Kybernokratie Ökologie
Günter
J. Schäfer Von
der Ökologie zur Kybernokratie?
Inhalt I VORWORT. II
ÖKOLOGIE * Naturwissenschaft, Gesellschaftswissenschaft,
Bewegung? * Ökologie und "göttliche Ordnung" * Bedenkliche Versuche, ökologische Begriffe für
eine Analyse der Gesellschaft zu verwenden * Kommunikationsökologie, Systemtheorie, Sozialkybernetik III
KYBERNOKRATIE * Technische und biologische Regelkreise. * Sozialkybernetik: Wer bestimmt den Sollwert
? * Sozialkybernetische Modelle können nicht die
gesamte Komplexität ihrer Objektbereiche erfassen * Harte Steuerungstechnik im "sozialen Regelkreis" gegen "untere soziale Schichten" * Kybernokratisches
Teilsystem Gesundheitswesen * Kybernokratie: Undurchschaubares
Steuerungssystem * Flankierung durch sozialpsychologische Maßnahmen |
Im
Anschluß an die Volkszählungsboykottkampagne gab es den Versuch,
die kritische Auseinandersetzung mit Verdatung,
Verplanung und Computerisierung fortzusetzen. In diesem Zusammenhang
entstand 1987 das "Göttinger KYBERNOKRATIE-Papier".
Darin wurde versucht, das Thema "Volkszählung" in eine Kritik
der Modernisierung von Herrschaftsformen hinein zu verlängern. Von einigen
Ex-Vobo-Gruppen wurde das KYBERNOKRATIE-Papier
für eine neue Diskussion aufgenommen und in einer kommentierten Literaturliste,
die ich 1988 für diese Diskussionen anfertigte, hatte ich bereits auf
Frederic Vester als abschreckenden Vertreter
der Auffassung vom Menschen als kybernetische Maschine hingewiesen. Im Dezember 1988 auf einem Vorbereitungstreffen zur Gründung des Instituts für Kommunikationsökologie (IKÖ) hatte ich mich entschieden dafür eingesetzt, daß der Begriff "Kommunikationsökologie" nicht in die Namensgebung des neuzugründenden Instituts eingeht. Zitat aus meinem damaligen Statement: "Nicht was mit bester Absicht gemeint sein könnte, macht mein Problem mit diesem Begriff aus, sondern was sich an Assoziationen erwarten läßt, wenn Leute diesen Begriff lesen und hören.(...) Was passiert, wenn der Begriff Ökologie auf menschliche Kollektive angewendet wird, wenn der Ökologie der Biosphäre die Ökologie der Soziosphäre zur Seite gestellt wird ? (...) Sorge macht mir, daß bei der Verwendung des Begriffes "Kommunikationsökologie" auch für den Bereich der menschlichen Kommunikation eine Parallele für die "Umweltverschmutzung, nämlich die "Kommunikationsverschmutzung" oder ähnliches vermutet wird. Die ökologische Maßnahme wäre dann die "Kommunikationshygiene"(...) Stehen erstmal die Normen und Werte fest, dann fängt man an, den "Kommunikationsschmutz" zu beseitigen.". Leider
wurde diese Kritik nicht aufgenommen und es wurde der Name "Insitut
für Informations- und Kommunikationsökologie" gewählt. Inzwischen
haben sich meine Befürchtungen bestärkt, daß
über die kritisierten Begriffe eine Hinwendung zur Systemtheorie und
damit zusammenhängenden kybernetischen Ansätzen stattfinden könnte.
Während in der KYBERNOKRATIE-Diskussion der freien Initiativen gerade die
kybernetischen Modelle Frederic Vesters als
Negativbeispiel vorgeführt werden, scheint er für einige Mitglieder
des IKÖ als Vertreter eines übernehmenswerten
Denkansatzes attraktiv zu sein und wird zum Vortrag auf die IKÖ-Mitgliederversammlung
eingeladen. Dies rechtfertigt die Wiederaufnahme der Diskussion und
deshalb wurde der vorliegende Text verfaßt. ÖKOLOGIE Naturwisssenschaft, Gesellschaftswissenschaft, Bewegung ? Ökologie
ist Naturwissenschaft (1). Für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen,
gegen die Vergiftung von Boden, Wasser und Luft, gegen Eingriffe in
die Natur (was immer das Wort heißen mag), die lebensgefährliche klimatische
Zustände hervorrufen, sind politische, ökonomische und soziale Veränderungen
notwendig "Eine einheitliche Naturpolitik, die eine bewußte
und soziale Gestaltung der Natur beinhaltet, kann nicht allein aus dem
theoretischen Gebäude und der Praxis von Ökologie und Naturschutz entwickelt
werden(2). Die notwendigen politischen Veränderungen lassen sich nicht
mit ökologischer Naturwissenschaft fassen, sie haben etwas mit der politischen
Umweltschutzbewegung zu tun, die auch als "Ökologiebewegung"
bezeichnet wird. Letztere Bezeichnung impliziert nicht selbstverständlich
eine sozialökologische Gesellschaftslehre, sondern zunächst nur, daß
die Gesellschaft beim Umweltschutz ökologische Naturgesetze berücksichtigt.
Die Anwendung des Ökologiebegriffes auf die Gesellschaft selbst, indem
man z.B. von "Sozialökologie" spricht, bedeutet, daß
Gesellschaftswissenschaft als Naturwissenschaft mißverstanden
wird. Soziale, politische, ökonomische Prozesse folgen keinen Naturgesetzen,
sondern sie sind abhängig von bewußten Entscheidungen
der Menschen. Psychologische, geistige, emotionale, sozialpsychologische
Prozesse, kommunikative Vorgänge des Verstehens und daraus sich ergebende
soziale Prozesse sind mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht faßbar (3). Diese Behauptung wird mit Sicherheit von jenen
bestritten, die den Menschen als ein mathematisierbares Modell begreifen
und ausgehend von diesem mathematisierbaren Einzelelement auch die Beziehungen
zwischen den Menschen in einer biologistischen oder gar mechanistischen
Weise reduzieren, so daß Gesellschaft sich
wie ein Ökosystem abbilden ließe, wenn das Modell nur komplex genug
wäre, genügend Faktoren, Regelkreise und Beziehungen berücksichtigen
würde. Selbst bei der Anwendung auf biologische Systeme darf das Gelingen
einer vollständigen Mathematisierbarkeit bezweifelt werden (4), für
das Verständnis von Gesellschaft verbietet sich eine solche Illusion
umso mehr. Gentechnologie
und "KI"-Forschung sind Bereiche,
in denen die Vorstellungen vom naturwissenschaftlich-mathematisch erklärbaren
Menschen wachsen. Gegen diese Auffassung im Bereich der "KI"-Forschung
hat Joseph Weizenbaum engagiert und vielfach anerkannt eine Gegenargumentation
aufgebaut (5), bei der Gentechnologie dürften die neueren Erkenntnisse
über körpereigene genetische Umbauten (6) die ForscherInnen
ins Grübeln bringen. Ökologie
und "göttliche Ordnung" Mit
Argumenten wie " 'Oikos' bedeutete schon
immer 'Das Ganze'" oder "in der Antike meinte Ökologie nie
allein Naturökologie, sondern stets Natur und Sozialleben zusammen"
wird jedoch in der aktuellen Diskussion immer wieder versucht, eine
Rechtfertigung für die Anwendung des Begriffes Ökologie auf das Soziale
zu finden. Zu dieser Begriffshuberei sei nur angemerkt, daß
"oikos" im Griechischen "Haus"/"Haushaltung"
bedeutet, daher auch abgeleitet "Ökonomie"; von der Begriffsgeschichte
her rechtfertigt sich jedoch nicht die Behauptung, daß
Ökologie schon immer "Alles" umfaßt
habe. Erst wenn mit religiöser Intention "oikos"
in der Bedeutung "Haushalt" auf "Naturhaushalt"
oder "Göttliche Haushaltung" (7) ausgedehnt wird, gelingt
es einen "ganzheitlichen" Geltungsanspruch für den Ökologiebegriff
aus "oikos" abzuleiten, darin gibt es eben eine große göttliche
Ordnung und innerhalb dieses großen göttlichen Haushaltes hat der Mensch
wie alles andere seinen Platz. So kommen Umweltschutzbewegung innerhalb
der Kirchen und Anthroposophen von einer ganz anderen Seite her auf
die Idee, einen übergreifenden Ökologiebegriff zu formulieren, der die
gesamte "göttlich geschaffene Natur und den Menschen als einen
Teil dieser Natur" umfaßt. Rationalistische
und religiöse Begründung eines alles umfassenden Ökologiebegriffes treffen
sich da, wo die naturwissenschaftlich orientierte Systemtheorie zwar
alle möglichen Funktionen und Beziehungen innerhalb eines Systems in
eine Ordnung gebracht hat, sich dann aber fragt, woher wohl die Ordnung
der Dinge (incl. Menschen) kommt und sie schließlich einem Gott oder
einem göttlichen Geist zuschreibt. So konnte Ernst Albrecht (Christlich
Demokratische Union) auf dem Kongreß "Geist und Natur" 1988 in Hannover bei seiner
Eröffnungsrede sagen: "Religion und Naturwissenschaften bewegen
