeicherte Daten heranzukommen oder die Vermittlungssysteme lahmzulegen. Ebenso sind Proteste, etwa in Form der Besetzung des Gebührenrechenzentrums der DBP in Offenburg oder einzelner Vermittlungsstellen, durchaus denkbar. Je weniger einsichtig und kompromißbereit sich der Bundespostminister zeigt, umso wahrscheinlicher werden solche Aktionen."

Material: Herbert Kubicek, Peter Berger "Was bringt uns die Telekommunikation? ISDN - 66 kritische Antworten", Okt. 1990, 211 Seiten 19,80 DM

 

MAILBOX FÜR SOZIALPÄDAGOGIK

Im Fachbereich Sozialpädagogik an der Fachhochschule Hildesheim hat Ralf-O. Dorn seit geraumer Zeit die Einrichtung einer Mailbox für die Sozialarbeit vorbereitet, die jetzt am Netz ist. Sie heißt DISA = "Daten und Informationssystem für die soziale Arbeit" und enthält z.B. folgende "Bretter": Adressen / Altenarbeit / Arbeitslosigkeit / Armut / Ausländer / Behinderte / Heimerziehung / Jugendarbeit / Sozialhilfe / Strafvollzug. Es sind drei Zugangsarten vorgesehen. 1. Zugang für "jeden eingetragenen User" (und Userin), 2. Zugang nach Aufnahme in eine geschlossene Fachgruppe, 3. Private Versendung von E-Mails. Außerdem bietet die Box einen Zugang zu den Brettern von APC, GRUENE BV, LINKSYS, GREENPEACE, COMPOST und ZERBERUS-Netz.

Ziel der Mailbox ist die Verknüpfung von Institutionen, Vereinen, Trägern, Initiativen, FHs und Einzelpersonen im Bereich Soziales zur Förderung des Informationsaustausches aus der Praxis, Lehre und Forschung. Die Mailbox DISA soll gleichzeitig perspektivisch in das Lehr- und Weiterbildungsangebot des Fachbereichs als ein Schwerpunkt eingebunden werden

Kritische Anmerkung: Falls die Informationen ausschließlich in der Mailbox laufen, wird ein Zwang auf die Leute ausgeübt, sich einen PC anzuschaffen. Was ist mit Einzelpersonen, die eine Initiative zum Thema "Armut" gründen wollen und an den Inhalten des Mailbox-Brettes "Armut" interessiert sind ? Deshalb sollte parallel zur Mailbox auch die Verschickung von Papier-Ausdrucken angeboten werden. Ebenso ist es eine Beschränkung, wenn es heißt "Es ist uns nicht möglich, Texte durch Abschreiben in die Mailbox zu übernehmen", denn so kommen nur noch Inhalte von Leuten mit Zugang zu einem PC ins Mailbox-Netz.

Im Übrigen bleibt zu hoffen, daß die kritische Behandlung der Themen "Sozialdatenschutz", "Sozialversicherungsausweis" und "Computer im Sozialamt" in dieser Mailbox nicht aufgrund der Computerbegeisterung in den Hintergrund gedrängt wird.

Kontakt: Ralf-O. Dorn, Fachhochschule für Sozialarbeit/ Fachbereich Sozialpädagogik- Beratungslabor, Hohnsen 1, 3200 Hildesheim, Tel.: 05121/881421, Mbx:05121/881450 (300/1200/2400 Baud, 8/N/I) 24 Stunden online, Sysop R.O. Dorn

 

