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Betriebsexpress e.V.: Die
GBE Papierausgabe im Buchladen Rote Straße |
Zum
GBE-Artikel "Uniklinikum
Personalrat: Zurück auf Los .." hat
uns am 30.11.10 folgender Leserbrief erreicht: Sehr geehrte Damen und Herren, die auf der GOEST-Homepage dargelegten Ausführungen aus dem GBE 189 zum Drumherum um den UMG-Personalrat sind mir z. T. neu, zudem nicht ganz korrekt. So ist mir neu, dass die abgewählte PR-Vorsitzende Hille eine GeNi-Vertreterin ist/war. Vielmehr ist/war sie eine Vertreterin der "Neue Alternative" und wurde von Mitgliedern dieser Liste, der "KISS-Liste" und "Alternative" gewählt. Dies schlösse natürlich auch eine GeNi-Mitgliedschaft Frau Hilles nicht aus, jedoch war sie doch nicht über GeNi die PR-Vorsitzende an der UMG. Auch ich bin als Sozialarbeiter Mitglied einer dbb-Gewerkschaft, nämlich des DBSH. Dies liegt daran, dass der DBSH auch Berufsverband ist und hier deutliche, keinesfalls auf Schmusekurs getrimmte, Zeichen setzt gegenüber Politik und Arbeitgebern. Ver.di könnte mir zudem eine solche Fachlichkeit gar nicht bieten, vertritt (kein Vorwurf!) eben doch vornehmlich den Bereich Krankenpflege/Versorgung im Sektor Krankenhaus. Bitte also keine Pauschal-Kritik gegenüber dbb-Gewerkschaften. Auch die nicht zustande gekommene Tarifeinigung bzgl. VBL-Absenkung zugunsten aller Beschäftigten an der UMG darf wohl nicht Frau Hille angelastet werden, hier hat leider der Marburger Bund samt seiner Klientel Dünkel gehabt. Dass dieser aktuelle Personalrat nicht sonderlich arbeitnehmerfreundlich und insgesamt als zerstrittener Haufen in Erscheinung getreten ist, daran ist natürlich kaum zu rütteln. Allerdings waren sich auch die Ver.di Kolleginnen/Kollegen im PR nicht immer grün. An der Basis fühle ich mich von meinen Ver.di-Kolleginnen/Kollegen allerdings an der UMG seit Jahren gut vertreten, auch ohne Mitgliedschaft dort. |
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Zahlen – Jobs Die Krise ist vorbei – das hören wir überall in den Medien. Normalerweise unterlegt mit Bildern aus geschäftigen Containerhäfen oder von den Fließbändern der Automobilindustrie. Dass die Krise aber tiefe Spuren hinterlässt, zeigt das Beispiel von Sartorius. Eine ganze Weile war es jetzt ruhig bei Sartorius. Nach dem Krisenjahr 2009 schien wieder der Normalbetrieb eingekehrt zu sein. Die relative Ruhe hat aber die Tatsache verdeckt, dass in der Mechatronik immer noch ca. 100 KollegInnen in Kurzarbeit Null sind, das heißt sie arbeiten überhaupt nicht aktiv im Betrieb, denn sie werden qualifiziert. Angesichts des dramatischen Umsatzrückgangs in der Mechatronik im Jahr 2009 wäre das auch gar nicht ungewöhnlich, allerdings hat die Situation sich inzwischen deutlich geändert. Die Nachfrage nach Filtern steigt seit Jahren kontinuierlich, im Jahr 2010 ist aber auch die Nachfrage nach Waagen in der Mechatronik größer geworden. Und zwar so groß, dass die Firma mit der Produktion nicht mehr hinterher kommt. Zu Beginn der Krise Ende 2008 konnte die Firma von ihrem Auftragspolster zehren. Dies kehrte sich im Jahr 2009 bereits um: Am Ende des Jahres lag die Summe der Mechatronik-Aufträge 4,2 Millionen über dem Umsatz. Dies steigerte sich von Quartal zu Quartal: März 2010: 6,4 Mio., Juni 2010: 9,0 Mio., September 2010: 13,8 Mio.. Auf gut deutsch: die Produktion kommt nicht hinter der Nachfrage her. Mit gesundem Menschenverstand würde man sagen: Ärmel hochkrempeln, Leute einstellen. Nicht so bei Sartorius. Auf der letzten Betriebsversammlung der Mechatronik hat Vorstandschef Kreuzburg betont, dass die Produktion längst in der Lage ist, die laufenden aktuellen Aufträge abzuarbeiten. Leider gäbe es da aber so einen Auftragsberg, den man vor sich her schieben müsse, weil ja Kurzarbeit ist. Aus seiner Sicht gäbe es schon zu viele Mitarbeiter in der Fertigung. Hinter vorgehaltener Hand munkelt man, dass die Geschäftsführung nur darauf wartet, dass sie die Kurzarbeiter erfolgreich in eine Transfergesellschaft "überführt" hat – dies soll zum Ende des Jahres 2010 geschehen. Dann kann sie endlich wieder billige Leiharbeiter einstellen, Arbeitszeitkonten hochfahren und den Auftragsberg abbauen. Es kann allerdings gut sein, dass die Rechnung ohne den Markt gemacht wird. Viele Kunden sind ungeduldig und wollen Lieferzeiten von mehreren Monaten nicht akzeptieren. Sie wandern entweder ab zur Konkurrenz, die mit kürzeren Lieferzeiten wirbt, oder sie lassen sich die Wartezeit mit Extrarabatten versüßen – beides schmälert letztlich den Gewinn der Mechatronik-Sparte. Dass es eine Betriebsvereinbarung gibt, die im Falle steigenden Aufträgen die Rückholung von KollegInnen aus der Kurzarbeit vorsieht, ignoriert der Vorstandschef einfach. Dass Kreuzburg auf Leiharbeit setzt, muss man nicht nur vermuten. In der Biotechnologie ist das Teil des betrieblichen Alltags. Während in der Mechatronik die KollegInnen in Kurzarbeit sind, beschäftigt Sartorius in der Biotechnologie ca. 70 Leiharbeiter. Als das Göttinger Tageblatt kürzlich in einem Artikel über die Zunahme von befristeten Arbeitsverhältnissen berichtete, hat sich die Redaktion dabei von der Sartorius-Pressestelle an der Nase herum führen lassen. Sartorius hat sich als Unternehmen dargestellt, in dem befristete Arbeitsplätze kaum eine Rolle spielen. Dass aber über 10% der Belegschaft der Biotechnologie Leiharbeiter sind und noch weniger Rechte haben als Befristete – darüber wurde stille geschwiegen. Wäre ja auch nicht so gut angekommen angesichts der Kurzarbeit in der Mechatronik. Die KollegInnen sind daher berechtigterweise sauer, dass nur eine Handvoll KollegInnen aus der kurzarbeitenden Mechatronik einen neuen Job in der Biotechnologie bekommen haben – und das obwohl der Sozialplan aus dem letzten Jahr ausdrücklich vorsieht, dass die Kollegnnen aus der Kurzarbeit mit Vorrang innerhalb des Konzerns unterkommen sollen. Das ignorieren getroffener Vereinbarungen wird bei Sartorius allerdings längst zur schlechten Gewohnheit. So warten die KollegInnen aus der Biotechnologie ja immer noch auf den längst überfälligen ersten Spatenstich für den Bau einer neuen Produktionslinie. Im Jahr 2008 hatten sie durch Gehaltsverzicht erreicht, dass die Geschäftsleitung ihre Drohung zurück nimmt, diese neue Linie im Ausland zu bauen. Bis jetzt ist von einem Neubau aber weit und breit nichts zu sehen, aber die eingesparte Kohle der Kolleginnen ist schon mal einkassiert worden. Kreuzburg geht dabei Konfrontationen so weit es geht aus dem Weg. Das skurrilste Beispiel dafür war sicherlich die letzte Betriebsversammlung der Mechatronik. Viele KollegInnen, die aktuell Kurzarbeit machen und zum Jahresende vor der Alternative Abschiebung in eine Transfergesellschaft oder Kündigung stehen, wollten hier endlich wissen, was denn nun geplant ist. Sie bekamen aber nichts zu hören – als sei die Entscheidung noch nicht getroffen, wie es denn weiter gehen soll. Aber spätestens als sie wieder zu Hause waren, wurden sie für den nächsten Tag zu einer Informationsveranstaltung über die Transfergesellschaft am nächsten Tag eingeladen. Es macht den Eindruck als habe Konzernlenker Kreuzburg nicht die Traute, der Belegschaft offen ins Gesicht zu sagen, was er vorhat. |