sich wieder aufeinander zu" (8). Die Integration der Gesellschaftstheorie
in eine übergreifende religiös angehauchte Gesamtphilosphie
der Welt ist auch in grün-alternativen Kreisen nicht ausgeschlossen,
man betrachte sich nur die Faszination, die Capra's
Buch "Wendezeit" (1983) auf.einige
Leute ausübt. Zitat Capra: In der geschichteten Ordnung der Natur ist
der jeweilige individuelle menschliche Geist in den umfassenden Geist
gesellschaftlicher und ökologischer Systeme eingebettet; dieser wiederum
ist in das planetare geistige System integriert - in den Geist von Gaia
-, das seinerseits an irgendeiner Art von universalem oder kosmischen
Geist teilhaben muß. Das Gedankengebäude des neuen Systemansatzes wird in
keiner Weise eingeengt, wenn man diesen kosmischen Geist mit der traditionellen
Vorstellung von Gott assoziiert..." (9). Trepl
interpretiert dieses Capra-Zitat in kritischer Absicht folgendermaßen:
" Gott ist also das Schaltschema, die Blaupause, die Software des
Kosmos oder, wie man wohl zeitgemäßer mit einem Wort von Egon Becker
sagt, der biokybernetischen Weltmaschine. Über deren technische Beherrschung
kann man nun anfangen nachzudenken." (10) Bedenkliche
Versuche, ökologische Begriffe für eine Analyse der Gesellschaft zu
verwenden Aber
noch weit vor der theoretischen, philosophischen Vereinnahmung der Gesellschaftstheorie
in ein ökologisch-göttliches Gesamtweltbild liegen die unbedachtsamen
Übertragungen von Begriffen des Umweltschutzes auf andere politische
Bereiche der Auseinandersetzung. So wird in Anlehnung an die Ökologiebewegung
im Rahmen der Kritik an der Computerisierung leichtfertig von "Verschmutzung
des Soziallebens", "Sozialverschmutzung" (11) oder "Innenweltverschmutzung"
(12) gesprochen. Zwar sind diese Begriffe in eine Argumentation eingebunden,
die sich gegen die Computerisierung der Kommunikationskultur und die
Maschinisierung geistiger Prozesse wendet,
aber sie weisen eine gefährliche Nähe zu Begriffen des angewandten Sozialdarwinismus
auf. Immerhin wird ja mit dem Begriff "Sozialverschmutzung"
auch implizit das Streben nach einer "Sozialsauberkeit", nach
einer "sauberen Innenwelt" verbunden. Wer bestimmt oder wie
wird bestimmt, was "sauber" ist und was "verschmutzt"
ist ? Bei dieser Argumentation ist ein alsbaldiger
Rückgriff auf eine "menschliche Natur" zu erwarten von der
die entsprechenden Normen für ein sauberes System abgeleitet werden.
Daß der Vergleich von Umweltverschnmutzung und "Sozialverschmutzung" nicht
nur eine punktuelle Analogie darstellt, zeigt sich in der Wahl des Namens
"Institut für Informations- und Kommunikationsökologie". In
einer Begründung der Namenswahl heißt es: "Die Beherrschung der
Natur und ihre Unterwerfung unter Interessen der Kapitalverwertung steht
im Widerspruch mit den Erfordernissen der Regeneration und Selbstregulierung
und hat daher erhebliche ökologische Altlasten erzeugt. In gleicher
Weise führt die technische Beherrschung von Kommunikations- und Informationsbedürfnissen
und Verhaltensweisen im Sinne einer ökonomischen Verwertungslogik zu
einem Umgang mit Kommunikation, bei dem wesentliche menschliche Fähigkeiten
der (kommunikativen) Selbstregulierung abgeschnitten werden. Bereits
jetzt deuten Phänomene der Vereinsamung breiter Bevölkerungsgruppen
(insbesondere Alte und Kinder) sowie wachsende Kommunikationsstörungen
auf ein erhebliches Reservoir von kommunikationsökologischen Altlasten
hin. (...) Wie es einen schonenden Umgang mit Natur gibt/geben kann,
so ist auch ein schonender Umgang mit Kommunikation denkbar und möglich."
(13) Einige
Leute interpretieren die Verwendung des Namens "Institut für Informations-
und Kommunikationsökologie" lediglich als eine symbolische Anlehnung
an die politische Öklogiebewegung, "es
soll eben so etwas für die Computerisierungs
und Vernetzungskritik sein, was das Öko-Institut für die Umweltschutzbewegung
ist." Dies würde bedeuten, daß die Verwendung
des Begriffes "Kommunikationsökologie" nicht zum analytischen
Instrumentarium der Institutsarbeit zählt, sondern nur politischen Signalwert
hätte. Dagegen sprechen jedoch wissenschaftlich-programmatische Äußerungen
wie folgende: "Wenn der Ökologiebegriff auf Kommunikation bezogen
wird, so schwingen die Erfahrungen mit Zerstörungen der natürlichen
Lebensumwelt von Menschen notwendigerweise mit. Genau dies ist beabsichtigt:
Mit dem Ökologiebegriff, angewandt auf Kommunikationsprobleme, soll
gezeigt werden, daß es systematische Parallelen zwischen der lebensbedrohenden
Zerstörung von (Umwelt und von... diese Worte fehlen wohl irrtümlicherweise
im Orginaltext /G.J.Sch ) Kommunikation gibt."
(14) Leider
bleibt es nicht bei bei einer reinen Analogie,
zwecks bildhafter Verdeutlichung, sondern es wird tatsächlich versucht,
die Auswirkungen der IuK-Techniken systematisch mit den Begriffen des
Umweltschutzes zu erschließen. Dazu gehört der bereits erwähnte Begriff
"Kommunikationsökologische Altlasten" oder die Bezeichnung
von MedienpädagogInnen, Familien- und Kinderberatung sowie Telefonseelsorge
als kommunikationsökologische "EntsorgerInnen".
"Wenn die Zahl derjenigen ständig steigt, die Kommunikationsprobleme
haben und Kommunikationshilfe benötigen, so ist dies ein Zeichen dafür,
daß wir bereits jetzt eine kommunikationskranke Gesellschaft
haben. Es besteht ein erheblicher Reparatur- und Entsorgungsbedarf."(15)
Die
systematische Übertragung wird schließlich doch mit einem alles umfassenden
Ökologiebegriff unterlegt: "Ökologie läßt
sich verstehen als 'Lehre von den Beziehungen der Lebewesen zu/mit ihrer
Umwelt'. Wie nimmt ein Lebewesen, so ist nun zu fragen, Beziehung zu
seiner Umwelt auf? Der Begriff der Kommunikation steht für die vielfältigen
Arten und Weisen in denen Lebewesen mit ihrer Umwelt Kontakt aufnehmen.
Kommunikation ist Austausch. Ohne Kommunikation kann kein Lebewesen
überleben. Das gilt nicht nur für den kleinsten lebenden Organismus,
die Zelle, sondern für den Menschen gleichermaßen." (16) Hier wird.
Ökologie als allgemeine "Beziehungslehre" definiert und eine
Übertragung dieser biologischen Beziehungslehre auf Gesellschaft bzw.
menschliche Kommunikation vorgenommen. Im letzten Teil des Zitats wird
deutlich, daß hier ein nachrichtentechnischer
und biologistischer Reduktionismus in der
wissenschaftlichen Betrachtung menschlicher Kommunikation beginnt. Kommunikationsökologie,
Systemtheorie, Sozialkybernetik Im
nächsten Schritt führt die Entfaltung des kommunikationsökologischen
Ansatzes zu einer Ökosystemtheorie für gesellschaftliche Kommunikation.Damit
steuert der kommunikationsökologische Ansatz geradewegs in eine Betrachtungsweise
der Gesellschaft, die eigentlich jenen zu eigen ist, die die Verdatung, Computerisierung und Kybernokratie
vorantreiben. Denn mit mathematisierbaren Modellen von Kommunikations(öko)systemen werden menschliche
Subjekte zu Elementen objektivistischer Funktionszusammenhänge. In der
IKÖ-Vereinssatzung heißt es bei der Beschreibung des Vereinszweckes:
"Besonderes Gewicht wird auf die Förderung kommunikations-ökologischer
Lebensbedingungen gelegt, das beinhaltet den Entwurf von Lebensformen,
die Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung durch zwischenmenschliche
Kommunikation ermöglichen." (17) Diese Zielbestimmung paßt
erst dann in eine Ökosystemtheorie der Gesellschaft, wenn Gesellschaft
als naturähnliches wissenschaftliches Objekt begriffen wird, was in
der Folge auch Annahmen über "die menschliche Natur" notwendig
machen würde. Genau in diese Richtung scheint sich die Argumentation
auch zu entwickeln: "Wir verstehen unter Umwelt nicht nur die Natur,
die Biosphäre, sondern auch das Zusammenleben der Menschen, die Soziosphäre"(18)
Im Einladungsschreiben für die Gründungsversammlung hieß es: "Mit
der Bezeichnung 'Informations- und Kommunikationsökologie' soll zum
einen an den Ökologie-Begriff der Umweltbewegung angeknüpft werden.
