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Libyen 2020

2011 ging es schon einmal darum, ob einem militärischen Eingreifen in Libyen zugestimmt werden soll oder nicht, Eine direkte militärische Beteiligung der deutschen Bundeswehr selbst stand damals noch nicht zur Debatte. 2020 nun wird ein militärisches Eingreifen auch der Bundeswehr gefordert und von der Verteidigungsministerin in Aussicht gestellt. Dies erfolgt auf dem Hintergrund der Waffenstillstands- und Waffenlieferungsstopp-Konferenz in Berlin im Januar 2020 und der Argumentation, das Waffenembargo müsse auch praktisch durchgesetzt werden.
Im Vordergrund der Medienberichte und der öffentlichen Diskussion steht die Darstellung von zwei Lagern, der formalen Regierung in Tripolis (Präsident entstammt der Moslembruderschaft) und den Truppen von General Hafta, die jeweils von mächtigen Militärnationen und Geldgebern unterstützt werden. Wobei die Gefahr droht, dass die Türkei mit Katar gegen Ägypten, Russland, Frankreich, VAE, etc in Libyen Stellvertreterkrieg gegeneinander führen.
Allerdings sind im Süden Libyens auch radikale islamistische Milizen aktiv und die Macht im ganzen Land ist aufgeteilt auf verschiedene traditionelle Stämme, die früher durch die Verteilung der Einnahmen aus dem Ölverkauf zusammengehalten wurden und zu wechselnden Allianzen neigen. Es gibt keine gesellschaftlich umfassende Kraft, die wie in Tunesien eine neue Regierung tragen könnte. Und militärisch lässt sich eine solche nicht durchsetzen, wenn es nicht vorher eine Einigung der beiden Hauptkontrahenten gibt, die dann aber weiterhin gegen die islamistischen Milizen des Südens kämpfen müßten.

20.1.2020

> zu den Artikeln über Ägypten und Tunesien, "arabischer Frühling"

 

Libyen 2011

-- goest: Einige Aspekte, die uns in der Diskussion wichtig erscheinen

-- Aufruf gegen Gaddafi und gegen eine militärischen Intervention
-- Friedensbüros - gegen Flugverbotszone
-- Bund für Soziale Verteidigung e.V. Gegen jegliche Gewalt
-- Konträre Position: GfbV spricht sich für eine Flugverbotzone aus
-- Konträre Position: Grüne für Flugverbotszone und militärisches Eingreifen
-- Kundgebungs-Flugblatt 26.2.11 (Erste Kundgebung zu Libyen)

 

Einleitung der goest-Redaktion (2011)
Einige Aspekte, die uns in der Diskussion wichtig erscheinen

22.3.11
- Bei dem EU/US Angriff auf Libyen handelt es sich nicht allein um die Einrichtung einer "Flugverbotszone", sondern eher um Flugverbot+Panzerverbot+Geschützverbot+MilitärLKW-Verbot+Armeeaufmarsch-Verbot+Marineverbot . All das genannte wurde angegriffen.
- Eine immer wiederkehrende Begründung für den Angriff ist der Satz: "Einem Diktator der auf das eigene Volk schiessen lässt" muß Einhalt geboten werden. Auf Grundlage dieser Rechtfertigung werden aber nun Bomben in diejenigen Städte geworfen in denen ebenfalls ein Teil der Bevölkerung lebt.
- In vielen Teilen der Welt lieferten und liefern noch USA und Länder der EU Waffen an Staaten, in denen Regierungen auf ihre Bevölkerung schiessen.

21.3.
- Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass Gaddafi mit Hilfe seiner Milizen und zusätzlich angeheuerten Söldnern gegen Teile der Bevölkerung Libyens vorgeht. Allerdings ist die Bevölkerung gespalten und der von US / EU - Militärs gestütze Teil der Bevölkerung schießt auch auf libysche Bevölkerung, allerdings auf den anderen Teil.
- Die militärische Überlegenheit der Gaddafi-Milizen droht zu einem Blutbad zu führen, wenn Bengasi eingenommen würde.
ABER:
- Die Militäraktion von USA und EU-Statten hat offensichtlich nicht einen allseitigen Waffenstillstand, sondern den Sieg der "Aufständischen" und den Sturz der Gaddafi-Herrschaft zum Ziel
- Die Durchsetzung eines Waffenstillstands müßte hingegen zwangsläufig auch die Mitlitäraktionen der "Aufständischen" unterbinden.

