Musa-Chor
"Politische
Lieder"
18.2.2017
Capitol/Witzenhausen)
19.2.2017 im Jungen Theater
Chorleiter Andreas
Jedamzik.
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20.2.17 / Der Saal
des Jungen Theaters war bis auf den letzten Platz besetzt und in den Gängen
links und rechts der Sitzreihen mußten noch Leute während des
ganzen Konzerts stehen, die keinen Sitzplatz mehr bekommen hatten.
Der Musa-Chor am 19.2.17
auf der Bühne des Jungen Theaters
Es war passend, dass
die Veranstaltung in einem Gebäude stattfand, das 1976 von Basisinitiativen
besetzt worden war, um dort das Kommunikations- und Aktionszentrum KAZ
einzurichten. Passend, weil der Inhalt der sorgfältig ausgesuchten
internationalen Lieder zu dieser Entstehungsgeschichte passte, die in
einer Zeit höchster politischer Aktivitäten lag.
Die Texte von Liedern
aus verschiedenen Epochen überraschten mit teilweise erstaunlicher
Aktualität. Sie ließen spüren, dass gravierende politische
Bewegungen stets ihre "Hymnen" entwicken. Politische Lieder
waren häufig ein Teil des emotionalen Gerüstes einer Bewegung.
Liedtexte und musikalische Emphase bildeten die Zuspitzung der politischen
Inhalte in der Poesie der Lieder. Dass keine regelrechten "Kampflieder"
dabei waren, wie eine Frau aus dem Publikum später bedauerte, lag
der Erklärung eines Chormitgliedes zufolge daran, dass sich für
die "Gassenhauer" unter den politischen Liedern keine Chorsätze
finden lassen, sie also nur einstimmig möglich gewesen wären.
Das wäre musikalisch keine Herausforderung für den Chor gewesen.
Dafür intonierte der Chor gemeinsam mit dem Publikum während
der Veranstaltung das Lied "Die Gedanken sind frei!" was zur
Freude des Chorleiters auf Anhieb klappte.
Musikalisch hat sich der Chor in den letzten Jahren unter der Leitung
von Andreas Jedamzik zweifellos weiterentwickelt, wie das Konzert deutlich
erkennen ließ. So überraschte die Performance von komplexen
4-stimmigen Stücken wie "Die Weber" in einer ausgereiften
Form, ebenso wie "Die Moldau" mit Sprüngen durchsetzten
Wechseln bei denen äußerst exakte Einsätze nötig
waren. Teilweise waren gar 5-stimmige Abschnitte in einem Stück zu
hören. Entsprechend intensiv und zeitaufwändig waren die Proben,
die dieses Konzert vorbereitet hatten.
Einige Notizen aus
dem umfangreichen Programm
- Es begann mit dem
schottischen Lied von 1795 gegen die Sklaverei, u.a. auch mit Seitenhieben
gegen feige Sklaven ( "The coward slave we pass him by..")
und gegen lächerliche Herren: "Heißt "gnäd'ger Herr" das Bürschchen
dort, Man sieht's am Stolz und alledem; Doch lenkt auch Hunderte sein
Wort, ‘S ist nur ein Tropf trotz alledem!".
- Wer die Befreiung
Südafrikas von der Apartheid miterlebt hat, so im späteren
Gespräch eine Frau aus dem Publikum, dem jage das Lied "Nkosi
Sikelel iAfrika" einen Schauer über den Rücken weil
dieses Lied damals den Befreiungsprozess begleitet hatte und mit entsprechend
großer Intensität gesungen wurde. Später wurde es in
die Nationalhyme übernommen wurde.
Es folgten u.a. Lieder
z.B.
- von Heinrich Schütz
aus dem 17 Jhdt. ("Ihr ungerechten Herren wißt, daß
ihr der Armen Dulden doch einmal bitter büßen müßt
als euer eigen Schulden") ,
- Factory nach der
Musik von Bruce Springstein ("Durch die Hallen der Angst, durch
die Hallen der Qualen Sehe ich meinen Vater durch die Fabriktore gehen
im Regen" ),
- die Weber mit dem
Text von Heinrich Heine.
- Ein satirisches
Lied über die frommen Sprüche, die nicht satt machen und das
Wohl im Himmel versprechen ließen schmunzeln: "You will eat,
bye and bye ....you'll get pie in the sky when you die"
- Im Block "Soldatenlieder"
beeindruckte der Liedtext "Le Deserteur" von Boris Vian
"Ihr schwört im Parlament, man müsse Blut vergießen,
so lasset eures fließen, verehrter Präsident!
Jagt Ihr die Polizei mir nach, so lasst sie grüßen,
sie könne auf mich schießen, weil ich gefährlich sei"
-
"Au nom des enfants“ hat folgenden Text:
Ich
kenne ein Land, nicht weit von hier,
welches seine Feinde gnadenlos bekämpft
Tag und Nacht Kämpfe, überall Soldaten
Auf der Straße ein Kind,
das sich nicht wehren kann (... )
In ihren Augen die Angst, um sie herum der Horror
Und überall das Elend, das Schlechte triumphiert
Stoppt diesen Krieg, im Namen der Kinder!
Dieses Lied war während des Algerienkrieges 1954- 62 verboten
Ankündigungstext
des Chores zum Konzert lautete:
Der Musa-Chor Göttingen präsentiert sein aktuelles Programm unter
dem Motto „Politische Lieder“. Zu Themen wie Krieg und Frieden, Freiheit,
Arbeit, Mensch und Umwelt, etc. erwartet die Zuhörer*innen eine bunte
Auswahl von Musikstücken zum Zuhören, Mitdenken und Mitsingen. Anstoß
für das diesjährige Programm des Chores war die Idee, dass viele zeitkritische
Lieder uns seit Jahren, Jahrzehnten, teilweise Jahrhunderten in verschiedenen
Kontexten begleiten, deren Ursprünge aber mitunter gar nicht mehr bekannt
sind. Sie sind oftmals Zeugnis politischer Überzeugungen, drücken den
Willen zur Veränderung aus, dienen als Mittel zur Anklage oder Versöhnung
und bieten Identifikationspotential. Dass politische Lieder immer wieder
auch polarisieren, erscheint dabei selbstverständlich. Wo Goethe deklamieren
lässt „Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied!“ mag Brecht entgegnen
„Wo die Wahrheit zu schwach ist, sich zu verteidigen, muss sie zum Angriff
übergehen.“ In diesem Sinne lädt der Musa-Chor den Zuhörer ein und sagt
und fragt: „What we sing is what we are !?“ *Der Eintritt zum Konzert
ist frei*, eine Spende zur Deckung der Kosten wird am Ausgang erbeten.
Zwischen den Liedern
und am Ende gab es begeisterten Applaus, am Ende drängte der Schlußapplaus
den Chor noch zu zwei Zugaben!
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