Zum anderen soll damit deutlich gemacht werden, daß
es sich auch bei Informations- und Kommunikationsstrukturen um ein vernetztes
System handelt, in welchem Informations- und Kommunikationsprozesse
sich wechselseitig beeinflußen und bei einseitiger
technischer Ausrichtung zu Veränderungen der Psyche und Kommunikationsbeziehungen
von Menschen führen können."(19). "Die Anleihe bei den Begrifflichkeiten
der Umweltbewegung ist durchaus beabsichtigt, denn 'auch bei den Informations-
und Kommunikationstechniken handelt es sich um die Ausgestaltung von
Lebensräumen, um komplexe Beziehungen, die durch technische Eingriffe
beeinträchtigt werden können'." (20). In dieser Betrachtungsweise
wird Gesellschaft zum schützenswerten kommunikationsökologischen "Biotop".
Freiheit der Menschen zur kommunikationsökologischen "Selbstregulation"
wird im Sinne des Hagenbeck'schen Zoo angestrebt. Die Idee des Hagenbeck'schen Zoo ist es, statt die Tiere in Käfigen zu
halten, sie in einem Freigelände laufen zu lassen, das ihren natürlichen
Umweltbedingungen ähnelt. Gleichwohl bleiben diese künstlichen Lebensräume
in der Form eines erweiterten Gefängnisses bestehen. "Sie verneinen
die Freiheit der Kreatur umso vollkommener, je unsichtbarer sie die
Schranken halten,...je reiner Zivilisation die Natur erhält und transplantiert,
umso unerbittlicher wird diese beherrscht. Man kann sich gestatten,
immer größere Natureinheiten zu umgreifen und innerhalb eines solchen
Griffs scheinbar intakt zu lassen." (21) Zu diesem Adorno-Zitat
merkt Trepl an:"Meine
Tätigkeit besteht seit einigen Jahren hauptsächlich darin, Natur, vorwiegend
'schützenswerte' wie es heißt, zu inventarisieren, ihre Daten zu speichern
und sie so den Berechnungen der Planer, des 'Naturschutzmanagements'
verfügbar zu machen. Da ganze Heerscharen von Ökologen damit beschäftigt
sind, wird es in wenigen Jahren buchstäblich keinen Tümpel, kein Fleckchen
Trockenrasen mehr geben, die nicht mit allen planungsrelevanten Merkmalen
in den Landschaftsdatenbanken enthalten sind. Die Frage ist, ob das
Wort Natur auf das zentral gemanagte Biotop- und Schutzgebietssystem
überhaupt noch paßt..." (22) . Vergleichbar
hierzu deutet sich mit der "Kommunikationsökologie" ein Management
für den Schutz kommunikativer "Biotope" oder vielleicht "Soziotope"
an, in denen Freiräume zur kommunikativen Selbstregulierung ähnlich
dem Hagenbeck'schen Zoo geplant werden. Für
das Gesamtmanagement des "vernetzten Systems der Gesellschaft"
und die Planung von "Lebensräumen" die "Biosphäre"
und "Soziosphäre" zum gemeinsamen Objekt biokybernetischer
Regelungsmodelle macht, stehen dann Gesamtbeherrschungsansätze wie die
von Frederic Vester bereit. Die Nähe des kommunikationsökologischen
Ansatzes zum biokybernetischen Management von Vester
zeigt sich, wenn Barabra Mettler-Meibom im Anschluß an ein Zitat von Vester
schreibt:"Auch die Entwicklung der Kommunikation, d.h.
des Austausches zwischen Lebewesen, kann sich in solcher Weise ändern.
Sie kann umkippen, krankhaft werden, degenerieren."(23). "Aprupte
Prozesse des 'Umkippens' entstehen dann, wenn in lebendigen Prozessen
die systemerhaltenden Gegenreaktionen ausgeschaltet werden. Man könnte
auch mit den Worten Vesters in diesem Sinne
von 'wildgewordenen' Teilsystemen' sprechen."(24). Vester
spricht darüberhinaus auch vom "Gesetz des Ausscheidens störender
Teilsysteme", das "in der Tat ein unvermeidbares kybernetisches
Gesetz der lebenden Welt" sei (25). Innerhalb der biokybernetischen
Weltmaschine kann es nach Vester auch deshalb
zu Katastrophen kommen, weil der menschliche Geist und die Psyche nicht
in Ordnung sind:"Da zudem alles, was
wir schaffen und bewältigen können, vom menschlichen Geist und der menschlichen
Psyche abhängt und mit deren Gesundheit steht und fällt, hat die Natur
allein schon über diese Hebel genügend Möglichkeiten, sehr rasch die
Katastrophe einzuleiten." (26) Mit
der Hinwendung zu den kybernetischen Herrschaftsmodellen Vesters
werden die äußerst problematischen Implikationen des kommunikationsökologischen
Ansatzes sichtbarer. Es scheint nun möglich, die Erforschung und modellhafte
Abbildung sowie die dazugehörende Mathematisierung von Kommunikationssystemen
zwecks kommunikationsökologischer Beherrschung zu betreiben. Für die
Gestaltung von Lebensräumen deutet sich ein Instrumentarium an, das
aus einer biologistischen Sicht der Gesellschaft heraus entwickelt wird.
Die deutsche Geschichte lehrt, daß solche
Denkansätze in der politischen Praxis zu gesellschaftlich katastrophalen
Konsequenzen führen können, die in Aussicht gestellten
Möglichkeiten computerisierter Herrschaft und gentechnischer Manipulationen
mahnen zur doppelten Vorsicht. Es
wäre eine Ironie des politischen Schicksals, wenn sich die Kritik an
Volkszählung, Personalinformationssystemen, BTX/ISDN, Verdatung,
Computerisierung, etc. schrittweise einer biologistischen, mathematisierten,
kybernetischen Sichtweise der Gesellschaft nähern würde und sich plötzlich
an den Denkmodellen der ursprünglichen GegenerInnen
orientieren würde, die genau das hervorrufen, was diese Bewegung ursprünglich
bekämpfen wollte. Der erste Schritt dies zu verhindern, besteht darin,
jedem Versuch einer biologistischen Gesellschaftstheorie entschieden
entgegenzutreten und zunächst eine radikale Trennung von Natur- und
Gesellschaftswissenschaft auf allen Ebenen der Diskussion durchzusetzen.
Das Ökosystem-Management gegenüber der Natur, das in sich schon fragwürdig
ist, darf nicht in Form einer kommunikationsökologischen, systemtheoretischen
Verregelung auf die menschliche Gemeinschaft
übertragen werden, andernfalls läge das Zusammenwachsen von "Kommunikationsökologie"
und Kybernokratie" nicht mehr außerhalb
des Denkbaren. KYBERNOKRATIE Der
Begriff Kybernokratie bezeichnet eine Form der politischen Herrschaft,
die den zu beherrschenden Bereich als ein kybernetisches System begreift.
Da es sich bei den zu beherrschenden Objekten um Sozialgebilde handelt,
besteht eine enge Beziehung zu dem, was unter dem Begriff "Sozialkybernetik"verstanden wird. Sozialkybernetik stellt
die Übertragung biologischer Regelungsmodelle auf Sozialgebilde dar.
Dies beinhaltet die starke Tendenz zu biologistischen Gesellschaftstheorien. Technische
und biologische Regelkreise Kybernetik
handelt von Regelkreisläufen bei denen eine "Größe",ein
Zustand, ein gemessener Wert etc. mit einem vorgegebenen Wert verglichen
und bei einer Abweichung zwischen gemessenem "IST-Wert" und
vorgegebenem "SOLL-Wert" ein Steuerungsimpuls
produziert wird, der auf die Anpassung des gemessenen IST-Werts an den
SOLL-Wert hinwirkt. Dieses Grundprinzip wird
in seiner einfachsten Form von technischen Regelungsvorgängen verwirklicht.