KATHOLISCHER RADIO-PFARRER VORM LANDGERICHT

Vor der 11. großen Strafkammer des Landgerichts in Göttingen wird gegenwärtig der Fall "Pfarrer Jan van de Brule" verhandelt und man muß unwillkürlich an Don Camillo denken. Van der Brule wird beschuldigt, gegen die Fernmeldegesetze verstoßen zu haben als er mit einem kleinen Sender seinen Gottesdienst in der Gemeinde ausgestrahlt hat. Vorsitzender ist Richter Staron, Beisitzer sind Richter Becker und Richterin Araschmid. Es darf festgestellt werden, daß das Gericht durch die funktechnischen Aspekte stark überfordert ist und sich gelegentlich possenhafte Momente in der Verhandlung einstellen. Weniger lustig ist die Angelegenheit für den 65-jährigen Jan van de Brule, Pfarrer in Breitenberg. Inzwischen wurden seine Kirche und seine Wohnung bereits acht mal von Polizei und Funkspezialisten aus Itzehoe durchsucht. In einem Interview mit dem Sunday Telegraph (!) meinte Jan v.d.Brule, das erinnere ihn doch sehr an Gestapomethoden in Holland während des II Weltkrieges. V.d.Brules Vater war ein niederländischer Parlamentarier, der damals von den Deutschen Nazis als Geisel festgehalten wurde. Jan v.d. Brule selbst war Mitglied einer kommunistischen Zelle, die Juden zur Flucht aus dem Land verhalf.

Eigentlich kann v.d.Brule nicht viel passieren, denn er hat nach den ersten Schwierigkeiten mit den Behörden aufgehört zu senden: dafür senden jetzt die Gemeindemitglieder indem sie per Knopfdruck mittels einer Fernbedienung den Sender in Betrieb setzen. Und um den Sender zu finden, so wiederholt v.d.Brule immer wieder, müßte die Polizei die 100 jährige Kirche von Breitenberg Stein für Stein abtragen.

Rechtlich gesehen kann die ganze Sache noch spannend werden, denn evtl erfolgt die Anfechtung des entsprechenden Paragraphen im Fernmeldeanlagengesetz vor dem Bundesverfassungsgericht.

Kontakt: Pfarrer Jan v.d.Brule, Pfarramt Breitenberg, W3408 Duderstadt-Breitenberg, Tel.: 05527/71737 (lieber schriftlich)

 

RECHTSRADIKALE FÜHREN "DATEI ÜBER VOLKSFEINDE"

Ein Journalist der Gewerkschaftszeitung "Metall" hatte zu Recherchezwecken bei der neonazistischen FAP Informationsmaterial bestellt. Er bekam zur Antwort, daß er in der Datei der Volksfeinde registriert sei und deshalb nicht beliefert werde. Der niedersächsische FAP-Vorsitzende Karl Polacek aus Mackenrode hatte später der Presse gegenüber erklärt, daß "nicht nur Namen und Anschriften, sondern alle Informationen über die betreffenden Personen sowie Fingerabdrücke und Lichtbilder" gesammelt würden. Der Computer mit der Datei, so Polacek, stehe in einem Bauernhaus an einem einsamen Fjord in Norwegen, das einem Anhäger der rechtsextremen Norsk Front gehöre. Polacek steht übrigens demnächst vor Gericht, ihm wird vorgeworfen, eine junge Frau mit einer Axt angegriffen und am Kopf erheblich verletzt zu haben.

 

IKÖ: SELBSTVERSTÄNDNISDISKUSSION

Ein Thema der IKÖ-Mitgliederversammlung am 16./17.11.90 war unter anderem die Bestandsaufnahme der bisherigen Arbeit. Zunächst mußte leider festgestellt werden, daß einige der Fachgruppen nicht auf die Beine gekommen sind, einen erfreulichen Auftrieb hingegen zeigen die Regionalgruppen mit Neugründungen in Dortmund, Ulm und Rhein-Main-Gebiet. Nach wie vor findet die IKÖ-Arbeit, vor allem die Anti-ISDN-Kampagne eine gute Ressonanz in den Medien und laut Geschäftsführerin Heiderose Wagner melden sich viele Leute mit unterschiedlichsten Fragen im IKÖ-Büro/Dortmund. Bei der Weitervermittlung dieser InteressentInnen an GesprächspartnerInnen innerhalb des IKÖ gibt es gegenwärtig aber noch Probleme, die unbedingt behoben werden sollen. Veröffentlichungen und Diskussionsveranstaltungen des IKÖ im vergangenen Jahr zeigen, daß sich das Institut festige und an Kontinuität gewinne.

