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Ursprünge der Göttinger Band-Kultur
Interview mit Peter Hochberger alias Fin

Das folgende Interview fiel uns beim Durchstöbern des Archivs in die Hände, es entstammt dem seit längerem verblichenen Stadtmagazin "Hieroitzo" und wir veröffentlichen Teile daraus mit Genehmigung des Interviewten hier noch einmal. Darin wird u.a. die Entstehung einer Bandkultur ab 1964 in Göttingen beleuchtet. Ralph Otto und Detlev Vogt vom "Hieroitzo" hörten zu und stellten Zwischenfragen / kursiv).

fin3.JPG (27022 Byte) Fin - Seit ca. 1964 in der Göttinger Musikerszene auf der Bühne .

 

 

Foto: beim Altstadtfest 30.8.03, Bühne am Marktplatz - "Fin & The Band  Rock´n Roll" / Foto (c) goest

"Mein Ursprung, also meine erste Gruppe waren die Morlock Five, was zeitlich parallel zu den Original Blue Moons lief. (..) Wir hießen zwar »Five«, waren aber nur vier. Der Fünfte war halt der Geist oder auch der Manager. Im Vergleich zu den Orignial Blue Moons lief Ähnliches ab wie bei dem alten Streit »Beatles oder Stones?«. Die Blue Moons waren mittelständischer Herkunft, besaßen schon von vornherein eine fast optimale Anlage. Wir, die eher aus dem Arbeitermilieu kamen, mußten uns dagegen alles zusammenpumpen. Das war 1964, da war ich fünfzehn. Unsere ersten Auftritte in dem Sinne fanden in der "Walnuß" statt. Nach der Walnuß war's dann die »OldRanch«, später kam dann das »Plüsch«.Da waren ja früher nur Live-Konzerte, fast jeden Tag, da wurde eigentlich die Göttinger Szene aufgebaut. Schon als die Walnuß noch garnicht existierte gabs hier schon Beatmusik. Just als die Beatles, kurz danach die Stones in Deutschland rauskamen, fing hier die Beatmusik an. Es entwickelten sich die ersten Kellerbands und es gab die ersten Impulse in den Jugendfreizeitheimen. Dadurch. dass das Walnuß eröffnet wurd, die hatten da nen Keller und Übungsräume, legten die Leute los. Für DM 80,- pro Band und Abend bekamen dort viele ihre ersten Auftrittschancen.
Zu der Zeit gab es hier, will ich jetzt mal hochrechnen, so 24 bis 25 Bands, die alle nur Stücke nachspielten. Was gerade frisch auf den Markt kam, wurde nachgespielt."

*** Die Blue Moons haben doch sogar ,ne Platte gemacht

"Selber nicht. Sondern sie haben als Love & Tears »Needles And Pins« aufgenommen."

*** Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, ich hab nämlich zu der Zeit im Jugendraum Discjockey gemacht, waren die doch auch auf irgendeinem DeutschrockSampier drauf; da war Can auch drauf; und dann kam aufeinmal....

"Nee, nee, das war nur der Michalski, der von den Blue Moons kam, das heißt ganz früher von den Bine Moons, der ist ja dann ausgestiegen, dafür ist der Jaß eingestiegen, und der Jaß hat dann bei den Love &Tears gespielt, und hat später mit Michalski als Folk-Duo was gemacht. Hat mit den Blue Moons nix zu tun, glaub' ich. Das mit dem Sampler kann aber doch möglich sein, ja, »Mama« oder sowas. (Fragt seine Frau Elke.) Hatten wir nicht mal ,ne Platte mit Love & Tears, wo mit »Mama« irgendwas war? Vor Needles And Pins' oder wie sich das schimpft? Naja, die hatten dann also ihre Platte. Wir nicht"

*** Wie ging es dann nach Morlock Five bei Dir weiter?

"Morlock Five machten weiter und ich ging ja dann 1968 weg, nach München. Ich wollte einfach mal raus hier aus Göttingen. Da hatte ich dann eine Band - ansonsten hab' ich gejobbt - die nannte sich Freeball, auch so Kelleramateure. Wir hatten ganz schön viel Auftritte für damalige Zeiten. (...)."