Z.B. funktioniert eine Wasserstandsregelung
im Sanitärbereich nach diesem Prinzip: Nachdem die Spülung betätigt
wurde ist der Wasserbehälter leer und es läuft Wasser nach. Mit dem
aufsteigenden Wasserspiegel steigt auch ein Schwimmer nach oben, der
über einen Hebel mit einem Ventil verbunden ist, das ab einem bestimmten
Wasserstand (dem Sollwert) geschlossen wird. Komplizierter kann z.B.
die Regelung einer Temperatur sein: Bei einer zu niedrigen Temperatur
ist die Frage, wie stark die Heizung aufgedreht werden soll. Falls die
zugeführte Energiemenge erst verzögert zu einer Temperaturerhöhung am
Meßgerät führt, wird noch weitergeheizt, obwohl
schon genügend Energie zugeführt wurde.Obwohl
die angestrebte Temperatur am Meßfühler festgestellt
und die Energiezufuhr abgestellt wird, steigt die Temperatur weiter
an. Die verzögerte Messung führt zu einem dauernden Oszillieren des
Istwertes um den Sollwert, denn beim Absinken der Temperatur sinkt die
Temperatur weiter obwohl die Energiezufuhr wieder eingeschaltet wurde.
Es ist so wie bei einer Herdplatte, die auch nicht sofort nach dem Einschalten
heiß , bzw. nicht sofort nach dem Ausschalten
kalt wird. In technischen Regelungsanlagen gibt es auch noch kompliziertere
Regelungsvorgänge, aber sie erreichen kaum die Komplexitätsgrade biologischer
Regelkreisläufe.: "Betrachten
wir biologische Regler allgemein: Zunächst sind biologische Regler meist
komplexe Regler. Hierdurch wird zunächst erreicht, daß
alle Sollwerte einer bestimmten Regelstrecke zugleich Regelgrößen einer
anderen Regelstrecke sind. Beispiel: Der Blutdruck als Sollwert ist
Regelgröße in einem Regelsystem, welches die Gewebsdurchblutung als
Sollwert einstellt. Der biologische Regler ist in ein geschlossenes
System von Regelungen eingebaut, in dem es weder Sollwerte noch Führungsgrößen
gibt, die von der Regelung nicht beeinflußt sind. Diese Geschlossenheit des Systems aller Regelungen
macht das Kennzeichen biologischer Regelung in erster Linie aus. Jede
technische Regelanlage ist an irgendeiner Stelle 'offen', d.h.dem Zugriff des Ingenieurs zugänglich,..."(27). Sozialkybernetik:
Wer bestimmt den Sollwert ? Biologische
Systeme sind also durch das Ineinandergreifen einer Vielzahl von Regelkreisen
gekennzeichnet, ohne daß ein Ingenieur von
außen einen Sollwert vorgibt, die Regelsysteme sind aufeinander abgestimmt,
miteinander verflochten, ein interdependentes Ganzes bildend. Der Sollwert
des biologischen Systems ist "das Ganze". Hier deuten sich
die Unterschiede zu sozialen Systemen an, die nicht wie biologische
Organismen determiniert, sondern veränderbar sind. Soziale Regelsysteme
wären demnach eher vergleichbar mit technischen Regelsystemen, bei denen
Ziele als Sollwerte formuliert werden. Allerdings wird bei dieser Übertragung
unterschieden zwischen Menschen, die Teil des technischen Regelsystems
sind, quasi Bestandteile der Maschine darstellen, und anderen Menschen,
die mit ihrer Macht und ihrem Willen die Regelungsinstanz verkörpern,
den Sollwert vorgeben. Sozialkybernetik
muß also entweder die Gesellschaft als biologischen Organismus
darstellen, der gottgegebenen in sich ruhenden Mechanismen folgt, oder
muß unterteilen in jene, die sich bewußtlos in den Gesetzmäßigkeiten der Regelungsvorgänge bewegen
und jene, die diese Gesetzmäßigkeiten durchschauen und steuernd bzw.
regelnd darüberstehen. Die
Auffassung der Gesellschaft als eines gottgegebenen Organismus kann
nicht nur als eine historische Gedankenfigur des Mittelalters abgetan
werden. Vertreter der Systemtheorie übertragen Biokybernetik auf soziale
Systeme und vergleichen das Ziel der Lebenserhaltung in biologischen
Regelungssystemen von Organismen mit dem Ziel der Stabilisierung sozialer
Systeme(28). Die Ausweitung des Ökologiebegriffes auf "Sozialökologie"
beinhaltet daher die Möglichkeit, daß quasi
gottgegebene Sollzustände einer ökologischen Gesellschaft definiert
werden und das Funktionieren der Gesellschaft in einem Modell biologistischer
Regelkreisläufe normiert wird. Systemtheorie,
Sozialkybernetik, biologistische Soziologie und Ökologie können derart
ideologisch zusammenwirken, daß die Vision
einer "ökologischen Gesellschaft" ihre Wertvorstellungen in
einer Art Naturreligion suchen muß und sich
für die politische Praxis daraus eine biologistisch-doktrinäre Ideologie
ableitet (die Analogie zur Bedeutung des Sozialdarwinismus wäre in diesem
Zusammenhang zu beachten). Die Sollzustände würden als gott- bzw. naturgewollt
legitimiert werden. Die
andere Version von Sozialkybernetik/Kybernokratie
teilt ein in regelnde politische Instanzen und zu regelnde soziale Gebilde,
wobei die Frage ist, woher die Definitionen der anzustrebenden Sollzustände
kommen. Während sie im Organismusmodell als
gott- oder naturgegeben angesehen werden, unterliegt die Sollwertbestimmung
hier zwar den Menschen aber nur einem kleineren Teil, der als technisch-geistige
Elite im Sinne der Systemziele steuernd eingreift. Kritische
Grundfrage gegen sozialkybernetische Modelle ist: Wie bestimmt sich
denn der "Sollwert", welchen Einfluß
haben die Menschen auf die Ziele des "Systems"
? Was ist, wenn die "Elemente" des zu regelnden Sozialgefüges
selbst diese Ziele bestimmen wollen, selbst "Regler" sein
wollen ? Sozialkybernetische
Modelle können nicht die gesamte Komplexität ihrer Objektbereiche erfassen:
Beispiel Arbeitsmarkt Gegenwärtig
sind kybernokratische Ansätze erst in Teilbereichen der Gesellschaft
zu beobachten. Je größer und komplexer der Bereich ist, desto größer
sind die Probleme für die KybernokratInnen,
das, was sie regeln wollen überhaupt adäquat erfassen und in einem Modell
abbilden zu können. "Das
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für
Arbeit hat im Interesse der Klärung einschlägiger Sachverhalte und Interdependenzen
ein bemerkenswertes Arbeitsmarktschema entwickelt. Es zeigt 45 Problemfelder
und Wirkstellen auf, die Verknüpfungen der einzelnen Sachverhalte sowie
Abhängigkeiten und Wechselwirkungen untereinander verdeutlichen. Dieses
Theorieschema des Arbeitsmarktes erleichtert nicht nur die Beschreibung
und Erklärung von Arbeitsmarktstrukturen und prozessen,
durch seine modellhafte Darstellung des Erwerbslebens und der durch
Arbeitsverträge geregelten Beschäftigung, d.h. kontrahierter Arbeit,
wird auch eine wertvolle Hilfe für die Analyse, Prognose und Planung
mit Hilfe sozio-ökonomischer Steuerungsmodelle geliefert. Sowohl ökonometrische
und kybernetische, aber auch nicht-mathematische sozialwissenschaftlich
erklärbare Bezüge einschließende Modelle können zu einer entscheidenden
Fortentwicklung des beschäftigungs- und sozialpolitischen Instrumentariums
beitragen, wenn es gelingt, solche komplexen Informationsmöglichkeiten
zu implementieren, d.h. computergestützt zu realisieren und innovativ
zu nutzen. Sozioökonomische Globalmodelle mit einer Vielzahl von Gleichungssystemen
und Variablen sind hinsichtlich ihrer Aussagefähigkeit umstritten. Je
mehr gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den quantifizierbaren ökonomischen
Größen durch ein ökonometrisches Gleichungssystem beschrieben werden,
umso schwerer ist es, Teilwirkungen zu erkennen. Der Einfluß
bestimmter Faktoren wird schwerer wägbar und die Treffsicherheit der
Modellaussage und damit ihr politischer Wert eingeschränkt. Die Tendenz,
Makromodelle zu disaggregieren und durch modulhaften Aufbau die Grundlagen
für die Verknüpfung verschiedener Teilmodelle auf alternativem Aggregationsniveau
zu erreichen, ist zur Zeit weltweit erkennbar.
Im politik- und praxisbezogenen Analyse- und Entscheidungsbereich umfaßt die optimale Größenordnung eines Modells maximal 100
bis 300 Gleichungen. Dafür sprechen Übersichtlichkeits- und Handhabungsgründe.