Barbara Mettler-Meibom meinte, das IKÖ könne Forum für Anregungen und Diskussionen sein, die in anderen Zusammenhängen "nicht kommuniziert" werden können. Jede/r solle mit seinen Interessen im IKÖ die Möglichkeit haben, sich das zu suchen was er/sie braucht, dies würde aber eine tolerante Form des Umgangs miteinander erfordern. (Die naheliegende Frage, ob nicht doch politische Grenzziehungen das Spektrum der Positionen im IKÖ einschränken sollten, blieb unausgesprochen.)

Paul Hell hatte in der Einleitung zur Diskussion davon gesprochen, daß das IKÖ eine Zusammenführung von "Alltags- und ExpertInnenwissen" zum Ziel hatte und noch hat. Herbert Kubicek wies darauf hin, daß leider zu wenig Aktivitäten am "Alltag" ansetzten und einige Diskussionen eher akademischen Charakter gehabt hätten. Bezeichnenderweise sei die Fachgruppe "Alltagswiderstand" gar nicht erst zustandegekommen. (Anmerkung: Abgesehen von der Einsparung der Fahrtkosten bieten evtl. die Regionalgruppengründungen hier die Chance, einen Ausgleich zu schaffen). Die spontane Idee, mit den ca. 80 anwesenden IKÖ-Mitgliedern zu dem unweit vom Tagungsort gelegenen Postmuseum (wo eine Propaganda-Ausstellung zur Telekommunikation läuft) zu ziehen und eine Happening-Protest-Aktion zu veranstalten, traf zwar auf Zustimmung, wurde aber letztlich doch nicht umgesetzt, weil es regnete und die meisten weiterdiskutieren wollten.

Gegen Ende der Tagung stand noch ein heikler Punkt, nämlich der PC-Einsatz für die Verwaltung von 380 Mitgliedern im IKÖ zur Abstimmung. Es unterlagen diejenigen, die weiterhin Bedenken gegen eine Verdatung der Mitgliedernamen, Adressen und Fachgruppenzugehörigkeit hatten. All jene, die nicht damit einverstanden sind, können aber verlangen, daß ihre Daten nicht im IKÖ-PC gespeichert werden - ohne Nachteile befürchten zu müssen.

Übrigens: a) Die Aufklärungsaktion KARTENTELEFONE? NEIN DANKE! die auf der MV nicht diskutiert wurde, wohl aber per Flugblättern und Aufklebern präsent war, nahm ungefähr die Hälfte des Artikels in der Frankfurter Rundschau über die IKÖ-MV ein (FR, 19.11.90). b) Mit dem Vortrag von Doris Janshen auf der IKÖ-MV wird sich ein Artikel im nächsten Infodienst auseinandersetzen.

 

SCHÄDLICHE STRAHLUNG VOM BILDSCHIRM (TEIL 1)

Vorbemerkung: Bei diesem Artikel handelt es sich um den ersten Teil zur Strahlungsproblematik. In der nächsten Ausgabe von COMPUTER & MEDIEN folgt quasi als Fortsetzung ein Artikel über die elektromagnetische Abstrahlung von Bildschirmen, Funktelefonen, Radar, etc.

"Bei einem elektrostatischen Hochspannungsfeld von zigtausend Volt zwischen Gerät und Bediener spielt sich einiges ab, was an Nerven und Gesundheit nagt: Die Luft vor der Mattscheibe wird durch den Entzug natürlicher Ionen regelrecht dünner. Das Gesicht ist Zielscheibe eines Heeres feinster Schmutzpartikel. Kopfschmerzen, Augenrötungen, Schlafstörungen, Reizzustände und Hautallergien sind typische Beschwerden, die man direkt zu spüren bekommt. Die gefährlich Grauzone liegt aber in einer alarmierenden Zahl von Fehlgeburten und Kindsmißbildungen bei Frauen, die während der Schwangerschaft überwiegend am Bildschirm arbeiteten." (Zitat aus einer Firmenanzeige der Power System GmbH, die Schutzvorrichtungen gegen einen Teil der Strahlung verkaufen will). Dieser Anzeigentext ging einigen wohl doch zu weit. Später erwähnte die "Power System GmbH" in ihren Anzeigen nur noch die Gefahr von "Augen- und Hautreizungen".

