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Stadtarchiv

CD-ROM Dokumentation mit Hitler-Rede präsentiert
Ausschnitt aus der Rede
Kontroverse zu der Veröffentlichung
> Zu einer ähnlichen Kontroverse um Hakenkreuze in Gemälden
> Rathaus und Hakenkreuz - Was bedeutet der Grundriss?

Stadtarchiv Göttingen, Hiroshimaplatz 4, Rathaus Nebengebäude, 2 Stock, 37083 Göttingen, Tel: 400-3122 Fax:0551/400-2764 stadtarchiv@goettingen.de Mo - Mi 8.00 - 15.30 Uhr , Do 8.00 - 18.00 Uhr , Fr 8.00 - 13.00 Uhr  , http://www-stadtarchiv.goettingen.de

CD-ROM Dokumentation mit Hitler-Rede präsentiert

Am 11.3.04 wurde die CD-ROM-Veröffentlichung des Stadtarchivs präsentiert: Die Wahlkampfrede Adolf Hitlers am 21. Juli 1932 im Kaiser-Wilhelm-Park mit Erläuterungen und Dokumenten. Der Leiter des Stadtarchivs Dr. Böhme betonte die Nutzung der CD ROM für den Unterricht in Schulen. Es handele sich um eine Standardrede Hitlers, die dieser bei seinem einzigen Besuch in Göttingen gehalten habe. Die Zusammenstellung und inhaltliche Gliederung der Materalien des Stadtarchivs erfolgte durch die frisch examinierte Historikerin Kerstin Thieler, die zu verwandten Themen gearbeitet hatte.

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Stadtarchivleiter Dr. Böhme,
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Links Kerstin Thieler, rechts im Bild Cordula Tolmien

Die CD ist erhältlich beim Stadtarchiv Göttingen für 15,-€. Die Frage warum das ganze nicht einfach ins Internet gestellt wurde, weil doch eh zu nichtkommerziellen Verwendungen das Kopieren des Materials erlaubt ist, wird mit der Finanzierung der technischen Bearbeitung beantwortet, die eine Refinanzierung über den Verkauf erforderlich mache. Allerdings wurde zunächst nur eine erstaunlich niedrige Auflage von 50 CDs hergestellt. Vielleicht auch deshalb, weil im Vorfeld der Ankündigung  der Göttinger DGB-Vorsitzenden Wertmüller die Veröffentlichung massiv kritisiert hatte.

Ein wenig Wirbel um die CD

Während der Präsentation wollte Herr Dr. Böhme nicht mehr auf diese Auseinandersetzung eingehen, es hieß, man habe "bereits alle Argumente ausgetauscht", Herr Wertmüller sei von Herrn Dr. Böhme zur Präsentation eingeladen worden, aber nun nicht erschienen.

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Historische Aufnahme während der NSDAP-Veranstaltung auf dem KWP-Platz

Der damalige Stadtarchivar 1932 meinte, die Wiese würde fortan "Hitlerwiese" genannt werden.

Es handelte sich um eine Rede während einer Wahlkampf-Rundreise Hitlers für die Reichstags-Wahl 1932

> KWP heute ..

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CD-ROM Präsentation in den Räumen der Prof. Schumann GmbH Weender Landstraße 23, wo die CD-ROM technisch erstellt wurde.

Im Bild links: Stellvertr. Geschäftsführerin Frau Schumann. Projektion: CD-Titelblatt, Foto von einem Blech- Anstecker mit dem Aufdruck "Hitlertag Göttingen 21.7.32"

Die Tonaufnahme befand sich ursprünglich in den Händen der Firma Caspari, die damals die Lautsprecheranlage für die Hitlerrede aufgebaut hatte. Die Aufzeichnung war auf sogenannten "Wachsplatten" erfolgt und von Herrn Caspari später zwecks Erhaltung auf andere Tonträger überspielt worden. Die CD-ROM dokumentiert die Rede, die Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung durch NSDAP und Stadtverwaltung, die Berichterstattung in der Presse und die Erinnerungen von Zeitzeugen,  ergänzt durch einführende und erläuternde Texte von Kerstin Thieler, Abbildungen von Aktenteilen, Tagebucheinträgen, alte Lagekarten des KWP, Polizeinotizen und Postkarten.