Die Disaggregation von Totalmodellen in Partialmodelle
und die Verknüpfung solcher Methoden auf unterschiedlichem Aggregationsniveau
mit neuen und spezielleren Methoden und Optimierungsalgorithmen sind
die Folgen dieser Entwicklung. Dementsprechend wachsen die Anforderungen
an die Modellierungssoftware, insbesonder
gilt es, das methodische Instrumentarium zu erweitern, Systeme zur Kombination
unterschiedlicher methodischer Modellierungsansätze zu entwickeln und
die Softwareunterstützung bei sich verbreiterndem Aufgabenspektrum beim
Bau und der Anwendung computergestützter Planungsmodelle zu verbessern.."(29) Obwohl
dieses Zitat von 1977 stammt und davon ausgegangen werden kann, daß
die gewünschte Software inzwischen weiterentwickelt wurde, zeigt es
doch, wie schwer sich die Kybernokraten allein
bei dem gesellschaftlichen Teilsystem "Arbeitsmarkt" tun,
alles innerhalb eines Modells abzubilden. Selbst in kleineren Teilbereichen
ist es nicht möglich, die Verästelungen sozialer Realität wirklichkeitsgetreu
in einem computergesteuerten Modell abzubilden - das macht unsere Kritk
an Kybernokratie stark und setzt uns auf die
positive Seite. Die Vielfalt der Vorgänge in menschlichen Gemeinschaften
ist nicht vollständig berechenbar, immer wieder gibt es Einflußfaktoren,
die nicht berücksichtigt wurden, die aber das ganze Modell umwerfen
können. Die Menschen, die da in Modellen als Aktionseinheiten abgebildet
werden, sind schließlich keine Tiere, die einem einfachen Reiz-Reaktionsschema
folgen, sondern sie haben dieselben geistigen Fähigkeiten wie jene,
die sich als Steuerungszentralen aufspielen. Wenn das kybernokratische
Spiel in der Totalität einer "eindimensonalen
Gesellschaft" (Marcuse) funktionieren soll, dann müssen die Menschen
zuvor auf das Niveau von dressierten Menschenaffen gebracht werden,
sich als biologische Roboter erst der Logik der kybernetischen Steuerungsmodelle
angepaßt haben. Dies würde eine Entwertung von geistigen,
kulturellen Fähigkeiten voraussetzen, die doch gerade als hochgeschätztes
Qualifikationspotential für die Nutzung im modernen Produktionsprozeß
herausgebildet werden sollen. Die vielfältigen Entscheidungsmöglichkeiten
der angestrebten "hochproduktiven Arbeitspersönlichkeiten"
lassen sich ja nicht allein auf die Arbeit beschränken, sondern werden
von den Menschen auch selbstreflektierend für die unmittelbar eigenen
Interessen genutzt. Hier steuern die Kybernokraten
in einen Widerspruch hinein, der für sie kaum zu lösen sein dürfte.
Harte
Steuerungstechnik im "sozialen Regelkreis" gegen die "unteren
sozialen Schichten" Allerdings
könnte angesichts einer Teilung der Gesellschaft in die Klasse der Hochproduktiven,
der weniger Produktiven und des "sozialen Bodensatzes" eine
rigidere Steuerungstechnik für die "Untermenschen" entwickelt
werden, die auch vor härtesten Eingriffen in Körperfunktionen und Psyche
nicht halt macht. Habermas hat bereits 1968 den "kybernetischen
Wunschtraum" in den technokratischen Visionen der Zukunft beschrieben: "Immerhin
deutet sie (die Prognose von Herrmann Kahn über zukünftige Steuerungstechniken
in der Gesellschaft) einen Bereich zukünftiger Chancen an, das menschliche
Verhalten von einem an die Grammatik von Sprachspielen gebundenen Normensystem
abzuhängen und stattdessen durch unmittelbare physische oder psychologische
Beeinflussung in selbstregulierte Subsysteme des Mensch-Maschine-Typus
zu integrieren. Psychotechnische Verhaltensmanipulationen können heute
schon den altmodischen Umweg über verinnerlichte aber reflexionsfähige
Normen ausschalten. Biotechnische Eingriffe in das endokrine Steuerungssystem
und erst recht Eingriffe in die genetische Übertragung von Erbinformationen
könnten morgen die Kontrolle des Verhaltens noch tiefer ansetzen.(...)
Ich behaupte nicht, daß dieser kybernetische
Wunschtraum einer instinktanalogen Selbststabilisierung von Gesellschaften
in Erfüllung geht oder daß er auch nur realisierbar
wäre. Ich meine aber, daß er vage Grundannahmen
des technokratischen Bewußtseins negativ-utopisch
zuende führt und so eine Entwicklungslinie bezeichnet, die
unter der sanften Herrschaft von Technik und Wissenschaft als Ideologie
sich abzeichnet."(30) Daß er 1968 noch zurückhaltend mit Prognosen bezüglich
einer Realisierbarkeit dieses "kybernetischen Wunschtraums"
war, ist verständlich, die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre und
die Möglichkeit, daß der harte Zugriff zunächst
auf den "sozialen Bodensatz" angewendet wird, läßt
pessimistischere Prognosen zu. Daß es einen
immanenten Widerspruch zwischen der Reduzierung auf dressierte Menschenaffen
und hochqualifizierten Arbeitskräften gibt, darauf wurde oben schon
hingewiesen, aber es besteht ja immerhin die Möglichkeit, daß
in der "Zweidrittel-Gesellschaft" die rigiden Steuerungstechniken
auf das untere Drittel angewendet werden, während die "oberen"
Zwei-Drittel zwecks ideologischer Integration gehätschelt und gepflegt
würden.( Das heißt übrigens nicht, daß die
Menschen in den oberen zwei Dritteln mit den ihnen zugedachten Persönlichkeitsmerkmalen
glücklich würden aber vielleicht hat Bhagwan hier eine geeignete Vorgehensweise
vorgeführt). Kriminologisch-Kybernokratischer Zugriff auf das unter Drittel Was
das "untere" Drittel angeht, so wird die Befürchtung rigider
Beherrschungsmethoden u.a.durch die kybernokratischen Wunschträume der Kriminologen genährt, die
ein umfassendes Datenbild kriminogener Faktoren mit der Absicht "sozialsanitärer"
Eingriffe anstreben: "So
wurden unter dem Stichwort 'Kriminalgeographie' beim BKA Computerprogramme
entwickelt, um die 'Kriminalitätsanfälligkeit' bestimmter Stadtgebiete
berechenbar zu machen und 'kriminogene Faktoren' zu lokalisieren. (...)
Soziologen, Psychologen, Architekten und Polizeiwissenschaftler entwarfen
1975 im Auftrag des BKA den 'Kriminalitätsatlas Bochum', nachdem sie
Daten über die Infrastruktur dieser Stadt und die Sozialstruktur ihrer
Bewohner ausgewertet hatten. Aus der Fülle der gewonnen 'Merkmale' so
erläuterte Herold das Verfahren, seien dann jene 'herausgefiltert worden,
die die besondere Kriminalitätsattraktivität, die Magnet- und Sogwirkung
oder die Verdichtung von Wohnsitzen Krimineller erklären.' (...) Neben
der Forschung könnte hiervon auch die Fahndung profitieren, weil zu
vermuten ist, daß nicht nur der Fingerabdruck
als Merkmalsträger einmaliger und unwiederholbarer Individualität eines
Menschen in Frage' komme, sondern auch 'Haltung, Gang, Mimik und Gestik,
Sprache, Blut, Haare, Röntgenbilder, körpergebundene Besonderheiten,
Verhaltenseigenheiten usw., deren Aufzeichnung und Erkennung' allerdings
den Einsatz neuer Medien verlange."(31) "Wir
müßten zunächst einmal die gewaltige Datenmenge, die die Polizei
ja hat, durchdringen und mehrdimensional verknüpfen können. Die heutige
Technik würde das bewältigen (...) Ja stellen Sie sich einmal vor, was
uns da zuwachsen würde: auf Knopfdruck kann ich Zusammenhänge feststellen
- wie Fingerabrdruck und Vererbung, Körpergröße und Verbrechen.