Ist das Schlimmste vorbei? Die Firma Mahr in den Göttinger Leinewiesen gehört zu den Metallbetrieben, die es im Krisenjahr 2009 besonders hart getroffen hat. Der Unternehmensbereich "Messtechnik" hat vor allem die Automobilindustrie als Kunden. Dort wurde 2009 hart gespart und das haben Firmen wie Mahr bitter zu spüren bekommen – der Umsatz brach um 40% ein, die Aufträge sogar noch mehr. Mahr ging es wie vielen mittelständischen Betrieben: die Banken hatten mit ihrer eigenen Krise genug zu tun und dachten nicht daran auch noch Geld zur Rettung solcher Firmen zu riskieren. Der GBE hat über die harten Zeiten bei Mahr mehrfach berichtet: die KollegInnen mussten auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten und in Kurzarbeit gehen. Und immer noch wird teilweise kurz gearbeitet. Etwa 200 KollegInnen arbeiten ca. 15% weniger als normal. Inzwischen ist der Umsatz wieder angestiegen aber auch 30% Umsatzzuwachs gegenüber 2009 sind nicht genug, um das Niveau des Jahres 2008 wieder zu erreichen. Bemerkenswert ist, dass die Firmenleitung weiterhin möglichst viele Fachkräfte im Betrieb zu halten. Das ist doch ein deutlicher Unterschied z.B. zu Sartorius, wo 100 KollegInnen in eine Transfergesellschaft geschoben werden. Zwar wird auch bei Mahr versucht, ältere KollegInnen zum vorzeitigen Ruhestand zu bewegen oder irgendwie sonst "heraus zu kaufen", aber betriebsbedingte Kündigungen sind nicht geplant. Das laufende Geschäft stellt sich bei Mahr allerdings ähnlich chaotisch dar wie in vielen kleinen und mittleren Betrieben: zwar soll aus finanziellen Gründen die Möglichkeit der Kurzarbeit bis Februar 2011 ausgeschöpft werden, aber auf der anderen Seite kommen die KollegInnen mit der Arbeit kaum nach. Da ist zum Einen der Bereich Spinnpumpen, der sowieso kaum von der Krise (und der Kurzarbeit) betroffen war und weiterhin 'brummt'. Da ist zum Anderen die schwierige Versorgung mit Bauteilen. Insbesondere manche elektronische Komponenten sind zur Zeit auf dem Weltmarkt schwer zu bekommen und dann gnadenlos überteuert. Bauteile, auf die man in normalen Zeiten 6 Wochen warten muss, sind nun erst nach 6 Monaten zu bekommen. Das macht eine Fertigungsplanung natürlich komplizierter. Dazu kommen allerdings hausgemachte Probleme. Die Umstellung auf die sogenannte 'Pull'-Steuerung, bei der eine Komponente oder ein Produkt erst hergestellt (oder bestellt) wird, wenn es gebraucht wird, spart zwar Lagerkosten ein, sorgt aber für noch längere Lieferzeiten, wenn es unvorhergesehene Engpässe gibt. Außerdem hat Mahr in Tschechien, wo die Möglichkeit der Kurzarbeit wie in Deutschland nicht bestand, eine Menge KollegInnen entlassen und sich damit selbst Lieferengpässe beschert. Das gleiche gilt für einfache Produkte und Komponenten, die inzwischen auf dem Weltmarkt eingekauft werden. Wenn eine Firma "Outsourcing" betreibt, sitzt sie eben nicht mehr selber an der Quelle |
Lippenbekenntnisse statt Bekämpfung von Missbrauch Es herrscht Land auf, Land ab Einigkeit darüber, dass Leiharbeit Scheiße ist. In der Umgangssprache ist deswegen auch nicht vom 'verleihenden Betrieb' die Rede sondern vom Sklavenhändler. Dabei müsste Leiharbeit nicht unbedingt etwas Ehrenrühriges sein. Man stelle sich vor: eine Firma bezahlt jemanden auch dafür, dass er sich in Bereitschaft hält, irgendwo hochflexibel aus zu helfen, wo gerade Not am Mann ist. Man stelle sich vor, eine LeiharbeiterIn bekäme das gleiche Geld wie die fest angestellten KollegInnen – nur noch einen Bonus von 15% oben drauf als Ausgleich für die Unsicherheit des Arbeitsplatzes. Das wäre dann zwar nicht der Traumarbeitsplatz – aber immerhin für manch einen attraktiv, der mit der 'Sicherheit' eines festen Arbeitsplatzes in seiner Lebensplanung (noch) nichts anfangen kann. Das klingt wie eine Utopie – ist aber völlig normale Realität in Frankreich, wo es für Leiharbeiter eben diesen 15%igen 'Prekariatszuschlag' gibt. Natürlich klingelt jetzt gleich das Gejaule der Arbeitgeberverbände in den Ohren, das sei das Ende der Leiharbeit, der Flexibilität und des Abendlandes. Tatsächlich gibt es aber in Frankreich etwa genau so viele LeiharbeiterInnen wie in Deutschland. Die Firmen sind also offensichtlich bereit, für flexible Produktionskapazitäten ein bisschen mehr auf den Tisch zu legen. In Deutschland ist dagegen nach der weitgehenden Deregulierung der Leiharbeit ein beispielloser Unterbietungswettbewerb eingetreten. Dabei sieht das Arbeitnehmer-Überlassungs-Gesetz (AÜG) vor, dass LeiharbeiterInnen genau so bezahlt und behandelt werden wie die fest angestellten KollegInnen. Der einzige Trick: falls es in der Leiharbeitsfirma einen gültigen Tarifvertrag gibt, gilt dieser. Das Einzige, was die Leiharbeitsfirmen also tun mussten, war die Gründung bzw. Anwerbung einer (un)christlichen Gewerkschaft, die ihnen irgend so ein Papier unterschreibt. So kamen Tarifverträge zustande, die Mindestlöhne von z.B. 5,70 €/h vorsahen und dann sogar noch Öffnungsklauseln zum Unterschreiten dieser Löhne beinhalteten. In dieser Situation haben dann auch IG Metall, ver.di und der DGB sich auf Tarifverträge mit der Leiharbeitsbranche eingelassen. Dadurch waren die Bedingungen zwar leicht verbessert, aber mit Ruhm bekleckert haben sich die großen Gewerkschaftsverbände damit nicht, denn sie boten damit den legitimierenden seriösen Anstrich für diese Form von Lohndumping. Aber die Gier vieler Ausbeuter in den Chefetagen von großen Konzernen und kleine Krautern kannte keine Grenzen. Es wurden immer neue Tricks entwickelt, um die Lücken des AÜG auszunutzen. Diese Lücken sind allerdings nicht durch Schlamperhaftigkeit des Gesetzgebers da hineingekommen – nein sie wurden im Laufe der Gesetzesgeschichte "hinein erfunden", z.B. von der rot-grünen Regierung im Rahmen der Agenda 2010:
Ein dreistes Beispiel von Ausbeutung, das in der Presse viel Beachtung fand, war der Fall Schlecker: KollegInnen wurden auf die Straße geschickt und von einer zum Konzern gehörenden Leiharbeitsfirma gleich wieder eingestellt – auf dem gleichen Arbeitsplatz und zu weit niedrigeren Löhnen. Es sei allerdings erwähnt, dass Schlecker bei Weitem nicht die einzige Firma ist, die dies so macht – vielleicht ist sie nur die ungeschickteste. Jedenfalls hat der Schlecker und die Öffentlichkeitsarbeit von ver.di in diesem Fall einiges bewirkt. Es wurde für Politiker plötzlich schick, sich von solchen (ja eigentlich gewollten) Effekten des Gesetzes zu distanzieren. Der Missbrauch des Gesetzes müsse unterbunden werden, hieß es allenthalben. Jetzt hat die Arbeitsministerin von der Leyen einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes vorgelegt. Aber wieder erweist sich die CDU als Sachwalter von Kapitalinteressen. Statt die unselige Ausnahme 'eigener Tarifvertrag' endlich zu streichen und damit das Prinzip 'equal pay', also gleiche Bezahlung, für die LeiharbeiterInnen festzuschreiben, gibt es nur eine billige Ausnahme von der Ausnahme. Künftig soll lediglich der sogenannte 'Drehtür-Effekt' verhindert werden, d.h. das Feuern und gleich wieder Einstellen im gleichen Betrieb soll erschwert werden. Kein Wunder, dass außer dem (Un-)Christlichem Gewerkschaftsbund CGB die Gewerkschaften kein gutes Haar an dem Entwurf lassen. Einziger echter Fortschritt in dem Gesetzentwurf ist die Streichung der untertariflichen Bezahlung für Arbeitslose und das geplante Verbot von Ablösezahlungen für LeiharbeiterInnen, die fest eingestellt werden sollen. Der letzte Punkt ist allerdings nur die längst überfällige Umsetzung einer EU-Richtlinie, die diese Ablösezahlungen verbietet. Das wäre mal ein Beispiel für ein arbeitnehmerfreundliches Gesetz. Leider droht aus Brüssel aber gleich wieder neues Ungemach in Form der vollen Freizügigkeit für ArbeitnehmerInnen ab 1. Mai 2011. Ab diesem Zeitpunkt können Leiharbeitsfirmen ihre Arbeitskräfte in der gesamten EU zu den Tarifen des jeweiligen Heimatlandes verleihen. Damit ist eine weitere Unterbietungsrunde eröffnet. Laut einer Umfrage der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza sind etwa 500.000 Polen bereit, zum Geld verdienen ins Ausland zu gehen. Und nicht nur polnische Leiharbeitsfirmen stehen bereit, den Ausbeutermarkt in Deutschland zu bedienen, auch deutsche Firmen gründen bereits Niederlassungen in Polen, um dann LeiharbeiterInnen nach Deutschland zu 'liefern'. Tomasz Major, Chef des polnischen Unternehmerverbands für grenzüberschreitend tätige Zeitarbeitsfirmen IPP, berichtet in der Frankfurter Rundschau: "Einige haben von polnischen Rechtsanwälten Firmentarifverträge aufsetzen lassen, in denen Dumping-Stundenlöhne von vier, fünf Euro stehen". … "Nach dem 1. Mai werden diejenigen in Deutschland ihr Glück versuchen wollen, die auf dem polnischen Arbeitsmarkt ihre Schwierigkeiten haben: Arbeitslose mit schlechter Ausbildung", sagt er voraus. "Aber auch wer in Polen für umgerechnet 1,20 Euro oder wenig mehr arbeitet, wird es lohnend finden, sich für drei Euro anzubieten". Einziger Lichtblick in der Leiharbeitsdebatte ist der Tarifabschluss in der Stahlindustrie, der eine (annähernd) gleiche Bezahlung von LeiharbeiterInnen festschreibt – und da ist es egal, ob das nun Christiane aus Groß Schneen oder Krzysztof aus Toruń ist. Spannend wird auch der Ausgang eines langen Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht. Hier geht es um die Frage, ob die christlichen Gewerkschaften überhaupt berechtigt waren, in der Leiharbeitsbranche einen Tarifvertrag abzuschließen – mehrere Landesarbeitsgerichte haben ihnen die Tariffähigkeit bereits abgesprochen. Sollte das Bundesarbeitsgericht genauso entscheiden, wäre der Weg frei, einen vernünftigen Tarifvertrag deutlich über dem jetzigen Niveau auszuhandeln, wenn – tja wenn der DGB im Frühjahr nicht längst einen Tarifvertrag für die nächsten vier Jahre abgeschlossen hätte. Mit der Leiharbeit ist es also so wie immer in der Politik: Niemand sollte sich darauf verlassen, dass andere für ihn die Kastanien aus dem Feuer holen – auch dann nicht, wenn es um die Gewerkschaften geht, die ja genau zu diesem Zweck gegründet sind. Auch im Bereich der Leiharbeit müssen die Beschäftigten auf die eigene Kraft vertrauen und im Zweifel selber in Schwung kommen, wenn in ihrem Betrieb Lohndrückerei durch Leiharbeit betrieben wird – in ihrem eigenen Interesse und im Interesse der KollegInnen, die zu Dumpinglöhnen in ihren Betrieb geschickt werden. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als Solidarität. |
Neues von der Hartz-IV-Front Front? Ist denn Krieg? Nun, geschossen wird nicht. Aber der Sozialabbau speziell für die Menschen, die Arbeitslosengeld II (im Volksmund Hartz IV) beziehen, geht rasant weiter. Dabei hatten viele nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Februar dieses Jahres gehofft, dass es mehr Geld und Verbesserungen für die Betroffenen geben würde. Wir berichteten in unserer letzten Ausgabe ausführlich darüber. Das Gericht hatte festgestellt, dass die Regelleistungen und einiges mehr nicht verfassungsgemäß wären. Zunächst hatten einige KlägerInnen es bis vor das höchste Gericht geschafft, weil klar geworden war, dass in den Berechnungen der Regelsätze nichts für Bildung und schulische Hilfen eingeplant worden war. Überhaupt war die gesamte Erfassung und Berechnung erst im Laufe des Verfahrens vom Gericht angezweifelt worden. Allerdings sprach das BVG ein sehr merkwürdiges Urteil: erst stellte es fest, dass also etliches nicht verfassungsgemäß war. Um dann später im Urteil aber zu sagen, wenn das alles besser begründet und transparenter gemacht würde, dann wäre es eben vielleicht doch verfassungsgemäß. Kritiker sprachen von einem Eiertanz des höchsten deutschen Gerichtes und meinten, es könne sogar zu Kürzungen kommen. Was nun teilweise auch tatsächlich passiert. Aber es passiert viel mehr. Auf mehreren Ebenen in verschiedenen Gesetzesvorhaben wird den Menschen, die ohnehin nicht genug Geld zum Leben haben, immer noch mehr gekürzt und gestrichen. Sparplan, genannt Haushaltsbegleitgesetz Das geht los mit einem sog. Haushaltsbegleitgesetz, welches Sparmaßnahmen umsetzen soll. Nicht nur im Sozialbereich, aber fast ausschließlich dort. Dieses Gesetz ist bereits beschlossen und hat deutliche Verschlechterungen im ALG II und im Wohngeldgesetz geschaffen:
Regelbedarfsermittlungsgesetz Das Gesetz, welches die Leistung Arbeitslosengeld II regelt, ist ja eigentlich das Sozialgesetzbuch II (SGB II). Dieses (und teilweise auch das SGB XII, welches die Grundsicherung regelt = entweder, wenn jemand keine 3 Stunden am Tage mehr erwerbsfähig ist oder als Grundsicherung im Alter, ergänzend zur Altersrente) erfährt nun eine umfangreiche Gesetzesänderung, die im Wesentlichen durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil nötig wurde und bis zum 31.12. dieses Jahres erledigt sein soll. Sie wird aber nicht einfach Gesetzesänderung des SGB II und SGB XII genannt. Nein, sie heißt "Gesetzesentwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches". Das alles gehört zum System des Kaschierens, Aufsplittens und Verwirrungstiftens auch durch Sprache, welches in der Politik immer mehr um sich greift. Längst sind die Erwerbslosen "Kunden", die ArbeitsvermittlerInnen heißen "FallmanagerInnen", aus dem Regelsatz wird der Regelbedarf und die Beziehenden heißen zukünftig Leistungsberechtigte usw. Ein Teil der Verschlechterungen wird im Haushaltsbegleitgesetz geregelt, ein anderer Teil in diesem Gesetz. Flankiert wird das Ganze noch durch geplante Gesetzesänderungen im Beratungskostenhilfegesetz und im Prozesskostenhilfegesetz, denn nach Meinung von Politik und Verwaltungen wehren sich allzu viele Menschen gegen Ungerechtigkeiten, Fehler und Willkür im Sozialleistungsbereich z. B. vor den Sozialgerichten. Davon später noch mehr. Der Anlass für diesen Gesetzentwurf war, wie oben geschildert, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Allerdings ergriffen die GesetzesmacherInnen die Chance, gleich noch etliche andere Dinge zu "klären", die in der Vergangenheit für Schwierigkeiten sorgten. Wir können aus Platzgründen nicht auf jede einzelne Änderung eingehen und nehmen uns auch hier nur die wichtigsten vor. Wie (er)finde ich einen Regelsatz? ALG-II-Beziehende bekommen derzeit (alleinstehend) 359 Euro oder 323 Euro (Paare) für das ganze Leben außer der Miete, den Neben- und Heizkosten. Kinder bzw. Jugendliche bekommen weniger (60, 70 oder 80 Prozent von den 359 Euro, je nach Alter). Wie kam der Gesetzgeber auf diese Summen? Alle 5 Jahre wird eine Erhebung in 60.000 bis 75.000 Haushalten über 3 Monate durchgeführt. Diese Haushalte kaufen ein, zahlen Miete und andere feste Kosten, lassen reparieren usw. und führen genau Buch darüber, für was sie ihr Geld ausgeben. Daraus wird dann errechnet, was durchschnittlich für welche Produkte und Dienstleistungen anzusetzen ist. Wer schon mal mit Statistiken und Erhebungen zu tun hatte, weiß, wie zweifelhaft das sein kann. So auch hier. Vor dem BVG kam heraus, dass vor allem Haushalte mit geringem Einkommen und ältere Menschen (Rentnerehepaare) erfasst wurden. Deshalb war wahrscheinlich auch nichts für Schule und Bildung enthalten. Diese Erhebung nennt sich EVS (Einkommens- und Verbrauchsstichprobe). Nun war eigentlich eine Auflage des Gerichtes, bei einer neueren Erhebung anders vorzugehen. Das Gericht ließ auch offen, ob es diese Form der Erhebung sein muss (EVS) oder andere. Und es machte einige Vorgaben. So sollten z. B. keine Haushalte von Erwerbslosen aus dem ALG-II-Bereich erfasst werden. Durchgeführt wurde dann doch wieder eine EVS (2008). Wie jetzt nachträglich und auch nur widerwillig zugegeben herauskam, sind bei der jetzigen Erhebung sogar noch mehr Haushalte mit geringem bis geringstem Einkommen erfasst worden, nämlich sogar Erwerbslose aus dem ALG-I-Bereich! In der eigentlichen Referenzgruppe, die für die Durchschnittsermittlung genommen wird, sind 20 Prozent Erwerbslose und 38 Prozent Rentner. Es ist klar, je weniger besser oder wenigstens gut verdienende Haushalte in eine solche Auswertung einfließen, desto geringer wird der Durchschnitt. Aber damit nicht genug. Es wurden auch noch willkürlich Abstriche gemacht, weil nicht einzusehen sei, dass Alkohol und Tabakwaren in einer staatlichen Sozialleistung mitbezahlt werden sollen. Ca. 19 Euro im Monat werden nun allen abgezogen. Ganz egal, ob jemand raucht oder Alkohol trinkt. Wie absurd bis gestört solche Gesetzes(er)finder vorgehen, zeigt hier das Beispiel, dass für den evtl. entstehenden Flüssigkeitsverlust dann 2,99 im Monat für Mineralwasser wieder einberechnet wurden. Wer nun außer der Kritik an dem Ansatz und der Durchführung auch die Summen für einzelne Posten mal auf den Tagesbedarf herunterrechnet, traut wahrscheinlich seinen Augen nicht mehr. Leider haben wir nicht genug Platz, das ausführlicher zu behandeln. Einige Menschen haben sich diese Mühe gemacht und wir haben einige Beispiele in dem folgenden Schaubild aufgeführt. Durch diese Rechnerei hat sich nun ergeben, dass zwar die Erwachsenen-Regelsätze ab dem 1. Januar 2011 um 5 Euro auf 364 Euro erhöht werden, aber bei den Regelsätzen für Kinder und Jugendliche wurden sogar Kürzungen errechnet! Kulanterweise verzichtet man darauf und zahlt die bisherigen Summen weiterhin aus. Aber es wird für diese nicht mal um die 5 Euro erhöht. Das war es irgendwie nicht, was das BVG meinte. Nicht mal in dem eirigen Urteil, was dieses hervorbrachte. Jedenfalls hoffen wir das. Nun wird an dieser Stelle seitens der Regierung bzw. des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Frau von der Leyen) darauf verwiesen, dass es für den Bildungsbereich ja eine neu einzuführenden Gutschein gebe, die Bildungsgutscheinkarte (weil in Chipkartenform geplant). Bildung von der Chipkarte Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern mehr getan werden muss - sie müssen die Möglichkeit haben, eine Musikschule zu besuchen, in einen Sportverein zu gehen oder Nachhilfeunterricht zu bekommen, damit sie gegenüber Kindern, deren Eltern besser gestellt sind, nicht benachteiligt werden. Die Bundesregierung will das in 4 Bereichen erreichen: Durch ein Schulbasispaket, Lernförderung, warmes Mittagessen in Kitas und Schulen und durch Hilfe bei der außerschulischen Bildung. Das Schulbasispaket enthält eine Förderung von 100 Euro (es existiert schon jetzt als