Geburtstagsfeier Günter Grass in der Lokhalle 21.10.07 / Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass wurde am 16. Oktober 2007 achtzig Jahre alt und autorisierte seinen Verlag, den NDR und die Stadt Göttingen dazu, die offizielle Geburtstagfeier in Göttingen zu organisieren. Nachdem Grass letzten Herbst 2006 von vielen Seiten heftig kritisiert worden war, nachdem in seinem Buch "Häuten der Zwiebel" seine Mitgliedschaft als 17 jähriger in der Waffen-SS veröffentlicht wurde, schienen nun die Wogen geglättet, wenn auch das Thema nicht ganz übergangen werden konnte. Der gastgebenden Stadt Göttingen wurde zu Beginn der Veranstaltung mit dem "Barbara-Chanson" Referenz erwiesen, wunderschön vorgetragen von Insa Rudolph. Die Moderation der Veranstaltung hatte Caren Miosga, ehemalige TTT-Moderatorin und Nachfolgerin von Anne Will bei den Tagesthemen. Die musikalischen Intermezzi lieferten einige Musiker der NDR-Bigband.
Es
sollte nach der Planung des Steidl-Verlages keinesfalls eine Laudation nach der
anderen vorgetragen werden, sondern ein Fest mit Überraschungen werden. Besonders
überraschend war allerdings, dass z.B. einige der angekündigten Auftritte
sang und klanglos wegfielen: Mario Müller Westernhagen und John Irving tauchten
nicht auf. Es sollte ein schönes, großes, buntes Fest werden. Pressesprecherin
des Steidl-Verlags Claudia Glenewinkel: "Grass soll sich ruhig mal feiern lassen
dürfen". Und Grass freute sich dann auch sichtlich bei den Auftritten seiner
Freundinnen und Freunde:
In Erinnerung an die "kongeniale Adaption" der Blechtrommel im Film bat Migosa dann zunächst Regissseur Volker Schlöndorf und dann Schauspieler David Bennent auf die Bühne, der den Oskar Mazerat im Film "Die Blechtrommel" spielte. Schlöndorf las aus dem Tagebuch, das er selbst während der Dreharbeiten auf Geheiß von Günter Grass geschrieben hatte. Die Beschreibung der "besonderen Persönlichkeit" David Bennets, die er vorlas, war allerdings etwas sehr persönlich geraten. Es war sicher nicht lustig für Bennet zu hören, dass er als Person der Romanfigur Oskar ähnlich gewesen sei, zumal David Bennet unmittelbar danach auf die Bühne ging. Bennet las anschließend aus dem Buch "Häuten der Zwiebel" eine Episode, in der Grass eine Begegnung mit Louis Amstrong beschrieben hat
Schließlich wäre noch zu erwähnen das Titi Winterstein Trio, dessen Sinti-Musik besonders gut beim Publikum ankam (Günter Grass ist im Romani PEN-Club Ehrenmitglied); Und Klaus Staeck hielt auch noch eine Rede.
Da war doch noch was Die Veranstalter verloren auf der Pressekonferenz von sich aus kein Wort über das Medienecho auf das Bekenntnis von Grass in seinem Buch "Das Häuten der Zwiebel". Er hatte sehr spät, erst nach der Verleihung des Nobelpreises und auch nur im Rahmen eines literarischen Werkes beschrieben, wie er als knapp 17 jähriger zum Kriegsende für einige Monate bei der Waffen-SS im Kriegseinsatz war. Deshalb mußte einfach nachgefragt werden. (Kurze Auszüge Transkription der Tonaufnahme:)
Zum Thema beim NDR >> http://www1.ndr.de/kultur/buecher/ku544.html Der Herbst 2006 und die Geburtstagsfeier Dann
auf der Geburtstagsfeier fand man doch noch eine Form, das Thema einzubauen. Bei
den zwischendrin eingeblendeten Videos war das Statement von Verleger Klaus Wagenbach
zu der Waffen-SS-Geschichte enthalten: Er hatte schon vor langer Zeit Material
für eine Biografie von Grass zusammengetragen und bei dieser Gelegenheit
hatte Grass diese Zeit als 17 jähriger nicht verschwiegen. Ebenso wurde von
Wagenbach und einem weiteren Kritiker dennoch festgehalten, dass es gut gewesen
wäre, wäre diese Tatsache deutlicher offentlich kommuniziert worden.
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Verlagsmarketing und Stadtmarketing Hörfunk NDR-Kultur und NDR 3- TV werden ausführlich über die Geburtstagsfeier berichten und sie mit Veranstaltungen einrahmen:
Dass sich Medien und Verlag keine Gelegenheit für die Eigenwerbung entgehen lassen, machte schon das Pressegespräch deutlich, wo der NDR-Hörfunk mal eben bei der Eigenwerbung das NDR-Fernsehen vergaß und ergänzt werden mußte, wo der Hinweis auf die Lesung im Radio sofort mit dem Hinweis auf die Hörbücher im Verlag ergänzt wurden usw.
OB Meyer hat nach eigenem Bekunden "keine Sekunde gezögert", die Stadt Göttingen als Mitveranstalterin zusammen mit dem Steidlverlag sowie dem NDR Fernsehen und Hörfunk einsteigen zu lassen. Meyer betonte mehfach, wie stolz Göttingen darauf sein könne, dass es eine Verbindung zu Grass gäbe. Und wohl deshalb mußte auch unbedingt diese alberne Geschichte mehrfach erzählt werden, dass Grass nach Kriegsrückkehr einen Schulversuch in Göttingen beendete, weil ihn das Thema einer Geschichtsstunde anödete. Neben
der Tatsache, dass die Kinder von Grass lange Zeit in Göttingen gelebt haben
und dass Grass zeitweise 1946 in einem Kalibergwerk in der Nähe Göttingens
gearbeitet hat , ist natürlich die Beziehung zum Steidlverlag von entscheidenderer
Bedeutung. Die Beziehung zum Verlag ist dadurch entstanden, dass die anderen Verlage
kein Interesse am bildkünstlerischen Werk von Grass hatten. (Vergleiche hierzu
die Ausstellung seiner Bildhauerarbeiten) So nahm sich
der Steidlverlag Ende der 80er Jahre diesem Teil des Werkes von Grass an und hatte
seitdem eine Verbindung zu Grass. Diese vertiefte sich, als 1993 die Weltrechte
an den Werken von Grass zur Disposition standen und der Steidlverlag diese erwarb.
Randnotizen
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