Ich weiß nicht, ob es solche Zusammenhänge gibt, wahrscheinlich nicht
- biologische Verursachungen sind selten. Aber ich kann auch Zusammenhänge
feststellen wie Ehescheidung und Delikthäufigkeit, Trinker und das verlassene
Kind, Drogen - kurz wie Menschen zu etwas kommen. Ich kann ständig wie
ein Arzt - deshalb das Wort "gesellschaftssanitär" - den Puls
der Gesellschaft fühlen und mit Hilfe rationaler Einsichten unser Rechtssystem
dynamisch halten. (...). Das heißt: Die Ersetzung des bisherigen Maßstabs
des Strafrechts, das sich orientiert am Eigentumsschutz, durch ein Prinzip
der Sozialschädlichkeit. Als Kopplungsstelle zu einem dynamischen gesellschaftlichen
Prozeß müßte die
Polizei sagen: Gesetzgeber, siehts du, hier ist ein sozialschädlicher Tatbestand, da mußt du die Normglocke drübersetzen,
und da ist noch einer, da aber ist es falsch, da hat sich die Entwicklung
unter der Glocke der Norm schon wieder weiterbewegt. Die Norm deckt
den Sachverhalt nicht mehr. Es ginge also in erster Linie um eine Gestaltung
unseres Normen- und Pflichtensystems entsprechend der gesellschaftlichen
Dynamik zur Verhinderung sozialschädlicher Verhaltensweisen."(31)
Die
vorangegangenen Zitate beschreiben lediglich einen Teil des polizeilich-kriminologischen
Kybernokratie-Alptraums, nämlich den Teil
der Datenerfassung (Messung") und darauf aufbauender Modellbildung
des Systems, das "geregelt" werden soll. Sollzustand des Systems
ist wohl im kriminologischen Sinn die völlige Übereinstimmung des Lebens
mit den Gesetzen oder sowas ähnliches. Die Regelung des Systems bei
Abweichungen erfolgt polizeilich-kybernokratisch
in Form von Präventivprogrammen, die das Resultat eines Vergleichs zwischen
Soll- und Istzustand sind und in der Begrifflichkeit der Kybernetik
die "Stellgrößen" (Steuerungsimpulse) definieren. Daß
dies tatsächlich in den Köpfen von Oberkriminologen herumspukt beweist
folgendes Zitat von Ex-BKA-Chef Horst Herold: "Die
Polizei ist als ein kybernetisches System zu konstruieren, das von sich
aus wirkt. Wie in einem Regelkreis, wie das schöne Grundmodell der Kybernetik
- der Fliehkraftregeler: Sobald die Geschwindigkeit den Sollwert
übersteigt, steigen die Arnme an und schließen
das Ventil, woraufhin die Geschwindigkeit wieder absinkt. Dadurch würde
auf eine höchst elegante Art und Weise eine Vielzahl denkbarer Abweichungsvarianten
unter Kontrolle gehalten. Genauso sehe ich die Polizei, aber wir können
nicht rückkoppeln - das kybernetische Element wird abgeschnitten. Wir
sind abgeblockt und gehindert." (33) Diese
Behinderung der Polzei, die Herold im letzten
Satz des Zitats beklagt, besteht nicht für die übergeordneten politischen
Instanzen des Gesamtsystems. Diese Instanzen können die gesellschafts"sanitäre"
Rückkopplung umsetzen, z.B.durch Einflußnahme
auf Städteplanung, Sozialarbeitprogramme,
neue Gesetze. Aber auch der Polizei bleibt die direkte Gewalt, Kriminalisierung,
Aussonderung als "Rückkopplungsinstrument". Ob die Steuerungsversuche
geklappt haben läßt sich dann wiederum an
den nachfolgenden Veränderungen der Kriminalitätsfallzahlen ablesen;
die kybernetische "Rückkopplung" hätten wir dann also auch,
der Regelkreislauf wäre komplett. Das heißt nicht, daß
sein Funktionieren unterstellt würde, hier sollen nur Ansätze beschrieben
werden, die in Richtung auf rigide Steuerung des "unteren Drittels"
hinweisen. Kybernokratisches Teilsystem: "Gesundheitswesen" Die
bereits angesprochenen Eingriffe auf körperlicher Ebene lassen sich
durch die Entwicklung kybernokratischer Ansätze
im Krankheitswesen befürchten: "Zunächst
einmal müßten die Krankenkassen 'systematisch
untersuchen, welche Gesundheitsstörungen in welchen Personengruppen
mit welchen sozialen Verhältnissen typischerweise
auftreten'. Den Kassen würden entsprechende Daten vorliegen, die 'geradezu
darauf warten, ausgewertet zu werden'. Wichtig hierfür sei allerdings
auch die 'Zusammenarbeit mit anderen datenspeichernden Stellen' - die
Forscher denken da vor allem an die Renten- und Unfallversicherungen,
an Vertrauensärzte und Betriebsärzte; an die Gesundheits- und Gewerbeaufsichtsämter;
an Betriebsleitungen und Betriebsräte 'und andere mehr'. Sie alle könnten
'auf Anfrage den Kassen die für sie relevanten Daten übermitteln', wodurch
das Bild über Gesundheitsstörungen und 'Risikogruppen' abgerundet würde.
Der nächste Schritt sollte dann darin bestehen, 'daß
Kassenmitarbeiter als Kontaktpersonen in diese Gruppen hineingehen'.
Konkret könnte die Arbeit dieser 'Kontaktleute' so aussehen, daß
sie zum beispiel 'in einem Wohnbereich, zu
dessen Auswahl die Daten Anhaltspunkte geliefert haben, Hausbesuche
machen und zwanglose Gespräche in den Familien führen, um zu erfahren,
wo typische Probleme liegen."(34) "Im
Interesse einer 'vorausschauenden Gesundheitspolitik', so erklärte der
Bonner Ministerialrat Holler, müßten die Kassen
einen Funktionswandel anstreben; sie müßten
aufhören, nur Inkassobüros sein. Statt dessen
sollten sie endlich 'Einfluß auf das Gesundheitsverhalten' der Bürger nehmen. 'Problempatienten'
etwa, dies wird in einer Studie des Bundesarbeitsministeriums empfohlen,
sollten mit Hilfe der Kassen-Computer ausgesondert werden."(35) Dieses
Zitat entstammt einem Text, der bereits vor 9 Jahren geschrieben wurde
und macht wieder mal klar, daß zum Zeitpunkt
an dem solche Visionen beschrieben werden, eigentlich niemand daran
glauben will, daß es wirklich eine Entwicklung geben könnte, die das alles
realisiert. Gegenwärtig, im Jahr 1989 befinden wir uns bereits mitten
in der Umsetzung solcher Visionen. Inzwischen sind die Visionen einer
zunehmenden Anwendung gentechnischer Analysen und genetisch begründeter
Aussonderung hinzugekommen. Letztere werden bereits teilweise angewendet
zB. bei Arbeitskräften mit genanalytisch "nachweisbaren"
Allergien oder anderer Krankheitsanfälligkeiten
unter gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen (giftige Arbeitsstoffe
etc.). In diesem Zusammenhang mag der Rückblick auf die "Erbbiologie"
der Nazis erschreckender sein als in die Zukunft gerichtete Visionen.
"Kriminalbiologisch" ausgesonderte, "erbkrankes, unwertes
Leben" und "genetisch verursachte Asozialität/Gemeinschaftsunfähigkeit"
wurden der "Sonderbehandlung" zugeführt, und das bedeutete
:Tod. Daß die wissenschaftlichen Vertreter
solcher erbbiologischen Wahnsinnstaten auch nach 1945 nicht arbeitslos
wurden, sondern z.B. Prof.Dr.phil.Dr.med.
Siegfried Koller auch noch bis 1962 im Stastistischen
Bundesamt Wiesbaden Chef der Abteilung für Bevölkerungs- und Kulturstatistik
war (35), ist nicht nur besorgniserregend sondern empörend. Kybernokratie: Undurchschaubares Steuerungssystem Die
Inhumanität kybernokratischer Herrschaft trifft nicht nur das untere Drittel.
Die auf der Basis riesiger Datensammlungen und Computersimulationsmodelle
zustandegekommenen Steuerungsentscheidungen
können auch von Bildungsprivilegierten nicht mehr in ihrer Absicht und
ihren komplexen Wirkungszusammenhängen durchschaut werden, solange sie
nicht ebenfalls das technische Instrumentarium der Computersysteme und
Planungssimulationen zur Verfügung haben. Was ein scheinbar harmloses
Gesetz, das mithilfe von Simulationsmodellen z.B. für die Kranken-,
die Renten- oder Arbeitslosenversicherung
ausgedacht wurde, an sozialpolistischer Strategie
beinhaltet, das läßt sich nur dann schnell
abschätzen, wenn die komplexen dahinterliegenden statistischen Sachverhalte
mit Simulationsmodellen anschaulich dargestellt werden. Die Entmündigung
trifft alle, die "Transformation der Demokratie" betrifft
nicht nur die Entwertung der Parlamente durch die direkte Einflussnahme
von ökonomischer Macht, sondern die stumm wirkende informationelle Macht
computerisierter Planungszentralen steuert das System mit dosierten
Einzelmaßnahmen, deren Zusammenhang außerhalb nicht mehr erkennbar ist.