Ausschnitt aus der Transkription der Rede
Unbekannte Person [u.P.] "Der Führer des neuen Deutschland hat das Wort!"
["Heil!"-Rufe]
Hitler: "Wer hat vor mir gesprochen?"
[u.P.] "Dr. Frick"
Hitler: "Über was?"
[u.P.] "Wirtschaftspolitik und allgemeine Lage"
Hitler: "Es geht nicht. Ich versuche zu reden und es geht nicht"
Hitler: "Deutsche Volksgenossen und -genossinen! Sie werden selbst das Gefühl besitzen..." " Lassen Sie´s liegen (unverständlich) - Es geht nicht " (unverständlich) "Ich bitte um unbedingte Ruhe!"...  "Meine deutschen Volksgenossen und genossinnen."

Die Wahlkampf-Rede dauert 15 Minuten und die damals noch existierende und 1935 verbotene liberale "Göttinger Zeitung" titelte "15 Minuten Hitler" während das Göttinger Tageblatt damals in einer überaus positive Berichterstattung den Auftritt Hitlers bejubelte. Von 10.000 - 30.000 ZuhörerInnen im KWP ist in den Dokumenten die Rede, die in strömendem Regen die Rede hörten. Hitler legte demonstrativ den Schirm beiseite und hielt die Rede ebenfalls im Regen. Göttingen war "Braune Hochburg", während bei der Wahl 1932 im Deutschen Reich die NSDAP auf "nur" 37,4 % gekommen war, erreichte sie in Göttingen 51 %.

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Weiterhin Wirbel um Veröffentlichung einer CD-ROM des Stadtarchivs mit einer Dokumentation der Hitler-Rede in Göttingen

6.4.04 / Schon vor der Präsentation gab es harsche Bemerkungen, siehe weiter unten die Erklärung von Sebastian Wertmüller, die aber auch bei ausgewiesenen Gegnern der Hitlerzeit auf Unverständnis stießen. Anfang April 04 wurde die Kritik an der CD-ROM noch einmal in einem Artikel der VVN erneuert und in verschärfter Form zugespitzt. Dieser Artikel schließt mit dem Satz "Auch der Hinweis, dass anderswo ähnliche Reden im Handel erhältlich seien, ist doch eine Ausflucht vor der Tatsache, dass man sich beim öffentlichen Verkauf in die Reihen der "Hitlerredenverbreiter" einreiht." Und wegen einiger kritischer Äußerungen auf der CD-ROM zum Verhalten der KPD damals greift die VVN mit ihrer Kritik zwei Personen direkt an: "Offensichtlich hinderte hier ideologische Blindheit die Historikerin Frau Kerstin Thieler und den Archivleiter Herrn Ernst Böhme daran, eine gewissenhafte Forschung zu betreiben." (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund er Antifaschistinnen und Antifaschisten VVN-BdA Kreisvereinigung Göttingen Fax 0551 6337746, in >>Göttinger Blätter, April 2004 , Seite 3).

