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Korruptionskandal in der Transplantationsmedizin

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Uni-Klinikum Göttingen

Skandal in der Transplantationsmedizin weitet sich aus 20.7.12

Da wird ein bereits mit Manipulationsvorwürfen vorbelasteter Arzt zum Leiter der Transplantationsmedizin am Uniklinikum Göttingen bestellt. Dann kommt eine anonymer Hinweis auf Manipulation in Göttingen und die Klinik trennt sich still von dem Oberarzt. Trotz dieser Vorgeschichte behauptete der Klinikumspressesprecher Stefan Weller "daß weder Bestechlichkeit, noch Verkauf von Transplantation oder Organen überhaupt das Thema sind. Es gibt keine Hinweise dadrauf daß da irgendwelche Korruption oder sowas gelaufen ist." Offensichtlich kam man nicht auf die Idee, daß auch strafbare Handlungen wie Bestechung vorliegen könnten und ließ den Arzt von dannen ziehen. Nun muß die Uniklinik zugeben, dass es wohl in 25 Transplantationsfällen Manipulationen gegeben hat.

Naive Annahme ging von Unmöglichkeit von Manipulationen aus

Im Nachhinein zeigt sich, daß die Sicherheit, mit der vorher Manipulationen ausgeschlossen wurden schlicht naiv gewesen sind. Die Behauptung, dass die Vergabe streng nach den vorliegenden Laborwerten die Bedürftigkeit beurteile hat einfach übersehen, daß die Vergabe natürlich durch die Manipulation der Laborwerte beeinflußt wird.

Aus gut unterrichteten Kreisen wird auch von folgender Manipulationsmöglichkeit berichtet, die wir nur ungefähr beschreiben können: Die Patienten müssen gewisse Voraussetzungen erfüllen, damit das transplantierte Organ nicht abgestossen wird. Wenn jemand die Voraussetzungen nicht erfüllt, die Erfüllung der Voraussetzungen aber vorgespiegelt werden, dann kommt der Patient schneller zu einer Transplantation. Wenn dann die implantierte Leber abgestossen wird, weil sie (wie vorher klar war) nicht passt, dann rutscht der Patient auf der Dringlichkeitsliste ganz nach oben und kommt dadurch schneller an eine passende Leber.

Immer noch unklar ob Geld floß ?

Es wird immer wieder einschränkend bemerkt, daß noch nicht klar sei, ob für die Manipulationen Geld bezahlt wurde, also Bestechung eine Rolle spielt. Wer aber soll das Risiko eine Manipulation auf sich genommen haben, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Und wenn die Kosten für eine Transplantation auf ca. 150.000 Euro (tagesschau) geschätzt werden, dann werden Multimillionäre auch 100.000 Euro auf den Tisch legen, um ihr Leben zu retten.

 

Skandal in der Transplantationsmedizin 3.7.12

// Der Skandal um Bestechung in der Transpantationsmedizin des Uniklinikums Göttingen zeigt, daß die Korruptionskontrollen offenbar unzureichend gehandhabt wurden. Denn der zwischenzeitlich verschwundene, verantwortliche Leiter der Göttinger Transplantationsmedizin war eingestellt worden, obwohl er schon früher bei unkorrekten Transplantationsgeschäften in Bayern aufgefallen war (Vgl.>>SZ-Artikel "Geld oder Leber" am 16.6.12 ). Entweder funktioniert das überregionale Aufsichtsssystem nicht oder die Einstellung erfolgte trotz Kenntnis dieses vorherigen Fehlverhaltens.

Klinikssprecher am 14.6.12: "keine Hinweise dadrauf, daß da irgendwelche Korruption oder sowas gelaufen ist." in einem >>Interview mit dem Stadtradio

Auffällig abwieglerisch äußert sich angesichts der schwerwiegenden Verdächtigungen der Pressesprecher des Klinikums am 14.6.12 in einem >>Interview mit dem Stadtradio . Irgendwas schien der Kliniksleitung jedoch nicht geheuer gewesen zu sein, denn das Klinikum trennte sich schließlich von diesem Arzt, nachdem ein anonymer Hinweis auf "Unregelmäßigkeiten" bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation eingegangen war. Der beschuldigte Arzt, so Pressesprecher des Klinikums, Stefan Weller im Stadtradiointerview, sei Ende 2011 "freigestellt" worden . Freigestellt, d.h. er wurde aus seinem Arbeitsbereich entfernt, nachdem in "gegenseitigem Einvernehmen" der Arbeitsvertrag aufgelöst worden war. Inzwischen ist immerhin die Staatsanwaltschaft in Braunschweig "wegen des Korruptionsvorwurfes" aktiv geworden ist und geht u.a. mit einer Hausdurchsuchung bei jenem Arzt den Vorwürfen nach. Weder der Arzt selbst noch sein Anwalt haben laut HNA bisher auf die Vorwürfe reagiert und ansonsten war der gegenwärtige Auftenthaltsort des Arztes nicht bekannt.

