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2020 Libyen

2011 ging es nur darum, ob einem Eingreifen der Nato zugestimmt wird oder nicht, Eine Beteiligung Deutschland stand nicht zur Debatte. 2020 nun wird ein militärisches Eingreifen auch der Bundeswehr gefordert und von der Verteidigungsministerin in Aussicht gestellt. Dies erfolgt auf dem Hintergrund der Waffenstillstands- und Waffenlieferungsstopp-Konferenz in Berlin im Januar 2020 und der Argumentation, das Waffenembargo müsse auch praktisch durchgesetzt werden.
Im Vordergrund der Medienberichte und der öffentlichen Diskussion steht die Darstellung von zwei Lagern, der formalen Regierung in Tripolis (Präsident entstammt der Moslembruderschaft) und den Truppen von General Hafta, die jeweils von mächtigen Militärnationen und Geldgebern unterstützt werden. Wobei die Gefahr droht, dass die Türkei mit Katar gegen Ägypten, Russland, Frankreich, VAE, etc in Libyen Stellvertreterkrieg gegeneinander führen.
Allerdings sind im Süden Libyens auch radikale islamistische Milizen aktiv und die Macht im ganzen Land ist aufgeteilt auf verschiedene traditionelle Stämme, die früher durch die Verteilung der Einnahmen aus dem Ölverkauf zusammengehalten wurden und zu wechselnden Allianzen neigen. Es gibt keine gesellschaftlich umfassende Kraft, die wie in Tunesien eine neue Regierung tragen könnte. Und militärisch lässt sich eine solche nicht durchsetzen, wenn es nicht vorher eine Einigung der beiden Hauptkontrahenten gibt, die dann aber weiterhin gegen die islamistischen Milizen des Südens kämpfen müßten.

 


2011

Libyen, Ägypten, Tunesien

Im Einwohnermeldeamt der Stadt Göttingen waren 2009 83 Menschen mit ägyptischer Staatsangehörigkeit registriert, aus Tunesien 43 , Algerien 16, Marokko 31, Libyien 31 . Dazu kommen Einwanderer aus diesen Ländern mit inzwischen deutschem Pass und unter den ca. 2.500 ausländischen Studierenden sind viele aus der nordafrikanischen Region.

 

Libyen

-- goest: Einige Aspekte, die uns in der Diskussion wichtig erscheinen

-- Aufruf gegen Gaddafi und gegen eine militärischen Intervention
-- Friedensbüros - gegen Flugverbotszone
-- Bund für Soziale Verteidigung e.V. Gegen jegliche Gewalt
-- Konträre Position: GfbV spricht sich für eine Flugverbotzone aus
-- Konträre Position: Grüne für Flugverbotszone und militärisches Eingreifen
-- Kundgebungs-Flugblatt 26.2.11 (Erste Kundgebung zu Libyen)

Einleitung der goest-Redaktion (2011)
Einige Aspekte, die uns in der Diskussion wichtig erscheinen

22.3.11
- Bei dem EU/US Angriff auf Libyen handelt es sich nicht allein um die Einrichtung einer "Flugverbotszone", sondern eher um Flugverbot+Panzerverbot+Geschützverbot+MilitärLKW-Verbot+Armeeaufmarsch-Verbot+Marineverbot . All das genannte wurde angegriffen.
- Eine immer wiederkehrende Begründung für den Angriff ist der Satz: "Einem Diktator der auf das eigene Volk schiessen lässt" muß Einhalt geboten werden. Auf Grundlage dieser Rechtfertigung werden aber nun Bomben in diejenigen Städte geworfen in denen ebenfalls ein Teil der Bevölkerung lebt.
- In vielen Teilen der Welt lieferten und liefern noch USA und Länder der EU Waffen an Staaten, in denen Regierungen auf ihre Bevölkerung schiessen.