Aufgrund der Ergebnisse einer kanadischen Studie über häufige Frühgeburten, Fehlgeburten und embryonalen Mißbildungen bei Bildschirmarbeiterinnen hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt/M bereits 1982 entschieden, daß Schwangere nicht an Bildschirmgeräten arbeiten dürfen (AZ: I/V-K 744/82) und damit dem Gesamtpersonalrat der Deutschen Bibliothek in einem Arbeitsgerichtsprozeß rechtgegeben.

Die "Sicherheitsregeln für Bildschirmarbeitsplätze im Bürobereich (1980)" von der Berufsgenossenschaft beschäftigen sich lediglich mit den von Bildschirmen ausgehenden Röntgenstrahlen. Zwecks Anschaulichkeit kann man sich einen beliebigen Farbfernseher ansehen, denn auf fast jedem Farbfernsehgerät mit über 20.000 Volt Beschleunigungsspannung in der Bildröhre findet sich ein Hinweis wie z.B. "Die von diesem Gerät ausgehende Röntgenstrahlung ist ausreichend abgeschirmt." Für Bildschirmarbeitsplätze wird von der Berufsgenossenschaft folgender Grenzwert festgelegt:

"Wenn die Spannung einer Kathodenröhre 20.000 Volt nicht überschreitet, darf die Ortsdosisleistung in einem Abstand von 5 Zentimetern von der Oberfläche 36 Pikoampere durch Kilogramm (pA/kg) (0,5 Milliröntgen pro Stunde) nicht überschreiten."

Wie nachlässig mit diesem Grenzwert in der Praxis umgegangen wird zeigt ein Beitrag des Arbeitsphysiologen Prof. Dr. Müller-Limmroth (München): Er lobte 1981 in der Zeitschrift eines Computerherstellers dessen Bildschirme, weil sie "bei einer normalen Arbeitsentfernung" - also ca. 60 cm Meter - nur 0,02 MilliRöntgen/Stunde erzeugten und behauptete, dies sei 1/25 der zulässigen Dosisleistung - wobei er den enormen Unterschied von 5 cm und 60 cm vom Bildschirm schlicht unterschlägt.

Trotz der begründeten Bedenken haben die Hamburger Arbeitsmediziner Prof. Dr. Szadkowski und Prof. Dr. G. Lehnert offensichtlich nichts besseres zu tun, als statistische Mängel an der kanadischen Studie von 1984 zu suchen und überschreiben einen Artikel zu diesem Thema mit "Fruchtschäden durch Tätigkeit am Bildschirm - viel Lärm um nichts?" (in der Zeitschrift "Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Präventivmedizin", Nr. 2/1989, S. 23 / Verbandszeitung der Betriebsärzte).

Dagegen ist entschieden darauf zu beharren, daß schwangere Frauen auf jeden Fall von Bildschirmarbeitsplätzen wegversetzt werden - notfalls muß dies mit gerichtlichen Schritten erreicht werden wie es in der Deutschen Bibliothek durchgesetzt worden ist.

Material und weiterführende Hinweise:

I) Kanadische Studie: unter Leitung von Dr. Alison McDonald (Institut de recherche en sante et en securite du travail du Quebec) wurden 50.000 Schwangerschaftsfälle in 11 Krankenhäusern Montreals untersucht.

II) Ute Boitkat (Hrsg.), Macht Bildschirmarbeit krank?, Bochum 1985, 5,-DM, Verlag E.-M. Muschol, Grenzstr. 32, 4630 Bochum 6, (behandelt in vier Beiträgen die Strahlungsproblematik und den Rechtsstreit zwischen Deutscher Bibliothek und Personalrat in Frankfurt)

 

