Startseite
redaktion@goest.de
Veranstaltungen
  Impressum

Containern

Containern?

Weggeworfene Lebensmittel essen soll strafbarer Diebstahl sein?

 

Vermeidung von Lebensmittelverschwendung strafbar

20.2.19 / Langsam dämmert es in Regierungskreisen. Das Problem wird unter der Überschrift "Lebensmittelverschwendung" diskutiert und fast jede/r sieht ein, dass diese zu vermeiden ein vernünftiges Ziel ist.
Wer nicht nur reden will, sondern hier und jetzt dagegen handelt indem er/sie weggeworfene Lebensmittel auf Verwertbarkeit prüft und verzehrt - z.B. durch Containern, soll nach Justizdenken bestraft werden. Dieser Unsinn sollte bald ein Ende haben.

 

Containern?

2012 erhielt die goest-Redaktion eine Kleinanzeigen-Mail in der es hieß: "hallo, suche jemand, der containern oder containerte lebensmittel tauschen will." Containern?? Gemeint waren die Abfallcontainer von Lebensmittelgeschäften, Supermärkten etc. in denen massenweise Lebensmittel zu finden sind, die eigentlich noch essbar wären.

Das Containern ist inzwischen zu einer Bewegung geworden, deren Mitglieder als Hauptmotivation die Kritik an der Lebensmittelverschwendung angeben. Dass es diese Lebensmittelverschwendung in einem irren-grossen Umfang tatsächlich gibt, wird inzwischen auch von Medien und PolitikerInnen aufgegriffen.

November 2013 gab eine "Europäischen Woche zur Abfallvermeidung" und die Göttinger Entsorgungsbetriebe machten am Marktplatz Werbung dafür dass weniger Lebensmittel weggeworfen werden sollen. Selbst das Bundesumweltministerium, der Verband Kommunaler Unternehmen rufen zu bundesweiten Aktionen gegen das Lebensmittelwegwerfen auf. Dabei soll aber vorrangig den privaten VerbraucherInnen ein schlechtes Gewissen gemacht werden, während die enormen Lebensmittelvernichtungen von Supermarktketten nicht thematisiert werden. Gerade da aber hakt die Container-Bewegung ein. (Die Rede ist von 15-20 Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall, darunter 500.000 Tonnen Brot und Backwaren).

 

Bestrafung für die Vermeidung von Lebensmittelvernichtung
Weggeworfene Lebensmittel essen soll strafbarer Diebstahl sein?

In der Nähe Göttingens (Witzenhausen/Eschwege) sollen drei Menschen Strafen von 13.500 € zahlen oder 3 Monaten Gefängnis gehen wegen Containern von Backwaren.

"Am 18. Juni 2013 gegen 23 Uhr wurde ein Auto mit drei Personen von der witzenhäuser Polizei angehalten. Im Rahmen der Allgemeinen Verkehrskontrolle beschlagnahmten die Beamt_innen alle im Auto mitgeführten Lebensmittel, wobei es sich hauptsächlich um unverpackte und unetikettierte Backwaren handelte. Obwohl es viele Gründe gibt, warum Menschen in ihrem Auto Lebensmittel mitführen, ist dies für die witzenhäuser Polizei nicht normal, sondern verdächtig. Die Beamt_innen erklärten den betroffenen Personen, dass gegen sie wegen Diebstahl und Hehlerei ermittelt werde.
Anfang September wurden den drei Personen Strafbefehle über insgesamt 13.500 € oder 9 Monate Knast zugestellt. Aus den Strafbefehlen geht hervor, dass der Geschäftsführer der witzenhäuser Tegut-Filiale Anzeige gegen die betroffenen Personen gestellt hat, da diese nicht mehr zum Verkauf gedachte Lebensmittel angeblich entwendet hätten. (...) Nun behauptet Tegut, ohne irgendwelche Beweise liefern zu können, dass die meisten Lebensmittel, welche sich im Auto befanden, von ihrer Filiale gestohlen wurden und eigentlich für die Tafel bestimmt gewesen seien.
">>Quelle

Am 25.1.14 Samstag, fand in Witzenhausen eine Demo statt bei der 150-200 Menschen gegen diese Kriminalisierungsversuche protestierten. Der Prozess sollte am 4.2.14 vor dem Amtsgericht Eschwege stattfinden und wurde dann aber verschoben auf den 20.2.14.

Freispruch !

Sowohl der Staatsanwalt wie der Verteidiger Sven Adam (Göttingen) als auch schließliche der Richter Dr. Alexander Wachter vom Amtsgericht Eschwege waren sich am 20.2.14 einig, dass die Angeklagten freigesprochen werden müssen. Allerdings erfolgte dieser Freispruch seitens Staatsanwalt und Richter nicht aus der Erkenntnis heraus, dass es straffrei bleiben sollte, wenn jemand weggeworfene Lebensmittel ißt. Vielmehr drehte sich alles um die Frage, ob ein Diebstahl vorgelegen habe - also im Zentrum stand die heilige Kuh des BGB, das Eigentum.