21.3.
- Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass Gaddafi mit Hilfe seiner Milizen und zusätzlich angeheuerten Söldnern gegen Teile der Bevölkerung Libyens vorgeht. Allerdings ist die Bevölkerung gespalten und der von US / EU - Militärs gestütze Teil der Bevölkerung schießt auch auf libysche Bevölkerung, allerdings auf den anderen Teil.
- Die militärische Überlegenheit der Gaddafi-Milizen droht zu einem Blutbad zu führen, wenn Bengasi eingenommen würde.
ABER:
- Die Militäraktion von USA und EU-Statten hat offensichtlich nicht einen allseitigen Waffenstillstand, sondern den Sieg der "Aufständischen" und den Sturz der Gaddafi-Herrschaft zum Ziel
- Die Durchsetzung eines Waffenstillstands müßte hingegen zwangsläufig auch die Mitlitäraktionen der "Aufständischen" unterbinden.

- Anders als in Tunesien und Ägypten sind die Ziele der "Aufständischen" nicht klar. Lediglich ihre Gegnerschaft zu Gaddafi ist deutlich. Forderungen nach Pressefreiheit, Demokratie und Menschenrechten sind noch nicht aufgetaucht. Vielmehr wären jene Informationen zu prüfen, die darauf hinweisen dass die "Aufständischen" selbst rassistische Angriffe gegen schwarze Afrikaner begehen.
- In Libyen stehen sich nicht Regime und Volk gegenüber, sondern das Volk ist gespalten in Stämme. Und ein Teil der Stämme steht offensichtlich auch noch hinter Gaddafi.
- Die "Rebellen" schwenken die rot-schwarz-grüne Flagge mit Halbmond und Stern im mittleren schwarzen Streifen, das ist die >>Flagge des Königreichs 1961-1969 . Der König entstammte einem Orden, der seinen Schwerpunkt im Osten Libyens hatte - vielleicht auch daher die Orientierung auf diese Flagge. Es hätten 8 andere historische Flaggen zur Verfügung gestanden. Ganz zufällig scheint die Wahl nicht gewesen zu sein, bereits vor 20 Jahren stand Prinz Idris of Libya für die Exil-Koordination von 600 militärischen Kommandoeinheiten im Tschad zur Verfügung. (>>NewYork Times 1991)
- Wie stark ist in den Reihen der Aufständischen die "demokratische Bewegung" und wieviel Einfluß haben die mit dem Gaddafi-Stamm >>rivalsierenden Stämme ** ( vor allem Warfalla/Tripolitanien und Margarha/Fezzan) ? Es scheint nicht sicher, dass die Bewegung der Aufständischen Demokratie und Menschenrechte durchsetzen möchte. Einer einseitigen Unterstützung einer der Bürgerkriegsparteien fehlt daher die Legitimation.
"Natürlich gibt es einen Teil der Jugend in Libyen, der der Diktatur überdrüssig und von den Ereignissen in Tunesien und Ägypten beeinflusst ist. Aber diese verbreiteten Gefühle werden von der Opposition im Osten des Landes instrumentalisiert, der seinen Anteil am Kuchen einfordert, wo doch die Verteilung der Reichtümer unter dem Regime Gaddafis sehr ungleich war. (...). Hier nähren die Vereinigten Staaten diese Widersprüche, um militärisch in Libyen eingreifen zu können." (>>indymedia-Artikel Interview mit Michel Collon / die Stammeswidersprüche werden ähnlich beschrieben vom SWP einem formell unabhängigen Institut, das dennoch im Fahrwasser von Bundeskanzleramt und Bundeswehr zu sehen ist.)
- Maßnahmen, die dazu dienen können, einen Waffenstillstand in diesem Bürgerkrieg durchzusetzen sind sinnvoll. Die kriegerische Intervention jedoch wird eher eine Ausweitung von Waffenanwendungen und eine Vermehrung des Leids der Bevölkerung mit sich bringen.
- Da die Konfliktparteien z.B. in Misrata innerhalb einer Stadt kämpfen, können die Milizen Gaddafis dort nicht isoliert angegriffen werden.
- Die Einrichtung einer "Flugverbotszone" ignoriert das gleichzeitige Ungleichgewicht zwischen den libyschen Bürgerkriegsparteien bei den Truppen und Waffen für den Kampf am Boden. Um den Bürgerkrieg zu beenden müßte eine "Panzer- und Artillerieverbotszone" hinzukommen. Wenn das Kriegsziel von EU und USA erreicht werden soll, müssen sie entweder selbst am Boden eingreifen oder die Aufständischen des Ostens aufrüsten.
- Die Militärflugzeuge, Panzer, Luftabwehrraketen, usw. die nun von EU und USA mit einer Aktion "Flugverbotszone" vernichtet werden sollen, wurden von diesen Ländern selbst dem "wahnsinnigen Diktator" vorher geliefert. Die Finanzierung der Waffenkäufe haben sie ihm durch Ölgeschäfte mit ihm ermöglicht. Solchermaßen schuldig gewordenen Länder fehlt die moralische Grundlage dafür nun in einen Krieg gegen diese Waffen zu führen.
- "Humanitäre Hilfe" hätte sich zu allererst darauf zu konzentrieren, das Leid der Flüchtlinge zu lindern - die Länder deren Militär jetzt "aus humanitären Gründen" eingreift, beweisen aber gerade auf diesem Sektor in höchstem Maße Unmenschlichkeit. Sofortiger Stopp der Kriegsintervention und stattdessen massive koordinierte Hilfe für alle Flüchtlinge ! >>Aktuelle Zahlen und Situation der Flüchtlinge

