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Freiwilligen-Arbeit

2003: Projekt: Gemeinwohlarbeit - Öffentlicher Beschäftigungektor
2014: Bezahlte Pfarrer durch unbezahlte Beerdigungsleiter ersetzen
2005: Caritas-Agenturen für 1 Euro-Jobs
2005:
Arbeitslose gegen Caritas : Offener Brief der GALG
Caritas bittet um Spenden, um damit 1 Euro-Stellen einrichten zu können !
1998: Freiwilligenzentrum( = Zentrum für unbezahlte Arbeit)

>> Homepage Freiwilligenzentrum Göttingen
>> Verzeichnis Freiwilligenagenturen


1998: Freiwilligenzentrum (=Zentrum für unbezahlte Arbeit)

BONUS Freiwilligen-Zentrum Göttingen ist ab Juli 2014 , zusammen mit SozialstationGöttingen-Gleichen, Seniorenservicebüro für die Stadt Göttingen in der Caritas Sozialstation Maria-Montessori-Weg 4 37073 Göttingen Tel.:0551-705713 Fax.: 0551-7702989a bonus@caritas-goettingen.de

Die Caritas möchte Arbeitskosten in ihren sozialen Betrieben sparen und würde gerne mehr "Ehrenamtliche" einsetzen. Deshalb hat die Caritas eine Werbeagentur für Umsonst-Arbeiten gegründet: Das "Freiwilligen Zentrum"

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Ehemals Sitz des Freiwilligenzentrums in der Nikolaistraße. Jetzt ist der Weltladen darin.

Schon damals war absehbar, dass man alles versuchen wird, einen Billiglohnsektor bzw. einen Umsonst-Lohn-Sektor zu schaffen. Inzwischen sahen wir , wie sogenannte 1-Euro-Jobs als Zwangsmaßnahme durchgesetzt wurden und später "Bürgerarbeit" eingeführt wurde.
Die Caritas hatte am 15.6.98 ein "Freiwilligenzentrum" in der Nikolaistraße Nr. 10 eröffnet. Der Begriff ist neu, aber es geht nach wie vor darum dass Leute Arbeiten ohne dafür Geld zu bekommen Als das "Freiwilligenzentrum" mit dem Namen "Bonus" 1998 eröffnet wurde waren wir beim Pressegespräch anwesend und haben kritische Fragen gestellt.

Pressegespräch 3.7.98
Neue Instrumente des Zwanges zur "Freiwilligkeit"

Die Verbände, Vereine und sonstigen Organisationen, insbesondere die professionellen Hilfsorganisationen stellen einen Rückgang der Bereitschaft zur Übernahme "ehrenamtlicher" Tätigkeiten fest. Kein Wunder, die Arztehefrau, die materiell gut versorgt den Tag gelangweilt zuhause verbringt und davon träumt etwas gesellschaftlich Sinnvolles zu tun ist eben doch die Ausnahme.
Das Freiwilligenzentrum hat den Auftrag, Werbung für eine Neubewertung der unentgeltlichen Arbeit zu machen. Regenhardt hätte gerne, dass da ein bißchen mit Druck nachgeholfen wird und meint: In anderen Ländern wird schon auch beim Berufseinstieg oder beim Studienbeginn geguckt, was haben die vorher "im Vorfeld an ehrenamtlichem Engagement geleistet". Man denkt auch an die Ausstellung eines Ehrenamtlichenausweises in dem auch festgehalten wird, wieviele Stunden gearbeitet wurden.

