Haus der Kulturen: Serdar Somuncu

Vor ca. 150 BesucherInnen im Haus der Kulturen präsentierte Serdar Somuncu am 1. März sein "Programm" mit dem Titel "Bild lesen". Zuerst einmal schimpft und schreit er sich warm, beteuert, dass er auf nichts Rücksicht zu nehmen beabsichtige und vielleicht einige schockieren werde. Und dann beginnt er zu schimpfen und zu fluchen mit deftigsten Worten, redet sich in Rage, ausgreifend gestikulierend und laut. Nach dieser Einleitung kommt er zur angekündigten Sache: "Bildzeitung lesen".

Café im Haus der Kulturen - Veranstaltungsraum

Er will unvorbereitet spontan die Texte interpretieren bzw. ironisieren. Es fällt ihm schwer, meint er, bis abends noch keinen Blick auf die Bildzeitung geworfen zu haben, so dürfe er z.B. nicht bei der Tankstelle zur Kasse gehen, da liege die Zeitung direkt neben der Kasse und dann würde er die Schlagzeile sehen; er wolle aber völlig unvorbereitet die Bildzeitung abends aus einem Umschlag nehmen. Nun also nimmt er sie aus dem Umschlag, kaum hat er sie aufgeschlagen schreit er auf wenn ihn die eine oder andere Schlagzeile anspringt, faßt sich an den Kopf oder kippt beim Lesen schmerzgebeugt vornüber, weil er es nicht auszuhalten scheint, was da zu lesen steht.
Zwischendurch streut er Fakten wie z.B. Entwicklung der Auflage, Zahl der LeserInnen. Sehr gut demonstriert er im Laufe der Veranstaltung, wie die scheinbar getrennten Artikel quasi eine gemeinsame Linie verfolgen: auf Seite zwei zuerst eine Nachricht zur Zahl der Geburten, später das gleiche Thema auf der Witzseite. Er liest alles, auch Anzeigen, nur bei den Witzen winkt er nach den ersten beiden müde ab - anscheinend wird es ihm dann doch zu blöd.

Im Ankündigungstext hieß es "Nicht nur das barbusige Mädchen von Seite eins wird mit beißendem Humor kommentiert." In der Veranstaltung kommt das dann aber eher auf Bildzeitungsniveau: "Boooa hat die Möpse" ruft er aus und man fragt sich, warum er das macht - soll das den Bildzeitungsleser imitieren? Es ist schwierig auseinanderzuhalten, wann er vielleicht den Bildzeitungsleser imitiert und wann er sich als Serdar Somuncu durch ironische, satirische Interpretationen kritisch mit Stil und Inhalt auseinandersetzt.
Soll sein Ausruf "Verfickte Scheisse" befreite Rede und Tabubruch sein oder den Bildzeitungsleser imitieren? Es ist in jedem Fall dumpfe Brutalsprache. Mag sein, dass es dazu zu dient, sich in Rage zu reden und den Fluß der voll improvisierten Rede am laufen zu halten. Und so rührt sich kein kritischer Zwischenruf an diesen Stellen. Obwohl Somuncu geradezu darauf zu warten schien, dass eine Reaktion darauf aus dem Publikum kommt. Denn sowohl mit der Ton-Mischerin als auch mit Zwischenrufen nimmt er sofort Kontakt auf und entwickelt ein Zwiegespräch von der Bühne aus. Ein Zwischenrufer ganz anderer Art in den vorderen Reihen kam übrigens aus dem Lachen nicht heraus und rief gequält irgendwann "hör auf - bitte hör auf - ich kann nicht mehr".

Auszug Wikipedia: "Nach dem Studium der Musik, Schauspielkunst und Regie in Maastricht und Wuppertal inszenierte Somuncu seit 1985 mehr als 100 Theaterstücke und trat auch als Schauspieler auf. (...) "

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