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Göttinger Stadtzeitung (GöSz)

1977-1985 herausgegeben vom "Verein zur Förderung kommunaler Meinungsvielfalt e.V.", damalige Auflage 1300 - Revival-Nummer "Best-of" im Mai 2004 erschienen. Die alten Ausgaben der Göttinger Stadtzeitung finden sich z.B. im Stadtarchiv Göttingen


2004 / Nach 18 Jahren trafen sich zum ersten Mal wieder ehemalige Redaktionsmitglieder der ehemaligen Göttinger Stadtzeitung zu einem Wiedersehen im Apex - alle waren nicht mehr ausfindig zu machen, und es konnten auch nicht alle zu einem Termin, aber immerhin kamen ca. 25 Leute zusammen - einfach so.

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damals ..... vor mehr als 20 Jahren - Diskussionswochenende ohne Heizung

Lebenswege der GöSZies
(ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
8 wurden Lehrer
1 wurde Tischler
4 arbeiten sozial
3 gingen nach drüben
8 gingen zum Rundfunk,1 davon zum Privatfunk
2 wurden Professor
1 war sogar mal Baudezernent
2 beraten Studenten
1 verkauft statt LPs jetzt CDs
1 schreibt Drehbücher,
1 ganz normale Bücher
1 macht immer noch Stadtzeitung (in einer anderen Stadt)
1 macht weiter im Internet (goest :-) )

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Bild: Sonderausgabe der Göttinger Stadtzeitung mit "Best-Of" -Artikeln aus der Zeit von 1977 bis 1985 originalgetreu hergestellt in der damaligen Lay-Out-Technik "Tippen-Schnippeln-Kleben- Fertig". Einige Exemplare gibts noch im Buchladen Rote Straße

Die Göttinger Stadtzeitung ist ein besonderes Stück Göttinger Pressegeschichte. In den 8 Jahren ihres Erscheinens von 1977-1985 war immer irgendein Haus besetzt, wurde der politisch korrekte Jahresurlaub auf einer Kaffeplantage in Nicaragua durchgeführt und war das Palästinensertuch obligatorisches Accessoir. Neben internationaler Solidarität ging es in der Stadtzeitung hauptsächlich ums Lokale, um Hausbesetzungen, Fahrpreise, ums Göttinger Trinkwasser und um Cadmium im Klärschlamm, um Kunstmarkt und Kinos, um ICE-Trasse und "B 3 neu" im planerischen Frühstadium, ums Panzerzielfeld, um alte und neue Nazis in der Region, um Kita-Plätze und um die Arbeitsbedingungen in Kneipen, Klinikum, Metallbetrieben und Kaufhäusern.

 

goesz1.JPG (25255 Byte)Bild links: Vor 20 Jahren - die Crew vom Dienst mit Schreibmaschine und einem beliebten Aufkleber der Göttinger Stadtzeitung, der sich heute noch auf einigen (kleinen) Autos finden lässt.

Von dieser Stadtzeitung wurden monatlich rund 1300 Exemplare mit 40 Seiten produziert und für je 2 Mark verkauft - alles selbstverständlich non-profit und ohne Bezahlung der Arbeit. Auch wenn Schreibe und Lay-Out aus Profi-Sicht einiges zu wünschen übrig ließen - auf Themenvielfalt und Recherche kann man heute noch stolz sein. Die Göttinger Stadtzeitung war ein echtes Stück Gegenöffentlichkeit mit Artikeln, die gründlich und teilweise undercover recherchiert wurden.

Lieblingsfeinde der GöSZies
(ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Briese, Bruno  lmmobilien-Tycoon
Busch, Kurt  OB, SPD
Dawe, Bauunternehmer und Vermieter
Göttinger Blick
Göttinger Tageblatt
Hiero ltzo - Stadtmagazinkonkurrenz
KKK - Kino König Krause
Knoke, Otto - Polizeichef
Kurth - Immobilien-Firma
Mogwitz, Gerd, Polizeichef
Rinck Gerd, Bürgermeister, CDU
Vieten, Rolf - OB, FDP

Die "Stadtzeitung" hat so manches heimliche Geschehen in Göttingen öffentlich gemacht oder näher ans Licht der Öffentlichkeit gezogen als die professionelle Presse. Ob es um miese Arbeitsbedingungen in Göttinger Unternehmen ging ob es die Lebensbedingungen in der Füchtlingsunterkunft ,,Hotel Astoria" waren oder ob es das bis dahin unkontrollierte und reichlich rechtsstaatsferne Gebaren des Göttinger Polizei-Aufklärungskommandos mit seinen bei uns ausführlich veröffentlichten Polizeifunkprotokollen in der Spurendokumentation "Spudok" war, das waren Themen die auch überregional Beachtung fanden. Ob im niedersächsischen Landtag oder in der Redaktion des "Spiegel" - Nachfragen gab es darauf viele. Unsere kleine Zeitung hatte damit im besten demokratischen Sinn eine Kontrollfunktion.