Caritas-Chef Bertil Holst: Die soziale Arbeit ist angewiesen auf ehrenamtliche Arbeit, aber die Bereitschaft sich ehrenamtlich zu engagieren stagniert und es ist schwer neue Leute zu finden. Deshalb soll versucht werden, auf neue Weise Leute zu finden.
Ralf Regenhardt: pro Jahr wird im Sozialbereich gemeinnütziger Arbeit im Wert von  5,3 Mrd DM erbracht. In der BRD werden monatlich 240 Milllionen Stunden unentgeltlicher freiwilliger Arbeit in Vereinen und im Sozialbereich geleistet. In den freien Wohlfahrtsverbänden leisten ca. 1,5 Millionen Menschen ehrenamtliche Dienste. Meistens sind die Ehrenamtlichen im Sozialbereich aber zwischen 50 bis 70 Jahre alt, 14 % sind sogar älter als 70 Jahre alt. Und nur 1 % ist jünger als 30 Jahre. Das Freiwilligenzentrum soll nun für die unentgeltliche Arbeit in den Bereichen "Soziales, Kultur, Umwelt, Sport und Bildung" Werbung machen, Freiwillige finden und eine Vermittlungsagentur mit Datei werden. Im persönlichen Gespräch sollen die Leute nach ihren Interessen, persönlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten durchleuchtet und erfaßt werden. (Hört sich irgendwie nach einer Art Arbeitsamt-Vermittlung an, nur, dass es dafür kein Geld gibt

freiwill2.jpg (8380 Byte) Pressegespräch im Freiwilligenzentrum, Nicolaistr. 10, am 3.7.98, v.l.: Bertil Holst, Geschäftsführer des Caritasverbandes Stadt und Landkreis Göttingen, Sitz Duderstadt, Ralf Regenhardt Caritas/Göttingen, Elisabeth Alberty ABM-Stelle / Freiwilligenzentrum

Kritische Nachfragen von uns

1.) Finanzierung?
Antwort
: a) Mittel aus der Glücksspirale und aus Mitteln des Arbeitsamtes (= ABM-Stellen) - bislang ist nur die Diakonie beteiligt.

2) Werden wirklich keine bezahlten Stellen dadurch verhindert?
Antwort
: darauf müssen wir achten, aber das ist immer eine Gratwanderung. .Z.B. im: Altenheim vorlesen, dafür haben die Pflegekräfte gar keine Zeit. In die Bereiche, mit denen Geld verdient wird, vermitteln wir keine Leute. Die Firmen müssen genau beschreiben, für welche Tätigkeit die Freiwilligen eigesetzt werden sollen. Jugendarbeit ist z.B. grundsätzlich ehrenamtlich. Die Überprüfung ist schwierig, wir telefonieren halt regelmäßig.

3.) In Berlin gibt es als Ersatz für die Bezahlung einen Dankeschöntag, soll so etwas auch in Göttingen eingeführt werden?
Antwort:
In 14tägigen Abständen soll ein Cafetreff angeboten werden. Und beim "Nationalen Tag des Ehrenamtes werden wir Dankeschön sagen."

4.) Frage: Besteht die Absicht, die Firmen vor Ort zu bitten, Leute für die ehrenamtliche Arbeit unter Weiterzahlung der Bezüge freizustellen?
Antwort
: Lachen. Wir müssen ja nicht alles von Amerika übernehmen...
(Redaktionelle Bemerkung: Ja das kann er sich nicht vorstellen der Herr Regenhard vom Cariatasverband, denn da stellte sich die Frage, ob der Caritasverband als Arbeitgeber Leute auf bezahlten Stellen für "freiwillige" Arbeit freistellen sollte wo sie doch eigentlich unbezahlte Kräfte für Arbeitsaufgaben einsetzen wollen für die sie wiederum Geld bekommen)

Nachtrag 2014: 2014 lesen wir auf der Homepage: Wenn sich einzelne Führungskräfte, Arbeitsteams oder sogar ganze Belegschaften von Unternehmen zeitlich begrenzt außerhalb des Kerngeschäfts gemeinnützig engagieren, profitiert nicht nur das Gemeinwesen, sondern auch der eigene Betrieb. Je nach Ausgestaltung des Projekts kann Corporate Volunteering sowohl als Instrument zur Personalentwicklung als auch zur Förderung der Unternehmensidentität eingesetzt werden. Das FWZ vermittelt zwischen Unternehmen und dem Non-Profit-Bereich.