Aufruf gegen militärisches Eingreifen in Libyen
18.3.11 Im Falle einer militärischen Intervention seitens EU, NATO oder eines Bündnisses westlicher Staaten in Libyen, wurde in einem anonymen Schreiben für den gleichen Tag eine Demonstration um 18 Uhr ab Gänseliesel angekündigt. [ Die ersten Angriffe erfolgten nun am Samstagnachmittag - aber nach 2 verschiedenen Demonstrationen a) gegen Atomkraftwerke und b) zum feministischen Stadtrundgang] Im Aufruf steht u.a. zu lesen:
"Solange die Aufständigen nicht ihren Wunsch danach äußern und explizit um eine militärische Intervention bitten, hat keine westliche Macht etwas in Libyen zu suchen. Jahrzehntelang haben die westlichen Staaten den Diktatoren Gaddafi und sein Regime finanziell sowie militärisch unterstützt. Sie sind mitverantwortlich dafür, das Waffen gegen die revoltierenden Menschen eingesetzt werden. Diese Demo soll nicht für das Gaddafi-Regime und seine menschenverachtende Politik und Angriffe auf die Menschen sein, sondern gegen die wahren Gründe einer Intervention, unter anderem - die Sicherung der Rohstoffe durch westliche Staaten - die Flüchtlingsabwehr der von Medien und Politik propagierten „Flüchtlingsströme“ durch FRONTEX Gaddafi muss weg – aber nicht so ! Keine Militärinvention aus diesen Gründen in Libyen oder anderswo ! Für den Umsturz der herrschenden Verhältnisse ! Achtet auf weitere Ankündigungen ! Wir bitten um den Verzicht jeglicher Nationalflaggen!"

Kundgebung 26.2.11, 13 Uhr Gänseliesel
"Solidarität mit den revoltierenden Menschen! Grenzen auf für alle - und zwar sofort !"