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Foto:goest
Nach 20 Jahren endlich wieder mal Büchertisch :-)

Aus Jux anlässlich des Treffens am 22.5.04 ein Revivalverkauf der Sonderausgabe

(jetzt noch einige Exemplar im Buchladen Rote Straße)

Auch szenebegrenzte Recherchen gab es. So konnte man frau bei uns lesen, wie es in einer der ersten Göttinger Männergruppen zuging oder wie die Sannyassins so auf dem Bhagwan-Schloss Berlepsch lebten.

In der Nummer 2/83 war ein Bericht zu lesen von zwei Redaktionsmitgliedern, die getarnt als Schwester und ihr Bruder die Göttinger Burschenschaft "Brunsviga" aufgesucht haben und die Frau erzählte, sie wolle angeblich ihren Bruder in eine Studentenverbindung einführen.

In GÖSZ, 11/1982 gab es den Artikel "Was tun, wenn die Sirenen heulen?" In diesem zweiten Beispiel des investigativen Stadtzeitungsjoumalismus wurde zu Zeiten des Kalten Krieges welche Möglichkeiten des privaten Atombunkerbaus existieren. Zwei Redakteure der "Stadtzeitung" besuchten als kurzfristig verlobtes, angeblich bunkerbauwilliges Paar mit verstecktem Mikro den Bundesverband für den Selbstschutz (BVS), der damals solcherlei Beratung anbot und besuchten auch gleich einen Bunker in Grone. Diese Dokumentation fand sich als Realsatire ganz ähnlich später in der Sendereihe "Fast wie im richtigen Leben" von Gerhard Polt wieder.

Der ICE war noch in der Testphase - die Schnellstraße B 3 neu von Göttingen Richtung Norden noch nicht gebaut Die Göttinger Stadtzeitung hat die Auseinandersetzunge um die Planung der Großprojekte ICE-Trasse und 8 3 neu mit ihren Folgen für Umwelt und Anwohner regelmäßig thematisiert - auch Buspreise, öffentlicher Nahverkehr und Radwege waren Themen unserer Verkehrsexperten.

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Göttingen Ende der 70er: Wohnraum ist knapp, die Mieten sind hoch. Spekulanten lassen Häuser leer stehen oder reißen günstige Altbauwohnungen ab, um sie durch lukrative Neubauten zu ersetzen. All das war regelmäßig Thema in der Göttinger Stadtzeitung - genauso wie die Reaktion: Besetzungen von privaten und öffenflichen Gebäuden wie den leer stehenden Altkliniken. Hier fanden aus Solidarität Redaktionskonferenzen der Stadtzeitung statt.

Foto aus dem "Stadtstreicher" dem Kalender der Stadtzeitung: Göttinger HausbesetzerInnen 1980 in AKtion - Kraaker Schule - Statt Prager Schule

Im September 1981 verzeichnet ein Interview mit Kommunalpolitikern folgende Sätze des heutige Rechtsdezernenten Wolfgang Meyer:
Wolfgang: "Ich muß dasswas richtigstellen. Wir haben von Anfang an die Hausbesetzungen unterstützt, den Einsatz von Gewalt jedoch von Anfang an entschieden abgelehnt"
Stadtzeitung: Der Anfang war das Reitstall ...  
Wolfgang: Ich meine jetzt die letzten Besetzungen  ..
."

goesz3.jpg (10991 Byte) Bild: Interview der Stadtzeitung 1981 mit Wolfgang Meyer SPD, Neubauer DKP, und Trittin (AGIL)

Ein anderes Interview 1985 mit Gerhard Schröder (damals SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in  Niedersachsen) beendete dieser mit den Worten "Was glauben Sie denn in welcher Form hier normalerweise Interviews gemacht werden?"
Es gab auch Interviews mit Jürgen Trittin (AGIL), Peter Paul Zahl und Erich Fried.

 

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