5.) Kann eine Arbeitsloseninitiative diesen Raum hier nutzen, um im Rahmen ihrer "Selbstfindung" Protestaktionen gegen die Arbeitslosigkeit vorzubereiten?
Antwort
: Unverständnis (auch nach dreimaligem Versuch, die Frage deutlich zu machen)
(Redaktionelle Anmerkung:
Tja, das zeigt, dass die Definition von "gesellschaftlichem Engagement" leider doch nur recht funktional entlang der Interessen des Caritasverbandes vorgenommen wird. Dagegen würden wir vorschlagen: Zukunftswerkstatt, Forum, Zusammenkünfte, Selbsthilfegruppen, Initiativen. Der Raum im Freiwilligenzentrum soll für Treffen von politischen Initiativen gegen Armut, Sozialabbau und Arbeitslosigkeit zur Verfügung gestellt werden.

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Gemeinwohlarbeit - Öffentlicher Beschäftigungs Sektors (ÖBS)

Dienstag, 25.11.2003 berichtete Wirtschaftswissenschaftler Dr. Axel Troost (Progress-Institut für Wirtschaftsförderung Bremen) Geschäftsführer der Memorandumgruppe, über das in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführte Unternehmen "Gemeinwohlorientierter Arbeitsförderprojekte" (GAP).
Unter der SPD-PDS-Landesregierung waren in der Region Rostock ein Versuch zur Minderung der Arbeitslosigkeit unternommen worden: Durch die Schaffung öffentlich geförderter Arbeitsplätze, deren Tätigkeiten am Gemeinwohl orientiert waren. In 112 Projekten wurden 500 ArbeitnehmerInnen untergebracht, wovon zwei Drittel über 50 Jahre alt und 60% Frauen waren. Man wollte gesellschaftlich nützliche Arbeit organisieren, ohne dadurch andere bezahlte Arbeitsstellen zu ersetzen.
Das Geld für die Löhne kam damals vom Land (47 %) vom Arbeitsamt (44 %) von den jeweiligen Projektträgern 7 %, aus kommunalen Mitteln ein kleinerer Betrag von 200.000 Euro. Aber auch die NutzerInnen der Leistungen die von den Projekten erbracht wurden sollten kleine Beiträge zahlen.
Beteiligte Träger waren Vereine, Ämter, Verbände, die Projekte liefen in den Bereichen Soziales, Jugend, Integration, Selbsthilfegruppen, Touristik und Umwelt. Das Spektrum der Beteiligten war äußerst breit, es reichte von Gewerkschaften bis Arbeitgeberverbänden, von Selbsthilfegruppen bis Kirchen, Industrie- und Handelskammer bis Integrationsgruppe.
Die Finanzierung eines solchen Projektes ist heutzutage schon nicht mehr denkbar, da überall Gelder gestrichen werden, aber was von dem Projekt zu lernen ist, das ist das Organisationsmodell, das sind die Erfahrungen mit der öffentlichen Diskussion um die Zielbestimmung für "gemeinwohl orientierte Arbeit" und die Erfahrung, dass das dann auch klappen kann.
Im Fall des Consièrge-Projektes (Wohnblockbetreuung) wurde ein derart dringender Bedarf gedeckt, dass das Projekt auch nach dem Auslaufen der Finanzierung vom Träger der Maßnahme (Wohnungbauunternehmen) weitergeführt werden mußte, weil die Leute in den Wohnblocks das vehement verlangten. Eigentlich müßte für die Verteilung der kommunalen Mittel insgesamt in jeder Kommune eine solche Beteiligungsdiskussion darüber laufen, wie die vorhandenen Mittel "gemeinwohlorientiert" ausgegeben werden können.