Trostpreis eine Flasche Wein
"Dann kam ich also 1974 wieder nach Göttingen und  (...)  dann hab' ich hier angefangen im Nörgelbuff. Da gab es diese Spielstunden, und ich, der bis auf ein bißchen Rumklampfen keine Erfahrung mit akustischer Gitarre hatte, dachte mir: Singen kannste etwas, geh mal hin. Das war dann ein richtiger Schock für mich und die Leute, dass ich da reinschneite und denen so'n dreckigen Blues vorsinge. Die sind natürlich eher auf Folk abgefahren. Doch ich besaß tatsächlich einen Gönner, das war der Klaus Richter, der sich gesagt hat , Mann, da ist was drinne, der muß also immer spielen. Irgendwann habe ich da bei einem Talentwettbewerb mitgemacht und natürlich den Letzten gemacht. Ich hab von der Jury einen Trostpreis bekommen und zwar eine Flasche Wein.

 

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Fin im Nörgelbuff im Jahr 2000, 25 Jahre nach seinem ersten Auftritt im Nörgelbuff / Foto goest

Ich bekam schließlich die Möglichkeit, einrnal im Monat zu spielen. Damals waren's noch DM 40,- pro Abend oder sowas. Mein Programm war in der ersten Zeit sehr mit Skandal verbunden, weil die Leute das gar nicht so gut fanden. Die im Nörgelbuff ließen sich aber nicht beirren und haben gesagt ,Mach mal weiter.' Bis ich dann den George, also ich nannte ihn George Hampton..."

* Den Namen trägt er jetzt noch herum..."George hieß ja. »Die Krähe«..."
* . . burgerlich Achim Kellner oder so,.... du brauchst uns nicht zu er zählen, wie er damals zu seiner ersten Gibson kam...

, ...und Uli Turner, der Dicke am Schlagzeug. Der kam aus irgendeiner Band, die hatte ich mal gesehen, und daher kannte ich ihn. Das war also am Anfang die Fin-Band und spielte auch schon ganz eigene Sachen. Und dann kam der Slogan raus, wir müßten Punk spielen, was sehr simpel ist. Wir hatten durch englische Zeitungen, Melody Maker und so, schon den Einblick darin und meinten, das wäre doch genau das, was wir eventuell verfolgen, laß uns das durchziehen. Auf unsere selbstgemachten Plakate haben wir dann immer ganz groß raufgeschrieben Punk-Rock in Göttingen! Die Leute sagten: ,Mensch, Punk-Rock - was ist das denn?', und wir haben natürlich schön laut losgelegt. Irgenwann hießen wir danach Fin & Alleycats, weil die Jungs, besonders George, sich zu sehr in den Hintergrund gedrängt fühlten. 1978 waren die dann weg. Musikalische Zerwürfrijsse um mal amtlich zu reden. Ich war der Meinung, wir sollten mehr Blues machen, und Georg war eben derjenige, der überhaupt nicht auf Blues steht. Vielleicht konnte er es auch nicht. Ich habe daraufhin gesagt: ,Okay,· schaue ich mich nach was anderem um

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Altstadtfest 30.8.03, Bühne am Marktplatz, Fin & The Band, Rock ´n Roll / Foto: goest

"Hier D-Dur, in diesem Tempo vielleicht. .
"In der Zeit war auch wieder etwas mehr los in Göttingen. Es kamen Schulzrock aus Hannover, für meine Begriffe der erste Deutschrock hier. Bei deren erstem öffentlichen Auftritt, Altstadtfest 1978, kamen die auf mich zu, weil sie einen Sänger brauchten. Mit ihrem Deutschen kamen sie auch nicht genügend an in Göttingen. Außerdem traf ich den alten Drummer von Morlock Five wieder, Wolfgang Stemmer. Den mußte ich erstmal davon überzeugen, dass er nach acht Jahren Tanzmucke noch Rockmusik spielen kann. Den Olaf Giebe hatte ich mir auch noch rangezogen, als anderen Gitarristen den Ulus von Schulzrock, und Michael Zülsdorf am Baß. Das war nun also die Fin-Band in neuer Formation; den ersten Gig hatten wir natürlich im Nörgelbuff. Nachher kam Atze dazu, Gölsdorf, also noch'n Gitarrist. In der Besetzung spielten wir unter anderem für den HIERO ITZO, noch in der. Burgstraße, beim Altstadtfest.
Über meinen eigenen Stil, das, was Ich am besten kann, war ich mir auch klar geworden: Rock, Blues und grundsätzlich eigene Sachen.
Irgendwie hat es sich dann so er geben, dass viele Göttinger Musiker aus anderen Bands sich dazu anboten, mit mir mal was zusammen zu machen. (..)

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Altstadtfest 30.8.03, Bühne Marktplatz / Foto goest

* Stehen die so auf Dich oder machen sie's nur wegen des bißchen Geldes?