Eines der Transparente der Kundgebung am 26.2.11

Kundgebungs-Flugblatt
In einem während der Kundgebung verteilten Flugblatt wird daran erinnert, dass "Der deutsche Staat hat bei der Ausbildung der libyschen Polizei und des Militärs geholfen" hat. "in den vergangenen drei Jahren erhielt Libyen genehmigungspflichtige deutsche Ausfuhren im Wert von mehr als 80 Millionen Euro". Das Flugblatt richtet den Schwerpunkt der Aufmerksamkeit auf das Drama der Flüchtlinge: Durch die Revolte in Libyen sei der Versuch gescheitert, mit der Militärdiktatur Gaddafis die "Festung Europa" gegen Flüchtlinge abzuschotten. Die Flüchtlinge wurden bisher schon in libyschem Hoheitsgewässer abgefangen. "Auf hoher See werden die Boote der Flüchtlinge von Patrouillenschiffen mit Schüssen zum Anhalten gezwungen, gerammt oder schlicht versenkt. (...) Libyen wurde zu einem „Bollwerk der Festung Europa“ ausgebaut, um die Migration aus den afrikanischen Staaten südlich der Sahara zu verhindern. (...) Brüssel hat FRONTEX den Auftrag erteilt, eine neue „Mission“ im Mittelmeer zu starten. (...) Nach dem Sturz des Diktators Ben-Ali in Tunesien war angesichts der Ankunft einiger tausend Flüchtlinge auf der Insel Lampedusa schon seitens Italiens die Rede von „Flüchtlingsströmen“." Es würden Ängste vor Flüchtlingen in der den europäischen Bevölkerungen geschürt. "Es wird somit bewusst keine Solidarität mit den Menschen erzeugt, die vor Elend und Gewalt fliehen, sondern zu ihrer „Abwehr“ aufgerufen. Der Einsatz von polizeilicher und militärischer Gewalt gegen die flüchtenden Menschen soll somit in der Öffentlichkeit gerechtfertigt erscheinen.Vor ihrem Leiden sollen die Augen verschlossen werden. Der Reichtum der europäischen Staaten – und insbesondere der Reichtum der Herrschenden - soll nicht geteilt werden müssen. (...)"