Einmalleistung), die für alle in 2 Jahresraten an die Eltern ausbezahlt werden. Alles andere soll weitgehend auf eine Chipkarte geladen werden können und mit Anbietern verrechnet werden können (Sport- und Musikvereinen, Essensanbietern, Nachhilfeanbieter etc.). Die Eltern sollen das Geld nicht in die Hände bekommen. Das unterstellt allen oder zumindest den meisten Eltern im Bezug von ALG II, dass sie das Geld nicht für ihre Kinder ausgeben würden, sondern für sich selbst verbrauchen. So wurde es dann auch gleich überall diskutiert. Neben dem Abzug für alle für Alkohol und Tabakwaren schon der zweite Bereich, in dem deutlich wird, welche Meinung die Gesetzesmacher von den "Leistungsberechtigten" haben. Neben dieser Kritik sind andere Probleme mit der Chipkarte in der Diskussion (nur in der Chipkartenherstellerbranche nicht, die würden sich freuen): es kann in jeder Kommune, jedem Landkreis etwas anderes gefördert und Beträge in verschiedener Höhe aufgeladen werden (je nach Haushaltslage der Kommune und das meinte das BVG wohl eher nicht); die Nutzung ist freiwillig und wird von vielen aus unterschiedlichen Gründen evtl. gar nicht wahrgenommen. Der Ansatz der Förderung durch warmes Essen, Nutzung von Bildungsangeboten etc. ist schon richtig, wird aber wieder durch die sattsam bekannte Mischung aus Unfähigkeit, Ideologie und des Blickes auf die Kosten und nicht die Menschen verschenkt. Allerdings gibt es auch Widerstand seitens der Bundesvereinigung der Städte und Landkreise. Nur auch aus dieser Ecke nicht der Entmündigung wegen, sondern noch mehr aus der Kostensicht. Weitere Verschärfungen Bei der Anrechnung von Einkommen gibt es einige deutliche Verschlechterungen:
Flankiert wird all das von ebenfalls geplanten Änderungen im Beratungskostenhilfe- und Prozesskostenhilfegesetz, die gerade entworfen werden. Dort werden wahrscheinlich hohe Eigenbeteiligungen angesetzt, um die Anzahl der Menschen, die sich auch vor Gericht wehren bzw. erst mal einen Anwalt leisten können (bisher durch die Beratungskostenhilfe für 10 Euro einmalig möglich), deutlich zu verkleinern. Frau von der Leyen wird nicht müde, zu beteuern, das oben beschriebene sei fair, transparent und zukunftsorientiert für alle Betroffenen. Für eine Zukunft in Armut und Drangsalierung, ja. In der Diskussion und der Gesetzesbegründung wird sogar von einem menschenwürdigen Dasein gesprochen, welches hierdurch ermöglicht würde. Was soll man dazu noch sagen. Der Bundestag hat diese Gesetzesänderungen bereits beschlossen. Sie sind aber auch durch den Bundesrat zu beschließen oder können dort geändert werden. Wir sind sehr gespannt, was passieren wird. Bürgerarbeit Gerade hat der Bundesrechnungshof zum wiederholten Male festgestellt, dass die sog. 1-Euro-Jobs die Menschen fast nie in Arbeitsverhältnisse bringen und sogar reguläre Arbeitsplätze vernichten. Das schreiben wir hier im GBE und auch viele andere Nicht-Mainstream-Medien, seit es diese Arbeitsverhältnisse gibt. Die Bundesagentur für Arbeit hat nun auch reagiert und will dieses Instrument wohl auslaufen lassen. Man kann gespannt sein, was dafür kommen wird. Von einem Vorhaben wissen wir schon, der sog. Bürgerarbeit. Was ist das? Ein Projekt der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, welches sie im Juli dieses Jahres vorstellte. Es soll der beruflichen Eingliederung Langzeitarbeitsloser dienen. Aber nicht in den ersten Arbeitsmarkt und wohl auch nicht in den zweiten. Die Rede ist von Anfang an von gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeitsplätzen (wie bei den 1-Euro-Jobs auch). Angedacht sind Straßenfegen und Parkreinigung, Arbeit in Museen, Altenheimen, Bibliotheken, Kinderbetreuung, Jugendprojekten, Tafeln etc. 900 Euro brutto, nicht netto! Allerdings ist das Projekt von vornherein auf etwa die Hälfte aller Job-Center Deutschlands (197) beschränkt und nur 160.000 Langzeitarbeitslose kommen in die Auswahl. Davon sollen dann nach einem halben Jahr die 34.000 "Glücklichen" ausgewählt worden seien, die dann eine dieser Stellen bekommen. Bis zu 3 Jahren ist die Förderung möglich. Bezahlt werden für 30 Stunden Arbeit 900 Euro. Selbstverständlich redete Frau von der Leyen nicht von brutto oder netto, sondern von Anfang an von Festbeträgen. Es ist aber inzwischen klar: 900 Euro brutto sind gemeint. Das wird im Durchschnitt einen Nettoverdienst von 720 Euro monatlich bedeuten. Je nach Ort und Wohnsituation, Krankenkasse usw. kann das höchstens das Gleiche sein wie im ALG-II-Bezug, aber es kann durchaus auch weniger sein. Eine Vollzeitstelle ohne große Aussicht auf spätere Übernahme; wahrscheinlich wieder mit einer Arbeit, die andere versicherungspflichtige Arbeit verhindert oder zerstört; und dann evtl. sogar noch Wohngeld oder ergänzendes ALG II beantragen zu müssen? Ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld I entsteht auch nicht dabei. Und das Ganze nur für 160.000 Personen bundesweit, bzw. nur für 34.000? Geht man wirklich davon aus, die anderen 126.000 in der halbjährigen sog. "Aktivierungsphase" in den ersten oder zweiten Arbeitsmarkt zu vermitteln?? Dieses Konzept taugt genau so wenig wie fast alles andere, was diese und frühere Regierungen sich ausgedacht haben. Es stieß aber bei etlichen Erwerbslosen auf Interesse. So lange zumindest, bis klar wurde, das es hierbei nicht um 900 Euro netto ging. Wir haben derzeit rund 930.000 Langzeitarbeitslose. Das dieses Modell ausgeweitet wird, ist eigentlich nicht zu erwarten. Zumal es Bundes- und Europamittel dafür gibt, die aber nun vergeben sind. Und da es diese Gelder gibt und man sich ja mit solchen Maßnahmen immer gut postieren kann und sagen: "Seht nur, was wir alles für die Betroffenen tun!", hat sich auch Göttingen beworben und darf mitmachen. Nach Angaben von Kreisrätin Christel Wemheuer geht es im Landkreis Göttingen um rund 12,5 Millionen Euro in drei Jahren. 