- Anders als in Tunesien und Ägypten sind die Ziele der "Aufständischen" nicht klar. Lediglich ihre Gegnerschaft zu Gaddafi ist deutlich. Forderungen nach Pressefreiheit, Demokratie und Menschenrechten sind noch nicht aufgetaucht. Vielmehr wären jene Informationen zu prüfen, die darauf hinweisen dass die "Aufständischen" selbst rassistische Angriffe gegen schwarze Afrikaner begehen.
- In Libyen stehen sich nicht Regime und Volk gegenüber, sondern das Volk ist gespalten in Stämme. Und ein Teil der Stämme steht offensichtlich auch noch hinter Gaddafi.
- Die "Rebellen" schwenken die rot-schwarz-grüne Flagge mit Halbmond und Stern im mittleren schwarzen Streifen, das ist die >>Flagge des Königreichs 1961-1969 . Der König entstammte einem Orden, der seinen Schwerpunkt im Osten Libyens hatte - vielleicht auch daher die Orientierung auf diese Flagge. Es hätten 8 andere historische Flaggen zur Verfügung gestanden. Ganz zufällig scheint die Wahl nicht gewesen zu sein, bereits vor 20 Jahren stand Prinz Idris of Libya für die Exil-Koordination von 600 militärischen Kommandoeinheiten im Tschad zur Verfügung. (>>NewYork Times 1991)
- Wie stark ist in den Reihen der Aufständischen die "demokratische Bewegung" und wieviel Einfluß haben die mit dem Gaddafi-Stamm >>rivalsierenden Stämme ** ( vor allem Warfalla/Tripolitanien und Margarha/Fezzan) ? Es scheint nicht sicher, dass die Bewegung der Aufständischen Demokratie und Menschenrechte durchsetzen möchte. Einer einseitigen Unterstützung einer der Bürgerkriegsparteien fehlt daher die Legitimation.
"Natürlich gibt es einen Teil der Jugend in Libyen, der der Diktatur überdrüssig und von den Ereignissen in Tunesien und Ägypten beeinflusst ist. Aber diese verbreiteten Gefühle werden von der Opposition im Osten des Landes instrumentalisiert, der seinen Anteil am Kuchen einfordert, wo doch die Verteilung der Reichtümer unter dem Regime Gaddafis sehr ungleich war. (...). Hier nähren die Vereinigten Staaten diese Widersprüche, um militärisch in Libyen eingreifen zu können." (>>indymedia-Artikel Interview mit Michel Collon / die Stammeswidersprüche werden ähnlich beschrieben vom SWP einem formell unabhängigen Institut, das dennoch im Fahrwasser von Bundeskanzleramt und Bundeswehr zu sehen ist.)
- Maßnahmen, die dazu dienen können, einen Waffenstillstand in diesem Bürgerkrieg durchzusetzen sind sinnvoll. Die kriegerische Intervention jedoch wird eher eine Ausweitung von Waffenanwendungen und eine Vermehrung des Leids der Bevölkerung mit sich bringen.
- Da die Konfliktparteien z.B. in Misrata innerhalb einer Stadt kämpfen, können die Milizen Gaddafis dort nicht isoliert angegriffen werden.
- Die Einrichtung einer "Flugverbotszone" ignoriert das gleichzeitige Ungleichgewicht zwischen den libyschen Bürgerkriegsparteien bei den Truppen und Waffen für den Kampf am Boden. Um den Bürgerkrieg zu beenden müßte eine "Panzer- und Artillerieverbotszone" hinzukommen. Wenn das Kriegsziel von EU und USA erreicht werden soll, müssen sie entweder selbst am Boden eingreifen oder die Aufständischen des Ostens aufrüsten.
- Die Militärflugzeuge, Panzer, Luftabwehrraketen, usw. die nun von EU und USA mit einer Aktion "Flugverbotszone" vernichtet werden sollen, wurden von diesen Ländern selbst dem "wahnsinnigen Diktator" vorher geliefert. Die Finanzierung der Waffenkäufe haben sie ihm durch Ölgeschäfte mit ihm ermöglicht. Solchermaßen schuldig gewordenen Länder fehlt die moralische Grundlage dafür nun in einen Krieg gegen diese Waffen zu führen.
- "Humanitäre Hilfe" hätte sich zu allererst darauf zu konzentrieren, das Leid der Flüchtlinge zu lindern - die Länder deren Militär jetzt "aus humanitären Gründen" eingreift, beweisen aber gerade auf diesem Sektor in höchstem Maße Unmenschlichkeit. Sofortiger Stopp der Kriegsintervention und stattdessen massive koordinierte Hilfe für alle Flüchtlinge ! >>Aktuelle Zahlen und Situation der Flüchtlinge

Aufruf gegen militärisches Eingreifen in Libyen
18.3.11 Im Falle einer militärischen Intervention seitens EU, NATO oder eines Bündnisses westlicher Staaten in Libyen, wurde in einem anonymen Schreiben für den gleichen Tag eine Demonstration um 18 Uhr ab Gänseliesel angekündigt. [ Die ersten Angriffe erfolgten nun am Samstagnachmittag - aber nach 2 verschiedenen Demonstrationen a) gegen Atomkraftwerke und b) zum feministischen Stadtrundgang] Im Aufruf steht u.a. zu lesen:
"Solange die Aufständigen nicht ihren Wunsch danach äußern und explizit um eine militärische Intervention bitten, hat keine westliche Macht etwas in Libyen zu suchen. Jahrzehntelang haben die westlichen Staaten den Diktatoren Gaddafi und sein Regime finanziell sowie militärisch unterstützt. Sie sind mitverantwortlich dafür, das Waffen gegen die revoltierenden Menschen eingesetzt werden. Diese Demo soll nicht für das Gaddafi-Regime und seine menschenverachtende Politik und Angriffe auf die Menschen sein, sondern gegen die wahren Gründe einer Intervention, unter anderem - die Sicherung der Rohstoffe durch westliche Staaten - die Flüchtlingsabwehr der von Medien und Politik propagierten „Flüchtlingsströme“ durch FRONTEX Gaddafi muss weg – aber nicht so ! Keine Militärinvention aus diesen Gründen in Libyen oder anderswo ! Für den Umsturz der herrschenden Verhältnisse ! Achtet auf weitere Ankündigungen ! Wir bitten um den Verzicht jeglicher Nationalflaggen!"