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Axel Troost (>>Geschäftsführer Progress Institut für Wirtschaftsforschung PIW (Bremen) und Geschäftsführer Momorandumgruppe) und Sandra Kotlenga (Instruments & Effects) am 25.11.03 im Apex

mehr infos über GAP, u.a. Machbarkeitsstudie und Zusammenfassung von Troost unter >>http://www.memo.uni-bremen.de/memofor/gap.htm

 

Arbeitsverhältnisse bei Kirchen

> Arbeitsverhältnisse der Diakonie 2013
> "Laienhelfer": Mit Tricks zum Billiglohnsektor
> Lohnforderungen im Christophorushaus Göttingen gegen Diakonie 2009

Intro

Die Kirchen vernebeln des öfteren die Realität durch Reden und verstecken dabei handfeste Machtinteressen oder ökonomische Vorteilsabsichten hinter frommen Reden. In der Auseinandersetzung mit ihren Beschäftigten nutzen sie das spezielle Arbeitsrecht für Kirchen mit dem Hinweis darauf, dass es hier schließlich um eine christliche Tätigkeit ginge. Streik soll deshalb verboten sein und das Betriebsverfassungsgesetz Betriebsräten Mitspracherechte garantiert soll auch nicht gelten. Doch es geht noch schlimmer: Bei dem Versuch die Leute zu Arbeit ohne Bezahlung zu motivieren wird sinngemäß und geradezu satirisch formuliert: "Arbeit ohne Lohn lohnt sich" - in der Vernebelungsfassung: "Ehrenamt lohnt sich" . Für ein "Dankeschön" kann sich niemand was zu essen kaufen. Der Zynismus erinnert uns an die Sequenz in einem Film von Godard: Ein Mann sieht einen Münzautomaten, der nicht erkennen lässt, was damit zu kaufen ist. Er wirft Geld ein und zieht die Metallschublade. Darin liegt nichts weiter als ein Zettel. Darauf steht "Dankeschön".


2014: Bezahlte Pfarrer durch unbezahlte Beerdigungsleiter ersetzen

2015 soll in Göttingen ein Kurs der katholischen Kirche für "ehrenamtliche" unbezahlte Beerdigungsleiter stattfinden. In Hannover und >>Duderstadt gibt es das bereits.
--- Beerdigungsleiter suchen die Trauerfamilie auf und führen das Trauergespräch
--- Er/Sie bereitet die gesamte Trauerfeier vor und führen sie selbstständig durch
--- Er/Sie vollzieht das Ritual der Bestattung auf dem Friedhof

Ein Artikel der Caritas dazu schließt mit dem frommen Satz: "Was können Sie, liebe Leser für uns tun? – Schließen Sie uns alle in Ihr Gebet mit ein und berichten Sie von unserem Dienst am Nächsten in der Gesellschaft. Dankeschön!"


2005: Caritas-Agenturen für 1 Euro-Jobs

Zuerst eröffnete die Caritas 1998 in der Nikolaistraße ein "Freiwilligenzentrum" in dem unbezahlte Arbeitskräfte vermittelt werden. Anfang April wurde nun bekannt (**), dass die zur Caritats gehörende "Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (IDA)" deutschlandweit 15 Agenturen eröffnen will um Leute auf 1 Euro-Jobs im Sozial- und Gesundheitsbereich zu bekommen. Sabine Schumacher von der IDA: Die Agenturen sollten als Arbeitgeberberatung für die Betriebe vor Ort fungieren, "Wir wollen ermitteln, wo es vor allem im Gesundheitswesen, aber auch in Industriebetrieben Einfachsttätigkeiten gibt, die von Ein-Euro-Jobbern übernommen werden können." Die Caritas-Agenturen sollen mit ihrer Arbeit am 1. Juli beginnen.(** Quelle: 31.3.05 , Der Tagesspiegel [Pressemappe] Berlin / ots)
Zusätzlich zu Miete, Wohngeld und weiteren Zuweisungen bekommen Langzeitarbeitslose, die eine solche Arbeit annehmen, ein bis zwei Euro pro Stunde. Wer sie beschäftigt, erhält eine Pauschale für Lohnkosten und Verwaltung. Dadurch kann Ersatz für Zivildienstleistende gefunden werden, die immer weniger zur Verfügung stehen. Arbeitslose müssen die 1 Euro-Jobs annehmen, sonst wird ihnen die Leistung gekürzt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband peilt 3000 solcher Jobs an, die AWO rechnet in ihren Einrichtungen mit 2500 solcher Jobs, z.B. in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in der Altenpflege. Das Rote Kreuz will Billig-Jobs in der stationären Altenpflege nutzen, weil die Hauptamtlichen dort wegen der Kürzungen bei der Pflegeversicherung die Arbeit nicht mehr schaffen.