200 Stellen für begleitende Bürgerarbeit würden ab Januar 2011 eingerichtet. Es gehe beispielsweise um Serviceangebote an Schulen, Arbeiten in Sportstätten, Museen, Bibliotheken oder Verschönerungsarbeiten im touristischen Bereich. In einem Lenkungsausschuss sind unter anderem auch DGB und Handelskammer beteiligt. Das Projekt wird von der Kreisvolkshochschule in Kooperation mit der städtischen Beschäftigungsförderungsanstalt durchgeführt Keine Sanktionen?! Auf einer Infoveranstaltung des Job-Centers Göttingen am 9.11.2010 mit rund 200 eingeladenen Langzeitarbeitslosen kehrte auch recht bald Ernüchterung ein und es gab deutliche Kritik an diesem Konzept. Immerhin versicherte auf Nachfrage ein Vertreter des Job-Centers, das es keine Sanktionen geben soll, wenn jemand ein Angebot der Bürgerarbeit ablehnen würde. Das können wir nur hoffen. Es gibt allerdings auch andere Erfahrungsberichte. Z. B. aus Süddeutschland (Ingolstadt), wo schon vor einiger Zeit eine solche Veranstaltung beschrieben wird. Zunächst hatten dort 2 Beschäftigte eines Bildungsträgers (der damit sicher besser verdient) rund 1,5 Stunden nichts Besseres zu tun, als die Anwesenden als faul und meistens vor dem Fernseher herumliegend zu beschimpfen. Anschließend wurde wüst herumgedroht, dass in dem halben Jahr Aktivierungsphase alle sich nun bewerben müssten auf Teufel komm raus. Auf welche der nicht vorhandenen Arbeitsplätze, das sagten sie nicht. Ihre Unterstützung dabei ist (zum wievielten Male für viele der Betroffenen wohl?) Bewerbungstraining u. ä. Aus dem Ministerium heißt es, dieses halbe Jahr soll der Profilerstellung, der Hilfe und ja, tatsächlich, der Vermittlung in den Arbeitsmarkt dienen. Dabei soll den Auserwählten auch ein neuer "Coach" seitens des Job-Centers helfen. Der wurde in Ingolstadt sodann vorgestellt und entpuppte sich als exakt der bisherige Fallmanager der Anwesenden. Hier gab es übrigens eine Rechtsfolgenbelehrung für die Betroffenen. Also mögliche Sanktionen. Nein, auch das wird nicht viel ändern. Dennoch sind einige Erwerbslose interessiert daran. Mehr mit der Begründung, mir fällt sonst zu Hause die Decke auf den Kopf; so komme ich unter Menschen, habe was zu tun. Nun ja, das mag für sie zutreffen, aber das würden sie sicher auch lieber für einen anständigen Lohn und eine echte Arbeitsstelle machen. Insgesamt unterstützen solche Maßnahmen die Verfestigung von Niedriglöhnen nur noch |
Polizei: Falsche Verdächtigungen, falsch informierte Öffentlichkeit Wer kontrolliert die Polizei?Nach dem vermeintlichen Brandschlag im vergangenen Januar in einer Teeküche des Kreishauses in Göttingen waren Polizei und Staatsanwaltschaft schnell bei der Hand mit der Vermutung, es müsse sich um eine politisch motivierte Tat von ‚Linksextremen’ handeln. Wer sonst als ‚Linksextremisten’ sollte schon in der Ausländerbehörde zündeln, denn schnell war der Zusammenhang mit der Abschiebepraxis des Landkreises Göttingen hergestellt. Dankbar griff auch die bürgerliche Presse diesen Verdacht auf und wetterte gegen die Linken im Allgemeinen und die ‚Linksextremisten’ im Besonderen. Trotz intensiver Ermittlungen in alle Richtungen, jedoch besonders Richtung links, trotz intensiver Bemühungen, den oder die Täter in diesem Personenkreis zu finden, trotz des Einsatzes von sog. "Mantrailing"-Hunden und trotz der einseitigen Berichterstattung im ‚Göttinger Tageblatt’, ist es nicht gelungen, Täter zu ermitteln: Das Verfahren musste eingestellt werden. Die Fraktionen der Partei Die Linke in Stadt und Landkreis Göttingen stellten darauf hin im Göttinger Stadtrat und dem Kreistag Göttingen diesbezügliche Anträge. Initiativen von BürgerInnen und Stadtrat Der Rat der Stadt Göttingen hat dann am 7. Mai 2010 mit einer Resolution die Einrichtung eines "Runden Tisches demokratisches und friedliches Göttingen" angekündigt. Ziel dieses Runden Tisches soll sein, zukünftig Kriminalisierung von politischem Engagement durch die Polizei zu unterbinden. Nach Berichten des Stadtradio Göttingen verweigern aber Polizei und Staatsanwaltschaft die Teilnahme an diesem Runden Tisch. Polizeipräsident Kruse hatte zuvor bereits eine Stellungnahme vor dem Rat der Stadt Göttingen zu den Ungereimtheiten bei den polizeilichen Ermittlungen zum Brand im Göttinger Kreishaus abgesagt. Aber auch Göttinger BürgerInnen wollen das seit Jahren zunehmend undemokratische Vorgehen der Polizei nicht länger unwidersprochen hinnehmen, was u.a. in die Gründung von zwei neuen Initiativen mündete: Die "Initiative für gesellschaftliches Engagement" (IfgE) veröffentlichte im März 2010 eine Dokumentation über Fälle von Kriminalisierung und politischer Justiz in Göttingen. Daneben gründete sich dieses Jahr die Gruppe "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" mit der Zielsetzung, Polizeiübergriffe zu dokumentieren, um Öffentlichkeit zu schaffen und ggf. Betroffene in Gerichtsverfahren zu unterstützen. Keine Hinterzimmergespräche zulassen! Und wie reagiert die Polizei? Statt im Rahmen des Runden Tisches die Gelegenheit zum gemeinsamen Gespräch mit BürgerInnen und Ratsfraktionen wahrzunehmen, wird nun bekannt, dass Polizeipräsident Kruse die Fraktionen des Stadtrates am 24. November zu einem Geheimtreffen einlädt: Offensichtlich sollen unter Ausschluss der Öffentlichkeit Hinterzimmergespräche geführt werden, um die Ratsfraktionen "auf Linie" zu bringen. Aber zum Glück machen Göttinger BürgerInnen diese Vorgänge öffentlich: Die IfgE und andere Gruppen fordern die Stadtratsfraktionen auf, sich nicht an diesen Gesprächen hinter verschlossenen Türen zu beteiligen und gegenüber der Polizei weiter auf eine öffentliche Auseinandersetzung zu bestehen. Sollte das Gespräch am 24. November trotzdem stattfinden, kündigen die Initiativen Proteste dagegen an. Genaueres war bei Drucklegung des GBE noch nicht bekannt, für aktuelle Informationen verweist die Redaktion daher auf das Stadtradio und das unabhängige online-Stadtmagazin www.goest.de. |