Kundgebung 26.2.11, 13 Uhr Gänseliesel
"Solidarität mit den revoltierenden Menschen! Grenzen auf für alle - und zwar sofort !"


Eines der Transparente der Kundgebung am 26.2.11

Kundgebungs-Flugblatt
In einem während der Kundgebung verteilten Flugblatt wird daran erinnert, dass "Der deutsche Staat hat bei der Ausbildung der libyschen Polizei und des Militärs geholfen" hat. "in den vergangenen drei Jahren erhielt Libyen genehmigungspflichtige deutsche Ausfuhren im Wert von mehr als 80 Millionen Euro". Das Flugblatt richtet den Schwerpunkt der Aufmerksamkeit auf das Drama der Flüchtlinge: Durch die Revolte in Libyen sei der Versuch gescheitert, mit der Militärdiktatur Gaddafis die "Festung Europa" gegen Flüchtlinge abzuschotten. Die Flüchtlinge wurden bisher schon in libyschem Hoheitsgewässer abgefangen. "Auf hoher See werden die Boote der Flüchtlinge von Patrouillenschiffen mit Schüssen zum Anhalten gezwungen, gerammt oder schlicht versenkt. (...) Libyen wurde zu einem „Bollwerk der Festung Europa“ ausgebaut, um die Migration aus den afrikanischen Staaten südlich der Sahara zu verhindern. (...) Brüssel hat FRONTEX den Auftrag erteilt, eine neue „Mission“ im Mittelmeer zu starten. (...) Nach dem Sturz des Diktators Ben-Ali in Tunesien war angesichts der Ankunft einiger tausend Flüchtlinge auf der Insel Lampedusa schon seitens Italiens die Rede von „Flüchtlingsströmen“." Es würden Ängste vor Flüchtlingen in der den europäischen Bevölkerungen geschürt. "Es wird somit bewusst keine Solidarität mit den Menschen erzeugt, die vor Elend und Gewalt fliehen, sondern zu ihrer „Abwehr“ aufgerufen. Der Einsatz von polizeilicher und militärischer Gewalt gegen die flüchtenden Menschen soll somit in der Öffentlichkeit gerechtfertigt erscheinen.Vor ihrem Leiden sollen die Augen verschlossen werden. Der Reichtum der europäischen Staaten – und insbesondere der Reichtum der Herrschenden - soll nicht geteilt werden müssen. (...)"