Der Freispruch durch das Gericht erfolgte aus Mangel an Beweisen: Es konnte nicht bewiesen werden, dass die Lebensmittel von der T-Gut-Filiale Witzenhausen stammten. Polizisten hatten bei ihrer "Fahrzeugkontrolle" Lebensmittel-Aufkleber mit der Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) als Hinweis gedeutet, dass es sich um gestohlene Ware aus dem Supermarkt handele.

Da eine Strafanzeige bei abgelaufener Haltbarkeit für T-Gut eine moralisch fragwürdige Position gewesen wäre, kam irgendjemand auf die Idee zu behaupten, die Lebensmittel seien nicht weggeworfen worden sondern seien für die Armenspeisung durch die Tafel vorgesehen gewesen.
Als Zeugin wurde eine ehemalige T-Gut-Filalleiterin befragt, die jedoch meinte, das Lebensmittel mit abgelaufenem MDH nicht an die Tafeln ausgeliefert werden. Und es sei auch nicht möglich mittels der Aufkleber nachzuweisen, dass die Lebensmittel aus dem Witzenhäuser Markt stammten.

Kommentar&Hinweis
T-Gut Witzenhausen (An der Bohlenbrücke) sollte mal grundlegend über den Umgang mit weggeworfenen Lebensmitteln nachdenken und deren Weiterverwendung ermöglichen.
Eventuell wäre es eine Möglichkeit über den T-Gut Kundenrat zu intervenieren.:'

"Seit 2009 gibt es den tegut… Kundenrat, dem inzwischen 200 Männer und Frauen aus dem ganzen Verbreitungsgebiet des Fuldaer Lebensmittelhändlers angehören. Häufig sind es Kunden, die sich mit tegut eng verbunden fühlen, aber auch durchaus kritisch sein können. Über seine oder ihre Stimme hat jeder Kundenrat die Möglichkeit, die Entwicklung von tegut zu beeinflussen. Nur so können wir als Unternehmen tegut… besser werden. Bei allen Treffen sind stets Mitglieder der tegut… Unternehmensleitung anwesend. Die Kundenräte kommen somit direkt mit der tegut… Geschäftsleitung ins Gespräch. (...) Wie kann ich Mitglied im Kundenrat werden? Falls wir Ihr Interesse für den tegut.Kundenrat geweckt haben und Sie sich anmelden möchten, oder wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich gerne an das Team des tegut. Kundenrats kundenrat(at)tegut.com oder postalisch unter: tegut.Kundenrat Gerloser Weg 72 36039 Fulda"

http://www.tegut.com/aktuell/einzelartikel/der-tegut-kundenrat.html

 

2016 Vortrag und Diskussion Containern

25.10.16 / Alternative Ernährung in Göttingen - Containern und Co.| 19 Uhr | Autonomicum Broschüre "Containern in Göttingen mit Anna und Arthur"

Jedes Jahr verschwindet ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel: Sie werden weggeschmissen oder gehen auf dem Produktionsweg aus verschiedenen Gründen verloren . In Deutschland schmeißt jeder Mensch im Jahr ca. 80 kg Lebensmittel weg . Gleichzeitig verhungert alle 5 Sekunden ein Kind unter 10 Jahren.Dieses krasse Paradoxon ist für viele Menschen ein Grund, sich über Ernährung, sowie über die Produktion der Lebensmittel Gedanken zu machen. Darüber hinaus gibt es jedoch noch viele andere Aspekte, die zu einer Reflexion über Ernährung im Allgemeinen führen können: Wo soll Nahrung produziert werden, wenn lange Transportwege häufig große C02- Emissionen zur Folge haben? Welche Nahrung soll produziert werden, wenn einige Lebensmittel (z.B. Fleisch) ethisch und umwelttechnisch fragwürdig sind? Wie soll produziert werden, wenn Monokulturen, Pestizide und Gentechnik Umweltschäden verursachen, gleichzeitig aber die Weltbevölkerung rasant wächst und effiziente Landwirtschaft auf begrenztem Raum notwendig erscheint? Und: Wie kann die Erfüllung des Grundbedürfnisses "Ernährung" gesellschaftlich geregelt werden, wenn die Mechanismen einer kapitalistischen Wirtschaft das massenhafte Wegwerfen von Nahrungsmitteln sogar lohnenswert machen?In unserem kleinen Vortrag im Rahmen der Alternativen O- Phase, wollen wir einige Aspekte dieser Fragestellungen aufgreifen. Vor allem sollen konkrete Anregungen zur alternativen Gestaltung der eigenen Ernährung in Göttingen gegeben werden: Containern, solidarische Landwirtschaft, Einkaufsmöglichkeiten und Möglichkeiten zum Essen gehen. Gerade weil ein unbewusster Umgang mit Ernährung weit verbreitet scheint, ist uns aber auch wichtig, die Hintergründe der alternativen Konzepte etwas zu erläutern. Außerdem soll nach dem Vortrag bei einem Tee oder einem Bierchen Raum für Austausch und Diskussion zu diesem Thema geboten werden.

 

zum Anfang