2005: Caritas bittet um Spenden, um damit 1 Euro-Stellen einrichten zu können

Arbeitslose gegen Caritas Thema: 1-Euro-Jobs und würdiger Umgang mit Arbeitslosen
Offener Brief der GALG (Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe Göttingens) an den Caritasverband für Stadt und Landkreis Göttingen e. V. vom 07. April 2005.

An den Caritasverband für Stadt und Landkreis Göttingen e. V. Schützenring 1 37115 Duderstadt

Sehr geehrte Damen und Herren der Caritas,
am 24. Februar 2005 haben Sie einen Spendenaufruf an ausgewählte Adressaten (wahrscheinlich frühere SpenderInnen) in Stadt und Landkreis Göttingen versandt. Auf den ersten Blick kein unge-wöhnlicher Vorgang. Es geht darin um das Schicksal einer 51jährigen Einzelhandelskauffrau, die keine Arbeit mehr fand und deshalb zur Altenpflegehelferin umschulte. Soweit ist alles nachvollziehbar. Nun wird es aber erst unklar und dann merkwürdig.
Frau M. (so nennen Sie die Betroffene) beklagt sich darüber, dass sie nicht genug Zeit für das Gespräch mit Heimbewohnern hatte und so nicht mit den alten Menschen arbeiten konnte. Dem entnehmen wir, dass sie Altenpflegehelferin war und in diesem Beruf mit dem Problem des Zeitdrucks nicht klarkam (was sicher eine berechtigte Kritik ist) und erneut eine andere Arbeit sucht. Aber welche? Sie schreiben, dass Sie diese Erkenntnisse aus einem Bewerbungsgespräch mit Frau M. um einen 1-Euro-Job bei Ihnen gewonnen haben. Danach betonen Sie, dass Frau M. für Sie keine billige Arbeitskraft sein soll. Sie wollen ihr die Chance auf einen beruflichen Wiedereinstieg verschaffen. Dabei seien Sie sehr engagiert. Sie führten Gespräche, leisteten eine intensive Anleitung und gezielte Förderung. Denn nur so machten 1-Euro-Jobs Sinn.
Wir halten hier als Betroffene, die sich mit dem Entstehen und dem Hintergrund dieser 1-Euro-Jobs permanent auseinandersetzen, gleich mal fest: 1-Euro-Jobs machen so gut wie nie einen Sinn für die, die Sie ausüben müssen! Sicher aber für viele, die Sie anbieten. Interessant ist auch noch, dass...

..sie sehr exakt errechnet haben, dass Sie diese intensive 1-Euro-Job-Betreuung 30 Euro pro Woche je Job kostet. Diese 30 Euro möchten die angeschriebenen Personen denn doch bitte auch spenden.