Friedensbüro Position
>> Erklärung des Netzwerks Friedenskooperative (Bonn)
Darin heißt es einerseits: "Wir begrüßen die Aufstände in Tunesien und Ägypten. Die Unterdrückten und Benachteiligten stehen auf für mehr Gerechtigkeit, Freiheit, die Respektierung ihrer Menschenrechte und für eine Entwicklungsperspektive für sich und ihre Länder. Sie zeigen bewundernswerten Mut, demokratische Reife und Besonnenheit. Das große Bemühen der Aufständischen um eine gewaltfreie Veränderung der Gesellschaften zeigt die bedeutende Einsicht, dass durch Gewalt keine gerechtere Gesellschaft zu schaffen ist." Letzteres gilt sicher nicht für die "Rebellen in Libyen", die anders als die ägyptische Demokratiebewegung zum bewaffneten Kampf übergegangen sind.
Zur Frage eines militärischen Eingreifens in Libyen titelt das Netzwerk: "Stop! Erst denken – und dann nicht schießen! Flüchtlinge retten – der Bevölkerung politisch und zivil helfen. Westliche Militär-Intervention in Libyen verbietet sich". Die Situation wird fiolgendermaßen eingeschätzt: "In Libyen geht es den Aufständischen wie zuvor in Tunesien und Ägypten um die Beseitigung eines Despoten, um mehr Gerechtigkeit und Freiheit, um die Respektierung ihrer Menschenrechte und eine Entwicklungsperspektive für sich und ihre Region. Kein Zweifel, wo in einer solchen Situation die Sympathien von menschenrechtlich orientierten Gruppen der Friedensbewegung liegen." Hier wäre zu fragen, welche Informationen über die Ziele der "libysche Rebellen" vorgelegen haben.
Die Risiken eines militärischen Eingreifens in den "Bürgerkrieg" werden sicher richtig eingeschätzt: "Die Durchsetzung des vielstimmig geforderten, aber militärisch gar nicht entscheidenden Flugverbots bedeutet den Kriegseintritt, beginnend mit der massiven Bombardierung des libyschen Radars, von Flugabwehr und Rollfeldern mit wahrscheinlich auch vielen zivilen Opfern. Es folgt in der Logik des Krieges weitere Eskalation durch Verlegung von Flugabwehr in Wohngebiete, Kämpfe gegen libysche Kriegsschiffe und Panzer, letztlich auch eine NATO-Invasion mit Bodentruppen. Die Opfer unter der Zivilbevölkerung wären hoch, der ursprüngliche Aufstand in Libyen und weit darüber hinaus als pro-westlich diskreditiert, die politischen Folgen in Nordafrika und der arabischen Welt unabsehbar.
Statt militärischer Aktionen, so die Erklärung des Netzwerkes, wären eine effektive Hilfe für die zehntausenden Flüchtlinge notwendig. Flüchtlinge sollen in Europa aufgenommen werden. Tunesien und Ägypten müssen Hilfe zur Versorgung der dorthin Geflohenen erhalten. In Libyen soll überall dort wo die Zivilbevölkerung leidet medizinische Hilfe und Lebensmittel hingebracht werden. Nichtmilitärische Maßnahmen gegen Gaddafi seien wirtschaftliche und politische Sanktionen, Kontensperrungen und vor allem sollte der Export libyschen Öls unterbunden werden. Die militärische Aktion ist "keine uneigennützige" Maßnahme "Rohstoffsicherung, wirtschaftliche Vorteilsnahme und Flüchtlingsabwehr der „Festung Europa“ stehen weiter im Vordergrund."
>>Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag (Kassel)
Zunächst konstatiert die Erklärung, dass nach anfänglich friedlichen Demonstrationen auch eine Militarisierung der Aufständischen stattgefunden habe, so dass nun Bürgerkrieg herrsche. Vor einer Flugverbotszone wird gewarnt, weil die Ausschaltung der Flugabwehr "mit beträchtlichen Kollateralschäden verbunden sein dürfte." Flugverbotszonen über Irak und Bosnien-Herzegowina hätten gelehrt, dass in beiden Fällen der Einsatz von Bodentruppen folgte.
Etwas unrealistisch war die Einschätzung des Papiers, dass keine beiden Bürgerkriegsparteien "der anderen einen entscheidenden Schlag versetzen" könne. Faktisch stand Bengasi am 19.3. vor dem Aus durch die Angriffe von Gaddafis Militär. Ebenso unrealistisch scheint inzwischen auch die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien zu sein. Allerdings hätte es diesen Weg anscheinend gegeben: "Es ist uns unverständlich, weshalb der kürzlich vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez entworfene Friedensplan, der auf die Zustimmung Gaddafis traf, vom Westen übergangen wurde. Solange in den USA und in der EU einseitig auf den Sturz Gaddafis gesetzt wird, rückt eine Lösung des Konflikts in weite Ferne." Am Ende des Papiers appelliert der Kasseler Friedensratschlag noch einmal: "Was die Bevölkerung in Libyen am dringendsten braucht, sind ein Waffenstillstand und internationale Bemühungen – vor allem von Seiten der Afrikanischen Union – um eine neutrale Vermittlung zwischen den Konfliktparteien
."

Kundgebung 26.2.11 Friedensbüro gegen militärisches Eingreifen
Anne Schreiner (Friedensbüro) wandte sich vor allem gegen die Pläne eines militärischen Eingreifens. Angesichts der Berichte über Massaker an DemonstrantInnen in Libyen ..."könnten wir versucht sein, den Planspielen von EU und NATO zuzustimmen, die ein militärisches Eingreifen in Libyen erwägen.Trotz der Berechtigung unserer Empörung und dem schwer auszuhaltenden Zustand, zusehen zu müssen: Es gibt zu einem militärischen Eingreifen nur ein klares NEIN ! Warum?
1.) Die Durchsetzung einer angedachten Flugverbotszone über Libyen bedeutet Krieg. Libyen ist militärisch gut ausgerüstet auch von der EU: Italien lieferte 2009 Kampfflugzeuge im Wert von 107 Mill. Euro nach Libyen. Portugal lieferte 2009 Drohnen im Wert von 4,6 Mill. Euro. Deutschland lieferte 2009 Störsender für 43,2 Mill. Euro. Diese stören die Kommunikation unter den Protestierenden. Sie können aber auch die Evakuierung von Ausländern erschweren und militärische Angriffe behindern. 2.) Nicht humanitäre Gründe stecken hinter den militärischen Plänen der EU. Die klassischen geopolitischen Interessen der EU stecken dahinter. Libyen ist einer der wichtigsten Erdöl-und Erdgasliferanten Europas. Libyen ist wegen seiner Finanzmacht eine Vormacht in der Afrikanischen Union. Deshalb und wegen der Überflugrechte musste bislang jeder EU Militäreinsatz in Afrika zuerst mit Gadaffi verhandelt werden.Gaddafis Drohung Flüchtlinge nach Europa kommen zu lassen schreckt die europäischen Regierungen.
3.) Ein Krieg der EU in Nordafrika könnte die Protestbewegung stoppen. Er könnte in seinem Schatten eine massive Repession gegen unerwünschte Teile des Protestes bedeuten.
4.) Den Protestiernden in Libyen wird ein militärischer Aufmarsch von EU und NATO nichts nütze. Entweder hat die Protestbewegung dann schon gewonnen, oder aber das Militär. Die Androhung von militärischem Eingreifen der EU könnte zu einem noch härteren Vorgehen gegen die Protestierenden führen. Sie könnte zu einer Reorganisation der libyschen Streitkräfte führen.
5.) Ein militärisches Eingreifen ist völkerrechtlich nicht zu rechtfertigen. Eine erneute Verletzung von UN_Charta und Völkerrecht durch die NATO wäre international ein weitere Präzedenzfall der Durchlöcherung und Entwertung dieser internationalen Regelungen."

