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"Gutingi" Lünemann-Gelände

> Denkmale / Historische Stätten in Göttingen
> Göttinger historische Keller
> Jüdisches Ritualbad in der Roten Straße

Gutingi-Ausgrabungen auf dem Lünemann-Gelände, Kurze Geismarstraße 26-30. Siedlungsfundamente, Gräber, Kloaken, Geschirr, Skelette und Pflanzenreste. Abschluß der Ausgrabungen Ende Oktober 2003. Infos:  Amt für Bauplanung/Denkmalpflege Betty Arndt, Tel.: 4 00-32 44 archaeologie@goettingen.de

Sondierungsgrabungen der Göttinger Stadtarchäologie auf dem Lünemann – Grundstück bildeten die Vorstufe für archäologische Untersuchungen vor der Überbauung mit einer Tiefgarage, wie sie das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz  vorschreibt. Dort liegen der Bereich des 953 erwähnten Alten Dorfes „gutingi“ Wallbefestigung sowie der rund 240 m² große Wirtschaftshof des Zisterzienserordens, des Walkenrieder Schäferhofs. Brunnen wurden nicht gefunden, dassdas Gehöft an dem kleinen Fließgewässer "Gote" lag, das mit dem Reinsgraben verbunden war und ungefähr im Bereich Rote Straße geflossen sein muß.

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Mitarbeiter des Grabungsteams in denAusgrabungsstellen und BesucherInnen auf dem Lünemanngelände am 14.9.03

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Ausgrabungsareal - am "Tag des offenen Denkmals" 14.9.03 (hinten links im Bild sind bereits wieder Erdhalden aufgeschüttet, wo vorher Gräber entdeckt wurden.) Andreas Ströbel, Leiter der Ausgrabungen erklärt die Funde (14.9.03)

Zuschrift einer Leserin 24.5.07 :
"Bin ich die Einzige, die sich daran erinnert, dass im Gebaeude von Luenemann ein mittelalterlicher Brunnen war? dasswar eine Abdeckung drueber - wenn ich mich recht erinnere aus irgendeinem festen Glas und eine Beschilderung, dass es sich eben um einen mittelalterlichen, schuetzenswerten (geschuetzten?) Brunnen handle. Ich erinnere mich gut daran: jedesmal gerne extra einen Umweg im Haus gemacht zu haben, um ihn mir wieder einmal anzusehen. Und ich weiss noch, dass ich mich gewundert habe, dass es genehmigt wird (wo doch in Deutschland Denkmalschutz meist ein großes Bauhindernis ist), dass dieser Brunnen von einem "Kaufland" überbaut und unsichtbar gemacht wird.
Hat das niemals Niederschlag in der öffentlichen Diskussion gefunden? Wäre das nicht wert, als weiterer Hinweis in die Dokumentation des Prozesses aufgenommen zu werden, als Hinweis darauf, dass gegen besseres Wissen hier wertvolle Stadtgeschichte vernichtet werden durfte?" (K.L.)

Tag des offenen Denkmals 14.9.03

Bereits zum ersten Termin um 10.30 Uhr waren ca. 60 Personen gekommen, um sich über die Ausgrabungsergebnisse zu informieren.

betty_arndt.JPG (6013 Byte) Betty Arndt von der städtischen Abteilung Bauplanung/Denkmalschutz und Die Göttinger Stadtarchäologin Betty Arndt ist in den Kreis der Mitglieder der „Society of Antiquaries of London“ aufgenommen worden. In der Fachwelt gilt eine solche Wahl als große Ehre und besondere Anerkennung wissenschaftlicher Arbeit. Die Gesellschaft, die 2007 ihr 300jähriges Bestehen feiert, setzt sich für die Förderung der Altertumskunde in Großbritannien und anderen Ländern ein. Die Wahl erlaubt es Betty Arndt als neuer „fellow“ der weltweit ältesten antiquarischen Gesellschaft, künftig hinter ihren Namen das Kürzel „FSA“ zu setzen. (Foto: 14.9.03 - bei der Besichtigung des Lünemanngeländes)

Winzige verkohlte Pflanzenreste wurden gefunden und von der Botanikerin untersucht. Gefunden wurde Roggentrespe, Kletten und Saatlabkraut, Kornrade, Einjähriger Knäuel, Roggen, Spelzgerste, Emmer/Dinkel, Saatweizen - so steht es jedenfalls auf den Etiketten des Ausgrabungsteams.