Würde das Ganze nun so mit der ersten Seite aufhören, würden wir zwar unsere grundsätzlichen Ein-wände haben und auch anzweifeln, dass für 30 Euro die Woche jemand intensiv für einen beruflichen Wiedereinstieg vorbereitet werden kann. Auch wenn sie 100 Euro errechnet hätten, es gibt keine Arbeitsplätze. Und daran ändert auch ihre intensive Betreuung nichts! Aber damit wäre es dann gut. Ihre Beteuerung, dass sie keine billigen Arbeitskräfte suchen, bliebe halt so stehen. Das verhindern Sie nun aber selbst. Denn auf der Rückseite steht noch sehr viel Interessantes.
Zunächst noch zu Frau M. Die hat nun ein viel besseres Selbstwertgefühl, weil sie wieder gebraucht wird. Das kann so sein. Aber was macht sie nun? Sie organisiert die ganze Kleiderkammer (wohl in einem Ort). Tja. Ist das ein Beruf? Wird ihr das helfen, einen anderen Beruf, eine andere Arbeitsstelle zu finden? Welche? Darüber lesen wir nichts bei Ihnen. Das haben Sie sicherlich nicht nur vergessen. Dazu gibt es einfach nichts zu schreiben. Irgendwann steht dann auch nur noch da, dass es die Chance für einen Wiedereinstieg ist. Ist das alles bis hierhin schon verlogen und verbogen, so werden die Dimensionen der Heuchelei aber klarer, wenn es dann heißt, ....

dass Ihr Bistum Hildesheim 2005 stolze 500 1-Euro-Jobs schaffen will (und in den nächsten Jahren noch mehr!).

Klar, es gibt schon eine ganze Reihe von Kleiderkammern, die besetzt sein wollen. Was würde Sie das kosten, wenn Sie es regulär bezahlen müssten? Sie beteuern auf diesen beiden Seiten auffällig oft, dass Sie nur Gutes tun und ganz bestimmt keine billigen Arbeitskräfte haben wollen. Für uns ist das Gegenteil klar. Und wenn sie dann noch von der wiederhergestellten Würde der Betroffenen sprechen, wird uns schlecht. Es sind noch zwei Tatbestände wert, besonders erwähnt zu werden:
a) Sie schreiben mehrfach, dass ja auch die 200 Euro zählen, die so jeden Monat mehr in der Haushaltkasse von Frau M. und allen anderen 1-Euro-Jobbern wären. Wie kommen die denn zustande? In der Regel ist im Sozialgesetzbuch II vorgeschrieben, dass nicht mehr als 30 Stunden pro Woche in einem 1-Euro-Job gearbeitet werden soll. Das macht dann ca. 120 Euro. Selbst bei einer 40-Stunden-Woche höchstens 160 Euro. Wie lange muss die arme Frau M. eigentlich ihr Selbstwertgefühl in der Kleiderkammer erhöhen, wenn sie die von Ihnen angepriesenen 200 Euro mehr zum Leben haben will. 200 Stunden. 200 Stunden schuften und statt einer anständigen und somit wirklich würdevollen Bezahlung mit einem lumpigen Euro in der Stunde abgefunden werden: ja, das ist sozial und menschlich. Bravo, Caritas!
b) Eines fiel uns noch besonders unangenehm auf: Die volle Formulierung in einer Aufzählung heißt: "Ein 1-Euro-Job bietet arbeitswilligen Arbeitslosen die Chance auf 200 Euro mehr Geld zum Leben". Die "Arbeitswilligen". Aha. Nein, dem/der Schreiber/in ist in diesem Moment nicht durch den Kopf gegangen, dass die meisten Arbeitslosen in der Regel doch selber schuld sind, weil sie ja faul und arbeitsunwillig sind. Er/sie hat sich überhaupt nichts Böses dabei gedacht, stimmt es? Bloß, warum steht es dann da?? Mit dem bunten Bild einer aufgeräumten Kleiderkammer und mehreren Porträtfotos der intensiven Betreuer aus Ihren eigenen Reihen bekommt ihr Spendenaufruf auch nicht mehr das, was er vorgibt, zu haben: auch nur die Spur von Seriosität im Umgang mit Arbeitslosen. Sie wollen billige Arbeitskräfte.

Schlimmer noch, sie wollen auch noch angebliche (oder tatsächliche, das macht es nicht besser) Betreuungskosten durch Dritte tragen lassen.

Wir können nur hoffen, dass der Spendeneingang hierzu niedrig geblieben ist und Ihnen versichern, dass wir auch auf zukünftige Aktionen Ihrerseits in dieser Machart entsprechend und willig reagieren werden.

Ihre gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe Göttingens (GALG) i. A. Henry Royeck

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