Bund für Soziale Verteidigung e.V.
Gegen jegliche Gewalt - Erklärung zu Libyen
>>Bund für Soziale Verteidigung e.V.
Die Mitgliederversammlung des „Bund für Soziale Verteidigung", die am 20. März 2011 in Minden / Westfalen stattfand, nahm mit Entsetzen die Bombardierungen Libyens durch Frankreich, Großbritannien und die USA und deren Unterstützung durch andere Länder zur Kenntnis. Nach den weitgehend gewaltfreien Aufständen in Tunesien und Ägypten sind in einer Reihe weiterer Länder des Nahen und Mittleren Ostens Volksbewegungen entstanden, die sich gegen ihre diktatorischen Regierungen erheben. Die Versuche der gewaltsamen Niederschlagung dieser Aufstände – nicht nur in Libyen, sondern auch in Bahrain, Jemen und anderen Ländern - beobachten wir mit großer Sorge und sehen uns solidarisch mit all jenen Menschen, die ohne Waffen für Demokratisierung eintreten. Das militärische Eingreifen in Libyen wird als ein effektiver Weg dargestellt. Dabei wird ausgeblendet, dass durch die Bombardierungen weitere unbeteiligte Zivilisten sterben und der innerlibysche Konflikt durch die Eskalation der Gewalt mit Gewissheit vertieft werden. Stattdessen sollte durch Angebote der Vermittlung und durch zivile Mittel (z.B. Ölboykott, Asyl für desertierende Soldaten) versucht werden, die Situation zu deeskalieren und das Leben der Aufständischen zu schützen. Uns ist nicht bekannt, dass solche Versuche ernsthaft unternommen wurden. Militärgewalt ist einmal mehr nicht das letzte Mittel (ultima ratio), sondern wurde leichtfertig und ohne Bedenken der längerfristigen Konsequenzen beschlossen. Wir stellen auch fest, dass der Bürgerkrieg in Libyen mit Waffen geführt wird, die von NATO-Staaten geliefert wurden. Wir fordern das vollständige Verbot von Waffenexporten. Die bisherigen Restriktionen bei Rüstungsexporten sind, wie sich jetzt wieder erweist, völlig unzureichend. Wir begrüßen, dass die Bundesrepublik im Weltsicherheitsrat den militärischen Maßnahmen nicht zugestimmt hat. Wir erwarten, dass die Bundesregierung sich jetzt für die sofortige Beendigung der Kampfhandlungen einsetzt und Bürgerkriegsflüchtlingen unbürokratisch Asyl gewährt.

GfbV FÜR eine Flugverbotzone
Gesellschaft für bedrohte Völker >>Erklärung vom 15.3.11 :
"Scharf kritisierte die Menschenrechtsorganisation außerdem, dass Deutschland die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen ablehnt. "Während fast die gesamte arabische Welt diese Flugverbotszone befürwortet, vertritt die Bundesregierung im Grunde die Interessen des libyschen Terror-Regimes", kritisierte der GfbV-Gründer Tilman Zülch am Dienstag in Göttingen. "Deutschland muss jetzt endlich die demokratische Opposition in Libyen unterstützen und so Wiedergutmachung für die Fehler der Vergangenheit leisten." Führende deutsche Politiker hätten das Gaddafi- Regime lange Jahre hofiert und gefördert, obwohl der Diktator im Sudan, dem Tschad und Uganda an der Niederwerfung von Widerstandsbewegungen und völkermordartigen Verbrechen beteiligt gewesen sei und auch westliche Gesellschaften mit Terrorangriffen bedroht habe. Dem Waffenexportbericht der Bundesregierung und der EU zufolge habe Deutschland allein 2009 an Libyen Rüstungsgüter im Wert von mehr als 53 Millionen Euro geliefert, kritisierte die GfbV. Darunter seien neben Hubschraubern, Geländewagen und Kommunikationstechnologie auch Störsender, die die Kommunikation der Oppositionsbewegung über das Internet unterbrechen könnten. "Bosnien darf sich in Libyen nicht wiederholen", mahnte Zülch und erinnerte daran, dass die deutsche Bundesregierung durch ihre passive Politik wesentlichen Anteil daran gehabt habe, dass Krieg und Völkermord an den bosnischen Muslimen ihren Lauf nahmen. Die damalige Bundesregierung habe selbst das befreundete Kroatien nicht daran gehindert, sich an der Zerstörung und Aufteilung Bosniens zu beteiligen und so Millionen Menschen zu Flüchtlingen zu machen."