Zurück auf Los ... Bei der letzten regulären Personalratswahl im Jahr 2009 hatte ver.di nach sehr langer Zeit den PR-Vorsitz verloren: Eine Koalition aus den 3 weiteren im PR vertretenen Listen wählte mit Frau Hille stattdessen überraschend eine Vertreterin der "Gesundheitsgewerkschaft Niedersachsen" (GeNi) zur Vorsitzenden. Die GeNi steht dem Beamtenbund nahe und ist in ihrer Ausrichtung schlicht als gewerkschaftsfeindlich zu bezeichnen. Frau Hille bestätigte diesen Ruf mit einem arbeitgeberfreundlichen Schmusekurs: z.B. während der monatelangen Tarifverhandlungen bzgl. Forderungen des Klinikvorstands nach VBL-Absenkung (der GBE berichtete) betonte sie zwar gerne das konstruktive Gesprächsklima mit dem Klinikvorstand. Die Beschäftigten warteten aber vergeblich auf eine aktive Vertretung ihrer Interessen durch den Hille-Personalrat. Auch in anderen Bereichen glänzte der PR durch aktive Abwesenheit, z.B. Stichwort Überstunden: die stets weiter zunehmende Arbeitsverdichtung in Folge des fortschreitenden Personalabbaus äußert sich in immer mehr Abteilungen durch endlose Anträge auf Überstunden. Sichtbarer Widerstand seitens des Personalrats gegen diesen Automatismus ist nicht erkennbar – vielmehr werden solche Anträge meist widerstandslos durchgewunken. Die Beschäftigten, deren Interessenvertretung ein Personalrat ja eigentlich sein soll, setzten allerdings ihrerseits auch den PR nicht wirksam unter Druck, sondern reagieren eher resigniert. Das ist zwar verständlich angesichts des extremen Arbeitsdrucks, aber ohne Druck von der Basis funktioniert letztlich auch eine betriebliche Interessenvertretung auf Dauer nicht wirksam! Ende einer Dienstzeit Doch auch ohne solchen Druck von unten sah sich Frau Hille in diesem Herbst zum Rücktritt gezwungen. Anlass dafür war allerdings "nur" die völlige Zerrüttung ihrer eigenen Koalition aufgrund seit Langem schwelender interner Meinungsverschiedenheiten, Streit um Freistellungen, Vorwürfe gegen ihre teils selbstherrliche Amtsführung und allerlei sonstige persönliche Animositäten. Im September zerbrach ihre Koalition endgültig, der Personalrat sprach ihr mehrheitlich sein Misstrauen aus. Ihrer bereits angekündigten Abwahl kam sie dann Mitte Oktober mit ihrem Rücktritt zuvor, nicht ohne allerdings vorher noch den peinlichen Versuch zu unternehmen, gerichtlich eine einstweilige Verfügung gegen ihre Abwahl zu erwirken. Erst nach der Ablehnung dieses Antrages seitens des Verwaltungsgerichts gab sie auf. Auf zu neuen Ufern? Jetzt ist der Weg frei für Neuwahlen, und damit hat die ver.di-Liste die Chance, künftig wieder den PR-Vorsitz zu stellen. Noch sind die konkreten Inhalte nicht formuliert, eine in Kürze stattfindende ver.di-Mitgliederversammlung wird sich damit beschäftigen. Eine "starke und konsequente Interessenvertretung" wird jedenfalls angestrebt, die "so viel wie möglich Beteiligung der direkt betroffenen KollegInnen an Entscheidungsfindungsprozessen organisieren" will. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber im Arbeitsalltag so manchen Personalrats gerne verloren geht. Andererseits bleibt aber auch ein noch so kämpferisch gesinnter Personalrat zahnlos, wenn er auf sich alleine gestellt als reines Vertretungsorgan fungiert. Es muss also wieder viel stärker Sache der Beschäftigten werden, ihre Interessen aktiv zu formulieren, sich selbst dafür einzusetzen – und den Personalrat als ihr Organ zu fordern, aber auch aktiv zu unterstützen! |
Die Krise haben immer die Anderen Wir sind wieder wer. Modell Deutschland. Wie in den 1970er Jahren: Während andere Länder mit Wirtschaftskrise, steigender Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit kämpfen, ist Deutschland ein Vorbild wirtschaftlicher Stabilität. So lautet die Botschaft von Bild-Zeitung bis Tagesschau. Handelsblatt und Financial Times lesen sich ähnlich. Dort kommen aber auch kritische Stimmen zu Wort, die vor einer Konjunkturabschwächung in den USA, chinesischer Konkurrenz und drohenden Währungs- und Finanzkrisen warnen. Die Behauptung, dass Deutschland ein Modell für andere Länder sei, wird durch solche Warnungen freilich noch unterstrichen. Hätten Amerika, Griechenland & Co so leistungsstarke Unternehmen und Belegschaften wie die Deutschen, bräuchten sie sich nicht mit ausufernder Staatsverschuldung, Rezession und steigender Arbeitslosigkeit herumschlagen. Wäre Chinas Regierung ihrer weltwirtschaftlichen Verantwortung ebenso bewusst wie Merkel, Schäuble und die Deutsche Bundesbank, würden Außenhandel und Wachstum der Weltwirtschaft nicht durch Unterbietungskonkurrenz und Ungleichgewichte zwischen Ländern mit Exportüberschüssen und Defizitländern bedroht. Von Deutschland lernen, heißt siegen lernen. Oder etwa nicht? Die Zahlen, mit denen Regierung und Unternehmerlager ihre Erfolge zu illustrieren suchen, lassen sich auch zurückhaltender deuten. Wirtschaftspolitik, Investitions- und Absatzstrategien der Deutschen sind zudem mitverantwortlich für weltwirtschaftliche Ungleichgewichte und Rezessionsgefahren. Und schließlich: Unabhängig von der weiteren Wirtschaftsentwicklung hat die gegenwärtige Konjunktur eine soziale Schattenseite. Hartz IV, Rente mit 67 und die massive Zunahme von Niedriglohnbeschäftigung haben die Zahl derer, die auch von einer positiven Konjunkturentwicklung keine Verbesserung ihrer eigenen Lage erwarten, drastisch in die Höhe getrieben. Gehen sie mit der Konjunktur Tatsächlich war das Wirtschaftswachstum in Deutschland zuletzt höher als in anderen EU-Ländern, den USA oder Japan. Verantwortlich hierfür waren Exporte und Investitionen, die im zweiten Quartal dieses Jahres um 19,1 bzw. 9,5 Prozent zugenommen haben. Das Bruttoinlandsprodukt insgesamt ist im selben Zeitraum um 4,4 Prozent gewachsen, der private Konsum aber um 0,7 Prozent gesunken. Für den rückläufigen Konsum gibt es zwei Ursachen: De Zahl der armen Haushalte, die wenig bis nichts auszugeben haben, steigt beständig an. In vielen Haushalten, die ein ganz ordentliches Einkommen beziehen, steigt die Angst, dass die nächste Krisenwelle statt Kurzarbeit Arbeitslosigkeit und Einkommensverlust bringen wird. Deshalb wird mehr Geld in den Sparstrumpf gesteckt. Kürzungen bei Kranken- und Rentenversicherung tun ihr übriges. Wer es sich irgendwie leisten kann, stopft die Versorgungsmängel der Sozialversicherung mit privaten Spargroschen. Entsprechend ist die Sparquote der privaten Haushalte seit der Konjunkturkrise 2001 und den 2003 begonnenen Hartz-Reformen von 9,2 Prozent 2001 auf 11,7 Prozent 2009 angestiegen, im ersten Halbjahr 2010 wurde ein Wert von 13,1 Prozent erreicht. Nur Konsum und Ersparnis der Reichen sind von der Wirtschaftskrise unberührt geblieben. Für einen gehobenen Lebensstil reicht ihr Geld allemal; auf die Gesamtwirtschaft schlägt der Konsum der Reichen allerdings nicht durch, weil diese nicht so zahlreich auftreten wie Hartz IV-Empfänger und 1-Euro-Jobber. Dank staatlicher Beihilfen haben auch die Ersparnisse bzw. die daraus finanzierten Investitionen der Reichen die Krise schnell überstanden. Das Börsenbarometer DAX war von 8.067 (Rekordwert vom Frühjahr 2008), auf 3.666 ein Jahr später abgestürzt, hat sich aber bereits wieder auf Werte um 6.600 berappelt. Der kürzeste Weg zur Konjunktur führt also schon wieder zur Börse – und von dort in alle Welt. Ein erklecklicher Teil des