Und
selbst wenn die Einzelmaßnahmen auf eine Gesamtstrategie zurückgeführt
werden könnten, steht die Mobilisierung von Widerstand gegen die Durchsetzung
der Planungsziele vor dem Problem, daß die
Betroffenen mit sehr abstrakten Analysen von der Gefährlichkeit kleiner
Einzelmaßnahmen überzeugt werden müßten. Politischen
Widerstand gegen abstrakte Strukturen zu entwickeln, stellt neue Anforderungen
an politische Organisationen, die bislang kaum erkannt, geschweige denn
umgesetzt werden können. Flankierung
durch Sozialpsychologische Maßnahmen Nicht
nur die Komplexität von Gesellschaftsplanung im Computerzeitalter erschwert
den Durchblick für die von der Planung Betroffenen, sondern auch neue
Sozialtechniken, Techniken der Einflußnahme,
sozialtechnische Steuerungsinstrumente erschweren die Sicht auf die
dahinterliegenden Herrschaftsinteressen. Nicht nur die anonyme Gewalt
des strukturellen Zwanges einer immer komplexer werdenden technisch-sozialen
Infrastruktur verdeckt die Herrschaftsverhältnisse, sondern auch für
die gezielten Eingriffe, bei der Begegnungen zwischen Menschen stattfinden,
wurden neue Formen gefunden, die die Illussion
von Demokratisierung, Selbstbestimmung,Beteiligung,
Mitbestimmung und Selbstverwaltung hervorrufen, obwohl die Menschen
in diesen Formen nur freiwillig aus eigenem Antrieb das machen, wozu
sie vorher durch offensichtliche Kontrollen Anweisungen und Strafandrohungen
gezwungen worden sind. Beispiele
hierfür lassen sich in den neuen Formen der Arbeitsorganisation finden,
wo die Beschäftigten in "Qualitätszirkeln" ihr kreatives Potential
im Sinne der Unternehmensleitung nutzen sollen und gleichzeitig die
Arbeitszufriedenheit gesteigert werden soll, weil die Leute das Gefühl
haben, sie können Einfluß auf die Gestaltung der Arbeit ausüben. Ähnlich das
Konzept der "Organisationsentwicklung", in dem die sozialpsychologische
Struktur einer Betriebsorganisation zunächst analysiert wird und dann
in Diskussionsgruppen und Anleitung geschulter Organisationspsychologen
alle Konflikte und Verbesserungswünsche in einen dem Unternehmensziel
dienlichen Rahmen gebogen werden. Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene
sind umfangreiche Forschungen über BürgerInitativen
angestellt worden, die die Vereinnahmung für geplante Veränderungsprozesse,
z.B. Einführungen neuer Technologien zum Ziel hatten. Bürgerforen, Bürgerdialoge,
etc. haben eine ähnliche Zweischneidigkeit wie die genannten Beteiligungsmodelle
innerhalb von Betrieben. Was wie ein demokratisches Zugeständnis aussieht ist von
der Intention her eine Modernisierung der Herrschaft, eine geschickte
Einbindung derjenigen, die bei zu plumpem Vorgehen zum Protestpotential
werden könnten. Es wird nicht mehr nur technisch sondern sozialtechnisch
geplant, es wird nicht mehr nur eine problematische Technologie entwickelt,
sondern auch gleichzeitig das sozialtechnische Instrumentarium mit dessen
Hilfe diese Technologie in der Gesellschaft eingeführt werden kann,
mit dessen Hilfe "Akzeptanz" geschaffen werden kann und darüberhinaus
sogar erreicht werden kann, dass potentieller Protest als innovative
Gestaltungskraft innerhalb des vorgegebenen Zieles vereinahmt
wird, ohne die vorher getroffenen grundsätzlichen Entscheidungen in
Frage zu stellen. Dieser Prozeß ist unter
dem Begriff "Beteiligung an Gestaltung" hinlänglich bekannt
und in Ausbreitung begriffen. In
welcher Weise Menschen zunehemend zum Objekt
sozialtechnischer Steuerung gemacht werden, läßt
sich an den Methoden der "Menschenführung" studieren, die
in den letzten 70 Jahren entwickelt wurden. Das umfaßt:
"Human-Relations"-Techniken, die "Psychotechnik im Betrieb"
der Nazis, "Motivationstechniken", "Methoden zur Steigerung
der Arbeitszufriedenheit", bis hin zu Methoden, die innerhalb des
Programms zur "Humanisierung des Arbeitslebens" entwickelt
wurden und den neuen Beteiligungsmodellen, die wiederum in neue Managementkonzepte
des corporate identity,etc. eingesetzt
werden. Die Herrschaft über die Arbeitskräfte wird beständig ausgeweitet
auf den ideologischen Bereich, es entstehen Strategien der Beeinflussung,
die das Unternehmesziel in der gesellschaftlichen
Diskussion legitimieren sollen, die die bescheidenen Anfänge mit Betriebszeitungen
weit in den Schatten stellen weil sie massiv in die veröffentlichte
Meinung hineinwirken. Gerade
für die innerbetriebliche Manipulation von Bewußtsein
stellen die neuen Möglichkeiten der Betriebsdatenerfassung und Personalinformationssysteme
ein wichtiges Instrumentarium bei der Bestandsaufnahme und Steuerung
objektiver Faktoren, wie z.B. soziale Zusammensetzung von Arbeitsgruppen
dar. Dieses läßt sich jedoch nicht ohne weiteres
auf die gesellschaftliche Ebene übertragen, weil es hierbei um wesentlich
größere Menschenmassen geht, die auch nicht der weitreichenden Steuerungsmacht
einer zentralen Betriebsleitung unterworfen sind. Obwohl Großkonzerne
mit Beschäftigtenzahlen über mehreren Hunderttausend ein Steuerungspotential
aufbauen müssen, das bereits an die Probleme gesamtgesellschaftlicher
Steuerung nahe heranreicht. NACHTRAG:KRITIK AN VESTERS VORTRAG
BEI DER IKÖ-MITGLIEDERVERSAMMLUNG Auf
der Mitgliederversammlung des Institus für
Informations- und Kommunikationsökologie am 25.11.89 hat Frederic Vester
einen Vortrag zum Thema "Brauchen wir eine neue Kommunikation mit
der Wirklichkeit?" gehalten. Im folgenden
dazu eine Kritik: Die
Natur bzw. "Biosphäre" beschrieb er als "das einzige
Unternehmen" das schon seit Jahrtausenden
bestehe und "noch nicht pleite gegangen" sei, weil es nach
bio-kybernetischen Prinzipien funktioniere. Er forderte die Übernahme
des bio-kybernetischen Denkens auf die Wirtschaft und darüberhinausgehend
auf die gesamte Gesellschaft. Ja weitergehend noch, sieht er es als
Prinzip an, das die gesamte Welt, den Mikro- und Makrokosmos durchdringt.
Anhand von Analogien, Schaubildern und Dias versuchte er die bio-kybernetische
Einheit der Welt zu verdeutlichen. Die Übernahme der bio-kybernetischen
Systemorganisation für Wirtschaft und Gesellschaft stellt sich in den
Augen Vesters als die lange fällige Unterordnung
des Menschen unter die allgemein gültigen Ordnungsprinzipien der Welt
dar. Während die Natur aufgrund der bio-kybernetischen Prinzipien ihre
Überlebensfähigkeit bewiesen habe und mit allen möglichen Störungen
fertig werde, würden in unserer Wirtschaft und Gesellschaft nicht-lebensfähige
Organisationseinheiten künstlich am Leben gehalten, die er als "Mißgeburten"
und "Leichname" bezeichnete, womit er z.B. abgewirtschaftete
Kommunen oder Unternehmen meinte. In diesem Zusammenhang wird dann verständlich
wieso er besonders ausdrücklich und mehrfach darauf hinwies, daß
sein Institut nicht künstlich durch staatliche Hilfe am Leben erhalten
werde, sondern sich den Regelkreisläufen der freien Wirtschaft aussetze
und so seine Überlebensfähigkeit beweise, legt er doch damit nahe, daß
sich sein Unternehmen daher im Einklang mit den bio-kybernetischen Grundprinzipien
befindet, nach denen auch da „Unternehmen Natur“ funktioniert, wozu
gehört, daß nichtfunktionierende Teilsysteme
ausgeschieden werden. Man
möge sich bitte verdeutlichen. Was es heißt, wenn diese biokybernetischen
Gesetze auf die Sozialpolitik angewendet werden. Wie weit ist es vom
Organismusmodell der Gesellschaft zur Ideologie
vom „gesunden Volkskörper“? Wie soll in der bio-kybernetischen Gesellschaft
mit Sozialhilfeempfängern, Behinderten, Leistungsgeminderten oder anderen "nichtfunktionalen"
Randgruppen umgegangen werden, die nicht aus eigener Kraft innerhalb
der Marktgesetze lebensfähig sind, sondern auf die Hilfe anderer angewiesen
sind. Wer den Vortrag Vesters aufmerksam verfolgt
hatte, dem wird aufgefallen sein, daß Vester
davon sprach, daß biokybernetische Systeme
sich selbst erhalten und deshalb störende Elemente ausscheiden: "das
mag brutal für den Einzelnen sein, aber ist rettend fürs System".