Friedensbüro Position
>> Erklärung des Netzwerks Friedenskooperative (Bonn)
Darin heißt es einerseits: "Wir begrüßen die Aufstände in Tunesien und Ägypten. Die Unterdrückten und Benachteiligten stehen auf für mehr Gerechtigkeit, Freiheit, die Respektierung ihrer Menschenrechte und für eine Entwicklungsperspektive für sich und ihre Länder. Sie zeigen bewundernswerten Mut, demokratische Reife und Besonnenheit. Das große Bemühen der Aufständischen um eine gewaltfreie Veränderung der Gesellschaften zeigt die bedeutende Einsicht, dass durch Gewalt keine gerechtere Gesellschaft zu schaffen ist." Letzteres gilt sicher nicht für die "Rebellen in Libyen", die anders als die ägyptische Demokratiebewegung zum bewaffneten Kampf übergegangen sind.
Zur Frage eines militärischen Eingreifens in Libyen titelt das Netzwerk: "Stop! Erst denken – und dann nicht schießen! Flüchtlinge retten – der Bevölkerung politisch und zivil helfen. Westliche Militär-Intervention in Libyen verbietet sich". Die Situation wird fiolgendermaßen eingeschätzt: "In Libyen geht es den Aufständischen wie zuvor in Tunesien und Ägypten um die Beseitigung eines Despoten, um mehr Gerechtigkeit und Freiheit, um die Respektierung ihrer Menschenrechte und eine Entwicklungsperspektive für sich und ihre Region. Kein Zweifel, wo in einer solchen Situation die Sympathien von menschenrechtlich orientierten Gruppen der Friedensbewegung liegen." Hier wäre zu fragen, welche Informationen über die Ziele der "libysche Rebellen" vorgelegen haben.
Die Risiken eines militärischen Eingreifens in den "Bürgerkrieg" werden sicher richtig eingeschätzt: "Die Durchsetzung des vielstimmig geforderten, aber militärisch gar nicht entscheidenden Flugverbots bedeutet den Kriegseintritt, beginnend mit der massiven Bombardierung des libyschen Radars, von Flugabwehr und Rollfeldern mit wahrscheinlich auch vielen zivilen Opfern. Es folgt in der Logik des Krieges weitere Eskalation durch Verlegung von Flugabwehr in Wohngebiete, Kämpfe gegen libysche Kriegsschiffe und Panzer, letztlich auch eine NATO-Invasion mit Bodentruppen. Die Opfer unter der Zivilbevölkerung wären hoch, der ursprüngliche Aufstand in Libyen und weit darüber hinaus als pro-westlich diskreditiert, die politischen Folgen in Nordafrika und der arabischen Welt unabsehbar.
Statt militärischer Aktionen, so die Erklärung des Netzwerkes, wären eine effektive Hilfe für die zehntausenden Flüchtlinge notwendig. Flüchtlinge sollen in Europa aufgenommen werden. Tunesien und Ägypten müssen Hilfe zur Versorgung der dorthin Geflohenen erhalten. In Libyen soll überall dort wo die Zivilbevölkerung leidet medizinische Hilfe und Lebensmittel hingebracht werden. Nichtmilitärische Maßnahmen gegen Gaddafi seien wirtschaftliche und politische Sanktionen, Kontensperrungen und vor allem sollte der Export libyschen Öls unterbunden werden. Die militärische Aktion ist "keine uneigennützige" Maßnahme "Rohstoffsicherung, wirtschaftliche Vorteilsnahme und Flüchtlingsabwehr der „Festung Europa“ stehen weiter im Vordergrund."
>>Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag (Kassel)
Zunächst konstatiert die Erklärung, dass nach anfänglich friedlichen Demonstrationen auch eine Militarisierung der Aufständischen stattgefunden habe, so dass nun Bürgerkrieg herrsche. Vor einer Flugverbotszone wird gewarnt, weil die Ausschaltung der Flugabwehr "mit beträchtlichen Kollateralschäden verbunden sein dürfte." Flugverbotszonen über Irak und Bosnien-Herzegowina hätten gelehrt, dass in beiden Fällen der Einsatz von Bodentruppen folgte.
Etwas unrealistisch war die Einschätzung des Papiers, dass keine beiden Bürgerkriegsparteien "der anderen einen entscheidenden Schlag versetzen" könne. Faktisch stand Bengasi am 19.3. vor dem Aus durch die Angriffe von Gaddafis Militär. Ebenso unrealistisch scheint inzwischen auch die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien zu sein. Allerdings hätte es diesen Weg anscheinend gegeben: "Es ist uns unverständlich, weshalb der kürzlich vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez entworfene Friedensplan, der auf die Zustimmung Gaddafis traf, vom Westen übergangen wurde. Solange in den USA und in der EU einseitig auf den Sturz Gaddafis gesetzt wird, rückt eine Lösung des Konflikts in weite Ferne." Am Ende des Papiers appelliert der Kasseler Friedensratschlag noch einmal: "Was die Bevölkerung in Libyen am dringendsten braucht, sind ein Waffenstillstand und internationale Bemühungen – vor allem von Seiten der Afrikanischen Union – um eine neutrale Vermittlung zwischen den Konfliktparteien
."

Gegen militärisches Eingreifen
Kundgebung 26.2.11 Rede Anne Schreiner, Friedensbüro Göttingen