Trotz all dieser Umstände behauptet Klinikumssprecher Stefan Weller bei einem Stadtradiointerview: "daß weder Bestechlichkeit, noch Verkauf von Transplantation oder Organen überhaupt das Thema sind. Es gibt keine Hinweise dadrauf daß da irgendwelche Korruption oder sowas gelaufen ist." Einerseits meinte Weller im Interview, es müsse geprüft werden, was an den Vorwürfen dran sei, andererseits behauptet er schon jetzt, es gehe weder um Bestechlichkeit noch sonstwas obwohl die Ergebnisse der Untersuchung noch nicht vorliegen. Dass Weller grundsätzlich jedoch auch Abweichungen von der schönen heilen Welt für möglich hält, drückte er im Interview lediglich recht jovial mit dem Satz aus:"Die Medizin ist ein großer Wirtschaftsfaktor, keine Frage, es ist viel Geld im Kreislauf, da geht es nicht nur um Gutmenschentum...".

Korruption in Herzensangelegenheiten - Überteuerte Herzklappen

Vielleicht dachte er dabei an einen anderen Fall aus der Vergangenheit. Anlässlich der Einführung eines Antikorruptionsbeauftragten an der Göttinger Uni wies die Ärztezeitung am 20.7.07 noch einmal beispielhaft auf einen Korruptionsfall hin: Unter anderen waren auch Professoren am Uniklinikum Göttingen daran beteilgt, dass gegen die Annahme von Bargeld und Sachleistungen dafür gesorgt wurde, dass die Kliniken überteuerte Kerzklappen bestimmter Firmen bestellten.

Antikorruptionsbeautragter an der Uniklinik ohne volle Unterstützung

Leber- und Herzklappentransplantationen sind nicht die einzigen Baustellen des Antikorruptionsbeauftragten der Uni. In der Stabsstelle "Interne Revision" der Göttinger Universität ist >>Dipl. Oeconom Ullrich Ograbeck als Beauftragter für Korruptionsangelegenheiten auch für das Universitätsklinikum (UMG) zuständig. In einem Vortrag auf einer Konferenz der Medizintechnik 2009 nannte Ograbeck als Risikobereiche: Einkauf, Großgerätebeschaffung, Medizintechnik, Pharmazeugika, Bauen und technik, Drittmittel, Auftragsforschung, Spenden und Sponsering und meinte, das jährliche Umsatzvolumen von vielen Millionen Euro wecke da "durchaus Begehrlichkeiten" In Bezug auf seine Aufklärungsarbeit stellte er fest: "Beim Ärztlichen Dienst Abt Dir OÄ* [*Abteilungsdirektoren und OberärztInnen] gibt es erhebliche Zurückhaltung gegenüber den Kontaktversuchen des Antikorruptionsbeauftragten" [ >>Quelle pdf Folien des Vortrags

Einen Tag nach dem Erscheinen des goest-Artikels , am 4.6.12 war diese pdf-Datei plötzlich nicht mehr öffentlich zugänglich im Netz ] Das entscheidende Zitat lässt sich aber auch an anderer Stelle in leicht abgewandelter Form finden: >> Ärzteblatt 2009. : "In Veranstaltungen, bei Dienstbesprechungen und durch Vorträge wendet sich Ograbeck direkt an die Mitarbeiter und informiert über die Antikorruptionsrichtlinie. „Eine Berufsgruppe erreichen wir bisher aber leider nicht, zumindest nicht direkt: den ärztlichen Dienst, also die Chef- und Oberärzte“, erklärte der Compliance-Experte. Hier gebe es eine erhebliche Zurückhaltung."

Auch das Verhältnis zur Pharmaindustrie ist ein problematisches Feld

Welchen Einfluß haben z.B. Pharmaunternehmen, Pharmavertreter, Lobbyisten auf die verwendeten Arzneimittel und die "Versuchsreihen" die angeblich zu "Forschungszwecken" durchgeführt werden. Gerade bei Krebsmitteln geht es um viel, ja sehr viel Geld. "Weil es der Forschung dient" , so der Korruptionsbeauftragte der Uni, sei eine der häufigsten Bemerkungen die ihm bei seiner Arbeit begegnen - vermutlich dann, wenn die beteiligten Interessen an Medikamententests hinterfragt werden sollen. Studien, so der Antikorruptionbeauftragte laut Ärztezeitung vom 20.7.07, hätten ergeben, "dass im Gesundheitswesen in Deutschland mehrere Milliarden Euro nur für Beziehungspflege aufgewandt werden" und.. "Es wäre naiv anzunehmen, dass nicht auch das Göttinger Klinikum und die Medizinische Fakultät von Unternehmen aus der Gesundheitsbranche ähnliche Angebote bekommen.
Dies trifft sicherlich auch für den Bereich Medikamentenverwendung zu. Doch dies ist ein Thema für einen evtl. weiteren Artikel mit dem Thema "Pharmaindustrie - Beeinflussung der EntscheiderInnen auf dem Medikamentenmarkt".

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p.s.: Als weiteres Beispiel für die Verharmlosung von problematischen Ereignissen vergleiche auch den Fall "Chemieunfall im Klinikum"

und noch was Lustiges: bei der Suche "Korruption in Göttingen" kam folgendes raus, was wir auf der >Satireseite platziert haben

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