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Fundstücke Schale und Krug (14.9.03)

Viele Funde stammen aus Kloaken in denen sich zerbrochenes Geschirr und Unrat sammelte. Im Bild unten ein Mitglied des Grabungsteams beim auskratzen einer Kloake, deren Umrisse durch unterschiedlich gefärbten Boden deutlich erkennbar sind (Bild unten links)

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Überrascht waren die Archäologen als sie auch menschliche Skelette fanden. Es handelte sich um junge männliche Skelette, die keine Gewalteinwirkung auf den Knochen erkennen ließen. (Bild oben rechts). Herkunft der Skelette ist  noch nicht geklärt - vermutet wird ein Zusammenhang mit dem Kloster.

Reportage zum Tag der offenen Tür
von Jürgen Bartz , 10.4.03

"Die ältesten Keramikfunde stammen aus der Zeit des 7. Jahrhunderts erklärte Stadtarchäologin Betty Arndt anlässlich einer Besichtigung der Ausgrabungsstätte. Zu den wichtigsten Funden gehören ein Grubenhaus aus dem 9. Jahrhundert sowie die Reste einer alten Gerberei. In einer Kloakengrube stießen die Archäologen ein reichhaltiges Ensemble an hochwertigen Haushaltsgegenständen aus dem 16. Jahhundert. Den Fund von mehreren mit Glasfäden verzierten zylindrischen Gläsern bezeichnete Arndt als einmalig. Zu den Funden aus dem 7. und 8. Jahrhundert gehören unter anderem Keramikscherben, Kämme und verschiedene alltägliche Haushaltsgegenstände. Bernsteinfunde lassen auf Handelsbeziehungen zum Ostseeraum schließen."
1200 Quadratmeter Fläche wurden von den Archäologen bisher aufgegraben, mehr als 1600 Kubikmeter Erde wurden bewegt. Leiter der Ausgrabungen ist Andreas Ströbel: "Wir haben hier interessante B-Funde ausgegraben, das heißt ein Grubenhaus aus dem 9. oder 10. Jahrhundert, eine Arbeitshütte wahrscheinlich, ein kleines Fachwerkhaus, das in einer Grube gestanden hat, ferner haben wir eine Kloake gefunden um 16 hundert herum mit wunderbaren Keramik-, Glas- und anderen Funden, dann eine Gerbergrube."
An einer Stelle stießen die Archäologen sogar im wahrsten Sinne des Wortes auf eine Fundgrube - mit Haushaltsgegenständen unterschiedlichster Art.
Ströbel: "Also das ist eine Kloake, (..), dasshaben wir eben Keramik und Glas um 16hundert herum gefunden, ganz reiche Sachen also Glasfunde, die wir zum Teil noch gar nicht kennen. Das ist einzigartig was hier rauskommt. Das ist kein alltägliches Geschirr gewesen sondern das ist richtig feines Tafelgeschirr gewesen."
Bierkrüge, Rasierschälchen, Gläser, die Reste von getöpferten Döschen, all das fand sich in der Abfallgrube, darunter auch ein Fund, den die Göttinger Stadtarchäologin Betty Arndt als einmalig bezeichnet.
Arndt: "Also es sind diverse Stangengläser von einem Typus, den wir bisher nicht kennen. Das ist ein zylindrisches Glas mit einem gewickelten Fuß. Es hat Auflagen von so aufgelegten fetten Glasfäden. Das ist ein Typ, den wir sonst vergleichbar noch nicht kennen"
(
Auszüge aus einem Beitragsskript von Jürgen Bartz für das Stadtradio Göttingen vom 10.4.)