DieGrünen: Militärisch eingreifen ggn Menschenrechtsverletzungen"
Presseerklärung Jürgen Trittin, Renate Künast, Dr. Frithjof Schmidt 18.3.11
"Die Maßnahmen der Vereinten Nationen halten wir insgesamt politisch für notwendig, um die Bevölkerung vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen. In dem Beschluss ist vorgesehen, Schutzzonen für die Zivilbevölkerung einzurichten, und es wird angekündigt, jeden drohenden Angriff notfalls mit Gewalt zu unterbinden. Diese Maßnahme sowie eine Flugverbotszone verschaffen Zeit, damit die ebenfalls verschärften Sanktionen an Wirkung gewinnen können."
Presseerklärung Claudia Roth 18.3.11
"Wir befürchten jedoch, dass die Durchsetzung einer Flugverbotszone zu hohen Verlusten in der Zivilbevölkerung führen könnte und sie militärisch nur eine geringe Wirkung entfalten wird. Deswegen sehe ich diese Maßnahme mit Skepsis. Wir halten die Maßnahmen der Vereinten Nationen insgesamt jedoch politisch für notwendig, um die Bevölkerung vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Und wir begrüßen, dass der Sicherheitsrat die Entsendungen von Besatzungstruppen ausdrücklich ausschließt (**). Eine militärische Eroberung der Herrschaftsgebiete Gaddafis lehnen wir ab. Der militärische Einsatz muss strikt an das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte gebunden und verhältnismäßig im Einsatz der Mittel sein."

(**) Militärexperten meinen, dass diese Formulierung nicht den Einsatz von Bodentruppen ausschließe - denn ab wann Truppen als Besatzungstruppen gelten, das ist nicht geklärt. Kurzfristiger Einsatz von Bodentruppen könnte als "Nicht-Besatzung" interpretiert werde.

Die Linke: NATO-Krieg in Libyen - Demokratiebewegung in Ägypten?
18.5.11 ver.di-Haus, Groner-Tor-Straße 32, 19 -21.00 Uhr
Ankündigungstext / Büro Lösing: "Seit Beginn dieses Jahres sind nahezu alle Länder Nordafrikas von Massendemonstrationen und Aufständen gegen die dort bestehenden Regimes betroffen. Zwei Beispiele für die sehr unterschiedlichen Entwicklungen in diesen Ländern stellen Ägypten und Libyen dar. Nach erfolgreichen Demonstrationen und einem Verfassungsreferendum bereiten sich die politischen Kräfte Ägyptens nun auf Parlamentswahlen im September vor. Übereinstimmend sehen die fortschrittlichen sozialen Kräfte allerdings eine erhebliche Gefahr in der Kürze der Zeit bis zu den Parlamentswahlen, die vor allem den etablierten, schon organisierten Kräften, wie den Anhängern des bisherigen Regimes und der reaktionären Muslim-Brotherhood zu Gute kommt. In Libyen kam es dagegen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die sich zu einem Bürgerkrieg unter Beteiligung der NATO ausgeweitet haben. Offiziell geht es in diesem NATO-Krieg darum, die Zivilbevölkerung Libyens zu schützen, tatsächlich war und ist das Ziel der Operation jedoch, einen Regimewechsel gewaltsam herbeizuführen. Man muss kein Freund des libyschen Diktators Muammar Al-Ghaddafi sein, um die Doppelbödigkeit der NATO-Propaganda scharf zu kritisieren. Sabine Lösing (Die LINKE) ist Mitglied des Europäischen Parlaments und dort im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten sowie im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung. Sie hat Ägypten im März bereist und dort mit VertreterInnen zahlreicher Gruppen gesprochen, unter anderem mit linken Intellektuellen, Studierenden, ArbeiterInnen, Jugendbewegungen, MenschenrechtsaktivistInnen und inoffiziellen GewerkschafterInnen. Die Militärintervention in Libyen, die unter dem Vorwand des Schutzes von Menschenrechten eigenen nationalen Interessen von NATO-Staaten dient, hat sie im Europaparlament von Anfang an scharf abgelehnt."

 

Beitrag zum Thema: Libyen, Öl, Gas, Flüchtlinge
Die Revolten in Nordafrika und der europäische Krieg gegen Flüchtlinge Veranstaltung mit Harald Glöde (>>Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Berlin) 30.3.11, 20.30 Uhr, Theater-Keller (Geismarlandstraße 19)

