Texte und Bilder © by goest > goest Startseite Emine
Sevgi Özdamar 3.10.03 / Sevgi Özdamar erklärt ihr Leben zwischen Türkei, Ost- und Westberlin und auch Frankreich. Besser gesagt eine Geschichte über Sprache! Sevgi Özdamar lebt durch und durch in Sprache. Die Sprache ihrer gelesenen Texte und auch das was sie auf Fragen antwortet kommt nicht von oben herab, sondern von nebenan auf gleicher Augen- bzw. Ohrenhöhe zum Publikum. Und obgleich heiter, plätschert es nicht leicht daher, sondern die Worte schleppen Gefühle mit sich. Sie schleppen Lachen und Weinen mit sich, dicht hinter sich her. Bei ihren ersten Lesungen habe sie das Gefühl gehabt, sie könne nicht das, was sie "leise gedacht habe, laut lesen", inzwischen habe sie das aber wie eine Rolle entwickelt. "Man kann seine Muttersprache auch im eigenen Land verlieren", als das türkische Militär in ihrem Land diktatorisch herrschte, sagt sie "wurden meine türkischen Worte krank, sie zerbröselten". Sie schreibt in deutscher Sprache, in Berlin lesen die TürkInnen sie auch in deutscher Sprache. Ihre Bücher sind in 10 Sprachen übersetzt. In der Türkei haben ihre Bücher starke Resonanz ausgelöst. Aber die deutschen LeserInnen müssen auch schon mal ein paar türkische Worte lernen. Sie
liest vor (unverkennbar autobiografisch) aus "Die goldene Brücke von Horn"
: Geschichten einer Türkin, die Schauspielerin werden will, die ihre Schule schmeißt
und traurig ihre Eltern verläßt, nachdem sie ihnen auf alle Fragen mit auswendig
gelernten Passagen aus Shakespeare und anderen Klassikern geantwortet hat.
Später im fremden Land lernt sie Zeitungsschlagzeilen auswendig und wendet
diese auswendig gelernten Sätze bei allen unpassenden Gelegenheiten an. Wenn sie nachhause fährt in die Türkei, auf eine kleine Insel gegenüber von Lesbos - dann merkt sie, dass ihr "Körperrythmus zu schnell ist". Dort geht alles langsamer. Sie hat einen Verkäufer in einem Laden beobachtet und gemerkt, dass er alles langsamer macht als sie es machen würde. Dann hat sie sich körperlich auf ein geringeres Tempo eingestellt und mit diesem Körperrythmus kommt sie dann erst wieder zuhause an. Emine
Sevgi Özdamar wollte die Brechtsche Sprache lernen oder wie sie sagt "die
brechtige Sprache" oder meinte sie prächtig? Sie hatte früher schon 10 Jahre
lang die Schallplatte mit Brechtsongs von Busch gehört und nachgesungen. Ein grandioses
Versäumnis, sie nicht an diesem Literaturabend aufgefordert zu haben, einen dieser
Songs vorzutragen. Ostberlin gefiel ihr am Anfang besonders deswegen, weil die Menschen dort so viel lasen. Sie hätte in den Buchhandlungen z.B. die Arbeiter in Arbeitskleidung und blauen Latzhosen gesehen, die sich die Bücher hätten einpacken lassen, ja und sie selber habe auch immer mehr gelesen, wenn sie im Osten gewesen sei. Jens Meyer (Hannover), Journalist, Theatergänger und Mitbegründer des Literarischen Salons, sollte mit Özdamar über ihr Leben in den zwei Berlins, über ihr Schreiben, die Schauspielerei und darüber sprechen, dass sie in deutschen Filmen wie "Happy Birthday Türke" immer wieder die kopftuchtragende »Türkenmutti« spielt. Leider konnte Jens Meyer wegen eines Todesfall in seiner Familie am Morgen des Veranstaltungstages nicht kommen. Hauke Hückstädt, Leiter des Literarischen Zentrums sprang ein und führte nach der Lesung das Gespräch.
Bisher
erschienen: geb.:
1946
|