"Teils, teils. Bei den meistenGruppen, die hier spielen, was in Richtung Blues und Rock läuft, steht viel Konzeption und Arbeit dahinter; da wird einstudiert. Bei mir sieht das so aus, dass alles auf Session-Art abläuft.
Es wird nur vorgegeben, ,hier D-Dur, in diesem Tempo vielleicht'. Oder ,Spiel mal C-D-E'. Und sonst hat jeder die Möglichkeit, sich spontan zu profilieren speziell der jeweilige Sologitarrist. Vielleicht ist's auch das Rotzige, Direkte, Einfache, nicht das Verklemmte wie woanders."

* Texte weißt Du vorher auch nicht, oder?

"Nein"

* Kannst Du überhaupt Englisch?

"Ich würde sagen, ja. Meine Kunst ist eher die phonetische Aussage, weil Vieles, was da über's Mikro kommt, nur englisch klingt. Es gab da für mich eine Konzeption. Ich hatte mal zwei Jahre Kontakt mit Gunther Hampel, hab' für ihn etwas Papierkram, sagen wir ruhig »Management« gemacht. Und die Jazzer haben mich drauf gebracht, dass man eine Stimme auch als Instrument einsetzen kann. Mit dem Englisch, was ich kann, laß ich mich dann von der Atmosphäre inspirleren. (...)

* Ich fand immer dass Dein Auftreten auf der Bühne sich insofern von anderen Göttiegern unterschied, dass es weniger studentsch ...

"Das ist gut, das soll auch so sein. Ich wollte noch nie den intellektuellen Beat."
(...)
Wie lief das faktisch besetzungsmäßig nach der sagen wir mal Schulzrockphase' weiter?

"Ich operiere eben mit einem gewissen Stamm. Manfred Hammerschmidt von der Stunk-Band kam dazu, dann der Drummer von Short Bisquits, Rainer. Als Gitarristen Alex Gölsdorf und Andreas Bertels, Ex-Lazy Daisy und Second Hand Band. Im allgemeinen werden die Leute angerufen, wenn irgendwelche Gigs sind. Wenn die terminlich können, kommen die runter und spielen."

*Erzähi doch mal was aus alten Zeiten. Die Alley Cats und Du warst doch mal Vorgruppe bei Chicken Shack

"War sehr erfrischend. Ich kannte ja Stan Webb schon aus München, weil ich da mit Leuten zusammen war, die auch den Zirkus Krone Bau gemanagt hatten. So hatte ich natürlich Kontakt zur Bühne hin. Das war so'n Festival mit Gruppen wie Colosseum und T.Rex. Ich saß dann an der Theke, haute mir meinen Hot Dog rein, da saß der Webb daneben, ..
(...)

* Nochmal zu Deinen eventuellen Chancen. Derzeit wird doch soviel Deutsches unter Vertrag genommen...

,Ja, richtig, viele sagen ,Mach doch mal Deutsch!'. Ich persönlich, also, was man bei mir kritisierte, dass ich einen auf der Klatsche hätte, würde ich für mich persönlich sehen,wenn ich mit Deutsch ankäme und Dadäda oder Didado singen würde. Kohle hätte ich dann genug, aber da fängt für mich die Kopfmacke an.
Ich versuche mal, fein ausgedrückt, das Publikum zu unterhalten. Was ich machte, was wir machen, ist nicht der Anspruch von wegen ,Was wir können', denn wir können wirklich was, sondern ,Hier passiert was, das ist die Unterhaltung, zieht euch das rein'. Es wäre sicher keine Schwierigkeit, mich hinzusetzen, richtige Texte zu machen und philosophisch oder weltverbessernd aufzutreten, mit politischer Ansicht und so weiter. Ich könnte auch ohne weiteres in einem Liedchen dreieinhalb Minuten vier bis fünf Zeilen singen. Kann man alles machen, kann man alles lernen. Ich aber fühle mich als Person nicht kompetent genug, als großer Philosoph aufzutreten oder gar meine heilig geliebten Studenten noch zu bekehren. Stellt Euch mal vor Fin stellt sich jetzt mit dieser Show hin, dann noch reines Englisch, und dann noch philosophischer Anspruch mit Aufklärungsunterricht. Das wäre zuviel."

(Gekürzte Version des Interviews, die in der Ausgabe vom 12. Dezember 1982 des Hieroitzo (den es schon lange nicht mehr gibt) veröffentlicht worden war.

Mehr Infos und Kontakt: >> Fin-Band / Fin-Music  Folk, Pop & Rock, Blues, Email: P_Hochberger[at]web[dot]de

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