(...) Despoten wurden umso wichtigere "Partner", je effektiver sie als Wachhunde für das vorverlagerte EU-Grenzregime fungierten. Migrationsbewegungen aus Afrika sollten um jeden Preis eingedämmt werden. Die italienische Regierung zahlt an Libyen seit 2008 insgesamt 5 Milliarden Dollar für "mehr Gas, mehr Benzin, weniger illegale Einwanderer", wie Berlusconi es auf den Punkt brachte. Tausendfacher Tod und tausendfaches Leid, nicht mehr nur auf See, sondern auch in den Wüsten und Internierungslagern, waren und sind die Folgen dieser menschenverachtenden Komplizenschaft. Die EU hat beispielsweise den Regimen in Libyen und Tunesien zur Flüchtlingsbekämpfung zig Millionen Euro gezahlt und Überwachungstechnik für die Grenzen geliefert – "gute Geschäfte" auch für deutsche Konzerne. Die arabischen Revolutionen markieren möglicherweise das Scheitern dieses brutalen Ausgrenzungsprojektes der EU im Mittelmeerraum. Allerdings bemüht sich die EU bereits jetzt, eine Neuauflage des Anti-Flüchtlingsdeals mit einer neuen libyschen "Übergangsregierung"auszuhandeln. Mit der bewusst medial geschürten Hysterie vor nunmehr drohenden "Flüchtlingsströmen" von Millionen Menschen, die auf dem Weg nach Europa seien, wird die weitere Verschärfung und Militarisierung des EU-Grenzregimes gerechtfertigt. Dieses Kontrollregime wird seit 2004 durch die "Grenzschutzagentur" FRONTEX verkörpert. FRONTEX koordiniert und erweitert die nationalen Kontrollsysteme, die seit Jahrzehnten auf Abschreckung und Kriminalisierung der Migrationsbewegungen zielen."

 

Beitrag zum Thema: Migration und Libyen-Flüchtlinge.
Dienstag, 12. Juli 2011 | 2o.oo Uhr | Theaterkeller
Neben Berichten von der Reise soll auf der Veranstaltung der Aufruf bekannt gemacht und darüber diskutiert werden, wie wir auch hier in Göttingen politischen Druck für eine Öffnung der Grenzen und eine Aufnahme von Flüchtlingen entwickeln können.
Im Mai 2011 war eine Delegation von Afrique-Europe-Interact und Welcome to Europe in Tunesien, um sich mit AktivistInnen sowie mit MigrantIinnen zu treffen. Die Delegation war in Tunis, in Sidi Bouzid, wo der Aufstand begann, an der tunesischen Küste und in den Lagern an der tunesisch-libyschen Grenze. Ziele dieser Reise waren, Strategien für ein neues Verhältnis zwischen Nordafrika und Europa zu entwickeln, das nicht wie bisher von den sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen der EU diktiert wird, sowie mit dem Migrations-Regime der EU zu brechen. Zur Vorverlagerung ihres Grenzregimes nach Nordafrika und zur Abwehr von Flüchtlingen haben die europäischen Staaten jahrelang mit den Despoten des Maghreb zusammengearbeitet. Während dieser Reise wurden im Flüchtlingslager Choucha mit über 20 MigrantInnen Video-Interviews geführt – viele von ihnen sind Überlebende von Bootsunglücken im Mittelmeer. Die Menschen konnten dem Krieg in Libyen entkommen, wo sie als ArbeitsmigrantInnen beschäftigt waren oder Zuflucht vor den Kriegs- und Krisenzonen im subsaharischen Afrika gesucht haben. Aus Verzweiflung und allen Gefahren zum Trotz machen sich viele von ihnen wieder Richtung libyscher Grenze auf den Weg, um die gefährliche Überfahrt nach Europa zu wagen. Während des Aufenthaltes der Delegation in Choucha kamen vier Flüchtlinge aus Eritrea bei einem Feuer ums Leben. Auf spontane Proteste und Straßenblockade reagierte das tunesische Militär mit Tränengas und Anwohner überfielen das Lager. Dabei wurden mindestens zwei Flüchtlinge erschlagen, viele trugen schwere Verletzungen davon. Das UNHCR bittet seit Wochen die europäischen Staaten um die Aufnahme von zumindest 6000 Flüchtlingen – vergeblich. Stattdessen wird die europäische Grenzschutzagentur Frontex verstärkt in Stellung gebracht und die neuen Regierungen in Nordafrika sollen wieder mit finanzieller Unterstützung etc dazu gebracht werden, die Abwehr von Flüchtlingen fortzusetzen. Die Stimmen von Choucha stehen für das Aufbegehren gegen eine Politik der Menschenrechtsverletzungen, die sich tagtäglich an den europäischen Außengrenzen abspielt. Ein Bruch mit dieser Politik ist notwendig, um das Sterben auf See und in der Wüste zu beenden. Die Demokratiebewegungen in Nordafrika bieten die Chance für einen Neuanfang. Als Konsequenz aus der direkt erlebten menschenunwürdigen Situation in diesen Lagern, in denen Tausende Flüchtlinge seit Monaten unter traumatischen Bedingungen und ohne Aussicht auf eine Lösung ihrer Situation blockiert werden, ist gemeinsam mit Pro Asyl, medico international und borderline europe der Aufruf „Voices from Choucha: Fluchtwege öffnen, Flüchtlinge aufnehmen!“ entstanden.