Inzwischen erschien dazu auch ein Artikel des Göttinger Journalisten Dr. Ulrich Kurzer in der Zeitschrift Freitag Nr. 15 vom 2.4.04 . Kurzer kommt in seinem Artikel zu einer anderen Wertung: "Wie denn anders, als auch unter Verwendung authentischer Originaldokumente kann Geschichte Schülerinnen und Schülern anschaulich "gemacht" werden? Im konkreten Fall ist beispielsweise gut zu hören, wie Hitlers Zuhörerschar in Göttingen jubelte - auch wenn nach 1945 die wenigsten davon noch etwas wissen wollten. So kann zum Beispiel die Frage nach der Massenbasis der NSDAP (oder weniger wissenschaftlich: die Frage nach dem Rückhalt in der Bevölkerung) vor dem Hintergrund der Lokalgeschichte behandelt werden: Warum war Göttingen so früh eine braune Hochburg, was war hier anders, was das Besondere?" und "Immer dann, wenn einem, wie im Fall der CD aus dem Göttinger Stadtarchiv, wieder einmal ein gelungenes Beispiel sorgfältiger Arbeit in die Hände fällt, ist man geneigt, für eine größere Offenheit, für einen freizügigeren Umgang mit derartigen historischen Originaldokumenten zu plädieren. Dient das der geistigen Auseinandersetzung im Rahmen von Bildung und Wissenschaft, befindet man sich zumindest rechtlich auf der sicheren Seite. Vielleicht könnte ein in diesem Sinne freizügigerer Umgang erheblich dazu beitragen, Legenden zu entzaubern."

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Anfang der Kontroverse zu der Veröffentlichung der Hitler-CD Rückblick vom 11.3.
DGB Pressemitteilung Nr. 2 vom 27.02.2004
Ankündigung von Hitler-Rede auf CD: DGB verwundert über Veröffentlichung d
es Stadtarchivs
Auf Erstaunen stößt beim DGB-Vorsitzenden Sebastian Wertmüller die Meldung, dass das Stadtarchiv Göttingen eine Hitler-Rede von 1932 (in Göttingen) als CD auf den Markt bringt. Wertmüller äußert sein Verständnis dafür, dass in historischen Dokumentationen Originaldokumente in Schrift, Bild und Ton eine große Rolle spielen. Aber die Ankündigung einer "Multimedia-CD mit einer Wahlkampfrede Adolf Hitlers" sprenge den dokumentarischen Rahmen: "Das ist schon Verkaufsförderung mit dem größten Verbrecher der deutschen Geschichte."
Wertmüller fordert das Stadtarchiv zu einer öffentlichen Erläuterung auf. Er wünsche sich einem sorgfältigeren Umgang bei der Verbreitung von Originaltönen aus der NS-Zeit bzw. der nationalsozialistischen Bewegung: "Ich kann nur hoffen, dass es sich tatsächlich um eine historische Dokumentation handelt, bei der die Ausschnitte aus der Rede Hitlers nur einen Teil ausmachen. Andernfalls wäre das Archiv gut beraten, den Verkauf gar nicht erst aufzunehmen."

Kritik stösst auf Unverständnis
Völlig unverständlich fanden die Vertreter des Stadtarchivs und auch Historikerin Cordula Tolmien (Siehe goest-Interview mit Tolmien über Zwangsarbeit) zeigte sich geradezu fassungslos über diese Kritik von Wertmüller. Man betonte seitens der Stadt, dass hier wichtiges Quellenmaterial gesichert wurde:
"Die Rede, die Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung durch NSDAP und Stadtverwaltung, die Berichterstattung in der Presse und die Erinnerungen von Zeitzeugen ermöglichen tiefe Einblicke in Propaganda, Politik und Psychologie der Nationalsozialisten und die Lage in Göttingen am Ende der Weimarer Republik. Um diese wichtige regionalgeschichtliche Quelle für die Zukunft zu bewahren, war es geboten, die Tonaufnahme zu digitalisieren und auf CD zu kopieren. Damit bot sich zugleich die Möglichkeit, sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich und vor allem für den Schulunterricht nutzbar zu machen." ( Quelle: www.goettingen.de ) Frau Tolmiens Reaktion Ende Februar wurde vom Stadtradio folgendermaßen beschrieben "In der Kritik von Wertmüller sieht sie eine unbegründete Schnellschussattacke, die auf Kosten der Mitarbeiter des Stadtarchivs gehe."

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