Vermögens, das Deutschlands obere Zehn- oder Hunderttausend besitzen, wird nämlich im Ausland angelegt; in amerikanischen Staatspapieren – aus alter Gewohnheit – oder – wer es etwas riskanter mag – in den Goldgräbermärkten Chinas, Brasiliens und Indiens. Mit gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten zwischen 9 und 10 Prozent erinnert die Wirtschaftsentwicklung dieser Länder an das deutsche Wirtschaftswunder der 1950er Jahre, der guten alten Zeit als man sein Geld noch nicht vor APO-Revoluzzern, Gewerkschaftsbossen und Umweltschützern in Sicherheit bringen musste. Am Investitionsboom der Dritt-Welt-Aufsteiger will auch das in Deutschland beheimatete Kapital mitverdienen – auch um den Preis zunehmender Weltmarktkonkurrenz. Der Mix aus Investitionen und Exporten, der den Deutschen gegenwärtig einen Miniboom verschafft hat, wird von diesen Aufsteigerländern – durchaus in Analogie zum deutschen Wirtschaftswunder – nämlich als langfristige Strategie verfolgt. China ist auf diesem Weg bereits soweit vorangekommen, das es mit Deutschland um den Titel des Exportweltmeisters konkurriert. Mit einem Außenhandelsüberschuss von 208 Mrd. Dollar in den vergangenen 12 Monaten liegen die Deutschen gegenwärtig aber wieder vor den Chinesen mit 182 Mrd. Dollar, während der ehemalige Exportstar Japan mit 87 Mrd. Dollar weit abgeschlagen hinter den Öl-Lieferanten Russland und Saudi-Arabien liegt. Brasilien und Indien konzentrieren sich gegenwärtig noch auf den Aufbau industrieller Kapazitäten, die sie in naher Zukunft in die Weltmarktschlacht zu werfen hoffen. Beim Säbelrasseln sind sie aber schon dabei. Immerhin war es der brasilianische Finanzminister Mentega, der im September das Wort vom Währungskrieg in die Runde warf, das von seinen finanzministriellen Kollegen und anderen Wirtschaftslenkern sogleich aufgegriffen wurde und seither in der internationalen Wirtschaftspolitik herumgeistert. Für ein paar Dollar mehr Das Problem beim Währungskrieg besteht darin, dass er nicht erklärt werden kann. Alte und neue Exportmächte sind auf Auslandsnachfrage angewiesen, an der es ihnen im Inland mangelt, weil Staatsausgaben zusammengestrichen werden und die Löhne hoffnungslos der Produktivitätsentwicklung hinterherhinken. Außenhandelsüberschüsse sind deshalb die einzige Möglichkeit, eine Depression im Inland zu verhindern. Über Jahrzehnte waren Exportländer wie Deutschland, Japan und seit den 1990er Jahren China daran gewöhnt, ihre Produktionsüberschüsse in den USA abzusetzen. Dort konnten die Löhne zwar auch nicht mit der Produktivität Schritt halten, dafür vergaben die Banken bereitwillig Kredit an Haushalte fast aller Einkommensklassen und heizten auf diese Weise Konsum und Importe an. Und der Staat ließ sich auch nicht lumpen: Während US-Universitäten Heerscharen staatsfeindlicher Ökonomen ausbildeten, nahm das amerikanische Finanzministerium in der ganzen Welt Kredit auf, kaufte dafür aber auch rund um den Globus Waren und Dienstleistungen ein. Auch jetzt – im dritten Jahre der großen Krise – trägt das Defizit in der amerikanischen Handelsbilanz mit 621 Mrd. Dollar zur Konjunkturstabilisierung in anderen Ländern bei. Ohne den Importweltmeister USA wären die gegenwärtigen Exporterfolge Deutschlands, Chinas und einiger anderer nicht möglich. Lange Zeit war dies ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Exportländer fanden in den USA die Kundschaft, die ihnen daheim fehlte und die USA machten den Rest der Welt von sich abhängig, weil die Weltwirtschaft ohne amerikanische Importe zum Stillstand kommen würde. Und beide Seiten taten so, als würden die Auslandsschulden, die mit den amerikanischen Handelsbilanzdefiziten notwendigerweise anstiegen, irgendwann zurückgezahlt. Dieser Glaube ist jetzt im Schwinden begriffen. Unter dem Druck schwächelnder Inlandskonjunktur und drastisch gestiegener Arbeitslosigkeit – von 4,6 Prozent 2007 auf gegenwärtig 9,6 Prozent bzw. unter Berücksichtigung der stillen Reserve 17,5 Prozent – ist die amerikanische Zentralbank dazu übergegangen, massiv Dollar in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Die großzügige Liquiditätsversorgung soll die Zahl der Insolvenzen von privaten Haushalten und Unternehmen begrenzen. Es gibt ohnehin mehr Pleiten als einer Konjunkturerholung förderlich sind, ein steigende Pleitewelle würde unweigerlich zu neuerlicher Rezession und einem weiteren Anstieg de Arbeitslosigkeit führen. Dass diese Liquiditätsflut den Wechselkurs des Dollar drückt, nehmen US-Zentralbank und Regierung billigend in Kauf, weil sie hiervon eine Verringerung des Importdefizits erhoffen und sich Auslandsschulden in billigen Dollars leichter zurückzahlen lassen. Und genau das ärgert die Exportländer. Diese fürchten, sich nach neuer Kundschaft umschauen zu müssen, wissen aber nicht wo und sitzen zudem auf Dollarvermögen, deren Kaufkraft sinkt. In ihrer Not schimpfen sie über den Währungskrieg, den die USA der Welt angeblich erklärt haben, müssen aber feststellen, dass sie sich auf Gedeih und Verderb in eine von den USA organisierte und dominierte Weltwirtschaft verstrickt haben. Angesichts der Überkapazitäten, die dem Gerangel um Weltmarktanteile zugrunde liegen, lautet die Frage gegenwärtig nicht, ob dem Kriseneinbruch 2008/9 eine zweite Rezession folgen wird, sondern nur noch wo. Das wissen übrigens auch Regierung und Unternehmerverbände in Deutschland. Die wirtschaftlichen Probleme, die hier in polemischer Kürze beschrieben wurden, sind in aktuellen Gutachten von Wirtschaftsforschern und Zentralbankern wissenschaftlich trocken dargestellt. Man darf daher vermuten, dass die Medien nicht aus Überzeugung auf Optimismus machen, sondern aus Angst vor den sozialen Folgen der nächsten Krise. Die Erfahrungen vergangener Krisen legen zwar nicht die Vermutung nahe, dass es objektive Schwellenwerte von Arbeitslosigkeit und Ungleichheit gibt, bei deren Überschreiten die Arbeiterklasse den Aufstand vorbereitet. Dass es aber jede Menge unausgegorener Unzufriedenheit gibt, dass diese in den letzten Jahren zugenommen hat und damit den Boden für linke oder rechte Protestbewegungen bereitet hat, ist auch in Kanzleramt und Chefetagen bekannt. In das Bild vom Modell Deutschland passen weder amerikanische Tea-Party noch französische oder griechische Streikposten. Und selbst im nominal-kommunistischen China kommt es immer häufiger zu Arbeitskämpfen. |