Beitrag zum Thema: Libyen Rückschläge für Demokratiebewegung
"Nach den Revolten in Tunesien und Ägypten - drohen jetzt Rückschläge?" - Ursachen, Organisationsformen und Perspektiven der Aufstände in Nordafrika Theater-Keller , 7.4.11, 20 Uhr Veranstaltung mit Bernard Schmid (Paris)

Ankündigungstext: "(...) In Libyen scheint seit Anfang März die Entwicklung, die bis dahin vielen Beobachtern eher zum Optimismus Anlass gab, umzuschlagen. Wo in Tunesien und Ägypten zivile Massenproteste, Arbeitslosenrevolten und gewerkschaftliche organisierte Streiks den Lauf der Dinge maßgeblich prägten, dominierten in Libyen schnell Auseinandersetzungen militärischen Charakters. Wesentlich dafür verantwortlich war die äußerst repressive und gewaltförmige Antwort des libyschen Regimes von Anfang an, die die repressiven Reaktionen der tunesischen und der ägyptischen Diktatur auf „ihre“ Protestbewegungen schnell überragte. Im Laufe der Wochen schien sich die libysche Diktatur erfolgreich in die Gegenoffensive zu bringen, die Protestfront und die bewaffneten Rebellen brachen auf militärischer Ebene ein. Im Falle einer deutlichen Niederlage drohten ihnen und der sie unterstützenden Bevölkerung schwere Massaker. Die Entwicklung an der „Front“ wurde von der Rekrutierung susaharianischer Söldner durch die Regierung, aber auch - politisch geschürten - pogromartigen Ausschreitungen gegen andere Afrikaner_innen mit schwarzer Hautfarbe und von einer Massenflucht der in Libyen lebenden Ausländer_innen begleitet. Mittlerweile hat die westliche Militärintervention („Flugverbotszone“) eine völlig neue Situation geschaffen. Auf der Veranstaltung wollen wir uns mit diesen unterschiedlichen Phänomen beschäftigen. Wir möchten uns die Frage stellen, zu welchen (vorläufigen) Ergebnissen die kontrastreichen Entwicklungen in Tunesien, Ägypten und in Libyen geführt haben, und wie sie einzuordnen sind. Welche Organisationsformen haben sich in den Protesten entwickelt? Welche Auswirkungen haben die Revolten auf die metropolitanen Staaten? Was für Gemeinsamkeiten aber auch Brüche zeigen diese Staaten im Umgang mit den Revolten? Was für Wirkungen und Nebenwirkungen hat in diesem Zusammenhang die militärisch durchgesetzte „Flugverbotszone“ bzw. Militärintervention? Am Ende soll eine gemeinsame Diskussion mit dem Publikum stehen. Was haben die Revolten in Nordafrika und den anderen arabischen Staaten mit der Linken bzw. den sozialen Bewegungen hier zu tun? Was können wir als Linke in Europa tun, um uns nicht nur verbal sondern auch praktisch mit den emanzipatorischen Teilen der Aufstandsbewegungen zu verbünden? Wir werden an diesem Abend nicht alle Fragen gleichermaßen tief diskutieren können, doch wenigstens ein Stück gemeinsam „fragend voranschreiten“. Bernard Schmid (Paris) ist eingeladen, um für und mit uns diese Prozesse zu beleuchten. Er arbeitet als Jurist bei einer antirassistischen Organisation und ist nebenberuflich freier Journalist und Autor mehrerer Bücher. Seine Hintergrundartikel zu den Entwicklungen im nordafrikanischen Raum werden in verschiedenen Zeitungen und Internetseiten veröffentlicht (u.a. www.labournet.de).

Film über Libyen 2011
DIARY FROM THE REVOLUTION - Libyen 2011
Nizam Najar hat seine Heimat Libyen bereits vor über zehn Jahren verlassen und lebt nun im Exil in Norwegen. Doch als die Aufstände gegen den Diktator Gaddafi immer konkretere Formen annehmen, beschließt er, nach Libyen zurück zu kehren und sich den Rebellen anzuschließen. Der Filmemacher versucht die Revolution einzufangen und dokumentiert dabei auf eine außergewöhnliche Art und Weise die Milizen, Familienverbände und intime Momente dieser schwierigen Zeit. In Form eines Videotagebuchs hält er protokollarisch bspw die Kampfhandlungen, Probleme beim Besorgen von Waffennachschub und das provisorische Lagerleben fest.

"Der AstA Universität Göttingen, Institut für angewandte Kulturforschung e.V. und dokumentarfilminteressierte Studierende zeigte den Film 18.12.2013

>>Trailer auf youtube.com/
>>http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/diary-from-the-revolution

Der Ruf nach dem „Märtyrertod“ verändert während der Kämpfe zunehmend seine Bedeutung. Vor allem die charismatische Gestalt Haj Siddiq steht im Fokus des Filmemachers. Wie ein Patriarch hat er seine Familie und die ehemaligen Mitarbeiter seines Bauunternehmens als Getreue um sich geschart. Sein selbstgefälliger Führungsstil birgt stellvertretend schon das Kalkül für die Machtübernahme nach dem Sieg. Der Tod Gaddafis ist bei weitem nicht das Ende der Dokumentation. Die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes stellen sich als fragwürdiges Unterfangen für die desillusionierten Revolutionäre heraus. Nach der Machtübernahme der Aufständigen sehen sich die Menschen in Libyen neuen Herausforderungen konfrontiert. Libyen scheint überflutet von Waffen, Misstrauen der neuen Regierung gegenüber und ökonomischer Instabilität.