ALTERNATIVE TELEFONZEITUNG IN KASSEL

Die Stattzeitung Kassel, die bisher alle widrigen Stürme im alternativen Blätterwald überlebt hat, macht seit November 90 auch eine "Telefonzeitung". Grund dafür ist, daß oft Meldungen in die Redaktion geschickt werden, die bei monatlichem Erscheinen der Stattzeitung nicht mehr aktuell herausgegeben werden können: "Ab und zu passiert etwas, das viele interessiert und dessen Verbreitung bisher recht zeitaufwendig, umständlich und von vielerlei Zufällen abhängig war. Dem kann die Telefonzeitung abhelfen." "Gruppen, VeranstalterInnen aller Art und Einzelpersonen" sollen ihre Nachrichten per Telefon durchsagen, sie an die Redaktion schicken oder sie in der Elfenbuchstraße 18 in Kassel abgeben. Am 15.11. enthielt die Telefonzeitung z.B. Nachrichten über verschiedene Kulturveranstaltungen, über Prozeß-Termine, eine Demonstration zur Golfkrise usw..

Hoffentlich vergessen die Leute von der Stattzeitung nicht, wie in Zeiten des Volkszählungsboykotts die Beratungstelefone stillgelegt worden sind und daß die AnruferInnen durch Nummernspeicherung in den digitalen Vermittlungsstellen identifizierbar sind.

Kontakt: Kasseler Stattzeitung, Redaktion Telefonzeitung, Elfenbuchstr. 18, W 3500 Kassel, Meldungen durchgeben unter 0561/776565, die Nachrichten können Tag und Nacht abgefragt werden über die Tel.Nr.: 0561/15767

 

DER FERNSEHER BRENNT - WAS TUN?

Angenommen, ein Fernsehgerät läuft während der Festtage zur Jahreswende heiß und fängt an zu brennen oder der Bildschirm implodiert und das Gerät entzündet sich dabei (letztes Jahr um diese Zeit gab es allein in München 17 Fernsehbrände), wie verhalten sich in einem solchen Fall MedienexpertInnen? Zunächst den Netzstecker herausziehen, Tür und Fenster geschlossen halten, damit keine Sauerstoffzufuhr erfolgt und evtl. eine schwere Decke über das Gerät werfen. Danach die Feuerwehr verständigen. AUF KEINEN FALL MIT WASSER LÖSCHEN, denn das Gerät steht noch unter Hochspannung. Auch Löschversuche mit Feuerlöschern können deshalb gefährlich werden. (In diesem Zusammenhang bedauern wir, daß wir bei der Karikatur im letzten Infodienst 3/90, S.12 nicht auf die Gefährdung durch eine Implosion der Bildröhre hingewiesen haben).

 

STELLENANZEIGE

ID Informationsdienst - Zentrum für alternative Medien sucht

eine Journalistin/Soziologin oder einen Journalisten/Soziologen

Vergütung: BAT III, Arbeitsort ist Frankfurt, die Stelle kann ab sofort besetzt werden. Arbeitsgebiet: Dokumentation und Analyse der öffentlichkeitsrelevanten Aktivitäten und publizistischen Verarbeitung der Reaktorkatastrophe Tschernobyl.

Voraussetzungen: ABM-Berechtigung, Hochschulabschluß, Erfahrungen im Bereich "Alternative Medien" und einschlägige journalistische Praxis

Aussagefähige schriftliche Bewerbungen bitte an ID Informationsdienst - Zentrum für alternative Medien, z.H. Axel Weil, Hamburger Allee 45, 6000 Frankfurt 90, Tel.: 069/709935

 

FINANZIERUNG DES INFODIENSTES

Die Zahl der InteressentInnen hat zugenommen, die Mittel aus dem Haushalt der BAG Computer & Medien/DIE GRÜNEN für eine kostenlose Versendung des Infodienstes sind jedoch begrenzt (die Büro- und Redaktionsarbeit wird sowieso unentgeltlich geleistet). Das Erscheinen des vorliegenden Infodienstes (4/90) wurde u.a. durch die Spendenaktion 1990 gesichert und wir danken allen, die dazu beigetragen haben ! Diejenigen, die bisher noch nicht gespendet haben, bitten wir nochmal zu prüfen, ob sie nicht doch den Infodienst mitunterstützen wollen, denn sonst wird uns über kurz oder lang nichts anderes übrig bleiben, als den Verteilerkreis zu reduzieren (die SpenderInnen bleiben dann selbstverständlich mit drin).