Da er immer wieder davon sprach, daß wir der
Natur abgucken sollen, wie sie ihre Ordnung erhält und daß
dies auf Wirtschaft und Gesellschaft übertragen werden solle, läßt
sich die Gefahr einer sozialdarwinistischen Tendenz in Vesters
Ansatz nicht mehr von der Hand weisen. Bei
den biokybernetischen Systemen der Natur, so Vester,
gebe es keinen Steuermann, sondern der Steuermann sei Teil des Systems
selbst. Wer oder was soll aber der bio-kybernetische "Steuermann"
in der Gesellschaft sein ? Sollen es diejenigen
Menschen sein, die wie Vester die bio-kybernetischen
Regeln aus der Natur abgucken und dann deren Anwendung auf Wirtschaft
und Gesellschaft betreiben, quasi als Vertreter göttlicher Naturregeln
in der menschlichen Gesellschaft ? Auf die Frage, ob er vielleicht in den anonym
wirkenden marktwirtschaftlichen Regulierungsmechanismen solche bio-kybernetischen
Prinzipien verwirklicht sehe, blieb er die Antwort schuldig. Auch die
Frage, ob im bio-kybernetischen Sozialsystem eine naturgesetzliche Determiniertheit
bestünde und wie es dann mit der Freiheit bewußter
menschlicher Entscheidungen stünde, blieb unbeantwortet. Selbst
eine Ablehnung des ISDN verband Vester noch
mit seiner biologistischen Ideologie: ISDN, so Vester
sei ein Rückschritt in der Evolution, weil diese Art von Vernetzung
die Verletzlichkeit des Systems steigere, wenn alle Leute im Auditorium
über ein und denselben Blutkreislauf miteinander verbunden wären, dann
hätten wahrscheinlich schon alle Aids und im ISDN könnten sich die Computerviren
auf vergleichbare Weise ausbreiten. (1)
Vgl. dazu Ludwig Trepl, Geschichte der Ökologie,
Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Frankfurt 1987 und Trebl,
Ökologie, Alternative zu den 'klassischen' Naturwissenschaften, in Wechselwirkung
Nr.21, Mai 1984, S.20:"..daß ich mit Ökologie eine biologische
Wissenschaft meine, keine auf jeden Gegenstand einschließlich der menschlichen
Gesellschaft anwendbare 'Betrachtungsweise', keine 'integrative Überwissenschaft'
und keine Weltanschauung" (2)
Engelbert Schramm, Ökologie - Die Geschichte einer wissenschaftlichen
Theorie und ihre Folgen, in: Fachschaft Biologie Tübingen (Hrsg.),Ökologie
und Politik, Vom biologischen Wissen zum politischen Handeln? Tübingen
1988. (3)
Vgl. Jürgen Habermas, Logik der Sozialwissenschaften, Raubdruck ohne
Jahresangabe, Das Manuskript wurde 1966,Frankfurt abgeschlossen. Abgedruckt
auch in Philosophische Rundschau, 1967, Beih.
5 (4)
Jochen Zeil, Systemtheorie und Ökologie, in: Ökologie und Politik,
Tübingen 1988, beschreibt die Grenzen der technisch/mathematischen Systemtheorie
u.a. am Beispiel des "Pupillensystems", S. 28 (5)
Joseph Weizenbaum Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft,
Frankfurt 1977, (6)
Diesen Hinweis verdanke ich Hans Otto Reiber, Göttingen (7)
Vgl. die Hinweise von E. Schramm in Ökologie und Politik, S.13, auf
C.v. Linne, Öconomia
naturae. Das Argument mit "oikos"
sei "das Ganze" gemeint, kam übrigens von einem Mitarbeiter
der evangelischen Akademie Bad Boll, als er die Wahl des Begriffes "Kommunikationsökologie"
verteidigte. (8)
Nach dem Bericht von Gerda Freise (Göttingen), Geist und Natur, Beobachtungen
auf einem Kongreß, in: Wechselwirkung Nr. 38, August 1988, S.44. Gerda
Freise verdanke ich übrigens viele wichtige Hinweise (9)
F. Capra, Wendezeit, Bausteine für ein neues Weltbild, Bern/München/Wien,
1983, S. 324, zitiert nach Michael Weingarten, Zur Kritik der ökologischen
Vernunft, in: Ökologie und Politik, S.42 (10)
Trepl, 1987, S.231, den Begriff "biokybernetische Weltmaschine"
zitiert er aus Egon Becker, Natur als Politik, in Kluge,T. (Hrsg), Grüne Politik,
Frankfurt 1984, S. 116 (11)
Lt. Protokoll eines Vortrages vom 24.10.87, Titel "Volkszählung
als Teilaspekt der Industrialisierung der Gesellschaft", das im
Rahmen der Volkszählungsdiskussion an die Boykottinitiativen verschickt
worden ist. Als Autor wird dort Wilhelm Steinmüller angegeben. Vgl.
auch: Wilhelm Steinmüller, Informationstechnologien und Informationssysteme,
in: Norbert Müllert (Hrsg.) Schöne elektronische Welt, Hamburg, 1982,
S.22 (12)
Kubicek/Rolf, Mikropolis, Hamburg 1985, S.272 (13)
Diskussionspapier/Entwurf für den Problemaufriß,
dem sich die Fachgruppe "Kommunikationsökologische Grundlagenforschung"
innerhalb des Institus für Informations- und
Kommunikationsökologie (IKÖ) widmen soll,
1988 (14)
Barbara Mettler-Meibom, Kommunikationsökologie
als Herausforderung an unser Denken und Handeln, in Medien, Dokumentation
14 (Schriftenreihe des Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik
e.V.), Claudia Schmidt u.a. (Hrsg), Frankfurt,
1988 (15)
ebenda, S. 76 (16)
ebenda, S. 77 (17)
Satzung des Instituts für Informations- und Kommunikationsökologie (IKÖ),
Köln, den 11.3.89, Paragraph 2, Absatz (2) (18)
Zitat Barbara Mettler-Meibom in DIE ZEIT Nr.13,
24.3.89,S.25, in einem Artikel von Gunhild Lütge
über die Gründung des IKÖ (19)
In: Die Feder, Nr.2, 89, S.46, Es handelt sich um ein Zitat aus dem
Einladungsschreiben des IKÖ vom 16.1.89 zur
Gründungsversammlung (20)
taz, 14.3.89, Artikel von Gerd Rosenkranz zur IKÖ-Gründung,
hierbei handelt es sich um ein Zitat aus der IKÖ-Pressemitteilung
zur Gründung für die Pressekonferenz am 12.3.89 in Hannover (21)
Th. Adorno, Minima Moralia, 1983,
S.149 f, Dieses Zitat Ausgangspunkt für eine kritische Reflexion von
Ludwig Trebl, der den Natur- und Landschaftsschutz als eine Ausdehnung
des Hagenbeck'schen Zoos aufs Ganze ansieht.
Aus seiner Fußnote dazu ist auch das Adorno-Zitat übernommen worden.
Siehe Trebl, Geschichte der Ökologie, S.231
(22)
Persönlichen Anmerkung Trebls zu dem vorhergehenden
Adorno Zitat, die er auf einem Vortrag 1984 in Essen gemacht hat, abgedruckt
in Wechselwirkung Nr.21/1984, S.22 (23)
Barabara Mettler-Meibom, Soziale
Kosten in der Informationsgesellschaft, Überlegungen zu einer Kommunikationsökologie,
Frankfurt 1987, S.101 (24)
ebenda, S.103 (25)
Frederic Vester: Ballungsgebiete in der Krise, Vom Verstehen und Planen
menschlicher Lebensräume, Frankfurt 1986 (2), S.30. Vester
beschreibt dies dann auch als eine Analogie zu Krebs. (26)
ebenda, S.31 (27)
Hans Schäfer, Was kennzeichnet Biologische im Gegensatz zu technischen Regelvorgängen ?, in: Norbert Wiener,
Kybernetik, RoRoRo, 1968, S. 244 (28)
Die theoretische Schwächen eines solchen Übertragungsversuches zeigt
Jürgen Habermas, in: Habermas/Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder
Sozialtechnologie,Frankfurt 1971,
S.146 ff, (Abschnitt Systemtheorie der Gesellschaft oder Sozialkybernetik?) (29)
Herbert Schmidt, Das Sozialinformationssystem der Bundesrepublik Deutschland,
Sozialinnovation durch Informationstechnologie, Schriftenreihe des ADL-Verband für Informationsverarbeitung e.V., Herausgeber:
Paul Segert, Eutin 1977, S. 83 ff. Herbert
Schmidt war derzeit Leiter des Referats "Sozialinformationssysteme,
Kompatibiltät und Normierung" im Bundesministerium für
Arbeit und Sozialordnung. (30)
Jürgen Habermas, Technik und Wissenschaft als Ideologie, Frankfurt 1968,
S.97ff (31)
Sebastian Cobler, DAZUSY, PSI und MOPPS, Computer auf den Spuren von 'Risikopersonen',
in: Kursbuch 66, Berlin 1981, S.9 (32)
Ein Zitat von Horst Herolds Äußerungen im Rahmen eines Interviews, das
Cobler mit ihm geführt hat, in:Sebastian
Cobler, Herold gegen alle, in Transatlantik
Nr.1(?), S.36ff (33)
ebenda, S. 37 (34)
Cobler, Kursbuch 66, 1981, S.13ff (35)
Ebenda, S. 12 (36)
Nach Aly/Roth,Die restlose Erfassung, Rotbuch 1984, S.96 f |