Anne Schreiner wandte sich vor allem gegen die Pläne eines militärischen Eingreifens. Angesichts der Berichte über Massaker an DemonstrantInnen in Libyen ..."könnten wir versucht sein, den Planspielen von EU und NATO zuzustimmen, die ein militärisches Eingreifen in Libyen erwägen.Trotz der Berechtigung unserer Empörung und dem schwer auszuhaltenden Zustand, zusehen zu müssen: Es gibt zu einem militärischen Eingreifen nur ein klares NEIN ! Warum?
1.) Die Durchsetzung einer angedachten Flugverbotszone über Libyen bedeutet Krieg. Libyen ist militärisch gut ausgerüstet auch von der EU: Italien lieferte 2009 Kampfflugzeuge im Wert von 107 Mill. Euro nach Libyen. Portugal lieferte 2009 Drohnen im Wert von 4,6 Mill. Euro. Deutschland lieferte 2009 Störsender für 43,2 Mill. Euro. Diese stören die Kommunikation unter den Protestierenden. Sie können aber auch die Evakuierung von Ausländern erschweren und militärische Angriffe behindern. 2.) Nicht humanitäre Gründe stecken hinter den militärischen Plänen der EU. Die klassischen geopolitischen Interessen der EU stecken dahinter. Libyen ist einer der wichtigsten Erdöl-und Erdgasliferanten Europas. Libyen ist wegen seiner Finanzmacht eine Vormacht in der Afrikanischen Union. Deshalb und wegen der Überflugrechte musste bislang jeder EU Militäreinsatz in Afrika zuerst mit Gadaffi verhandelt werden.Gaddafis Drohung Flüchtlinge nach Europa kommen zu lassen schreckt die europäischen Regierungen.
3.) Ein Krieg der EU in Nordafrika könnte die Protestbewegung stoppen. Er könnte in seinem Schatten eine massive Repession gegen unerwünschte Teile des Protestes bedeuten.
4.) Den Protestiernden in Libyen wird ein militärischer Aufmarsch von EU und NATO nichts nütze. Entweder hat die Protestbewegung dann schon gewonnen, oder aber das Militär. Die Androhung von militärischem Eingreifen der EU könnte zu einem noch härteren Vorgehen gegen die Protestierenden führen. Sie könnte zu einer Reorganisation der libyschen Streitkräfte führen.
5.) Ein militärisches Eingreifen ist völkerrechtlich nicht zu rechtfertigen. Eine erneute Verletzung von UN_Charta und Völkerrecht durch die NATO wäre international ein weitere Präzedenzfall der Durchlöcherung und Entwertung dieser internationalen Regelungen."

Bund für Soziale Verteidigung e.V.
Gegen jegliche Gewalt - Erklärung zu Libyen
>>Bund für Soziale Verteidigung e.V.
Die Mitgliederversammlung des „Bund für Soziale Verteidigung", die am 20. März 2011 in Minden / Westfalen stattfand, nahm mit Entsetzen die Bombardierungen Libyens durch Frankreich, Großbritannien und die USA und deren Unterstützung durch andere Länder zur Kenntnis. Nach den weitgehend gewaltfreien Aufständen in Tunesien und Ägypten sind in einer Reihe weiterer Länder des Nahen und Mittleren Ostens Volksbewegungen entstanden, die sich gegen ihre diktatorischen Regierungen erheben. Die Versuche der gewaltsamen Niederschlagung dieser Aufstände – nicht nur in Libyen, sondern auch in Bahrain, Jemen und anderen Ländern - beobachten wir mit großer Sorge und sehen uns solidarisch mit all jenen Menschen, die ohne Waffen für Demokratisierung eintreten. Das militärische Eingreifen in Libyen wird als ein effektiver Weg dargestellt. Dabei wird ausgeblendet, dass durch die Bombardierungen weitere unbeteiligte Zivilisten sterben und der innerlibysche Konflikt durch die Eskalation der Gewalt mit Gewissheit vertieft werden. Stattdessen sollte durch Angebote der Vermittlung und durch zivile Mittel (z.B. Ölboykott, Asyl für desertierende Soldaten) versucht werden, die Situation zu deeskalieren und das Leben der Aufständischen zu schützen. Uns ist nicht bekannt, dass solche Versuche ernsthaft unternommen wurden. Militärgewalt ist einmal mehr nicht das letzte Mittel (ultima ratio), sondern wurde leichtfertig und ohne Bedenken der längerfristigen Konsequenzen beschlossen. Wir stellen auch fest, dass der Bürgerkrieg in Libyen mit Waffen geführt wird, die von NATO-Staaten geliefert wurden. Wir fordern das vollständige Verbot von Waffenexporten. Die bisherigen Restriktionen bei Rüstungsexporten sind, wie sich jetzt wieder erweist, völlig unzureichend. Wir begrüßen, dass die Bundesrepublik im Weltsicherheitsrat den militärischen Maßnahmen nicht zugestimmt hat. Wir erwarten, dass die Bundesregierung sich jetzt für die sofortige Beendigung der Kampfhandlungen einsetzt und Bürgerkriegsflüchtlingen unbürokratisch Asyl gewährt.

GfbV FÜR eine Flugverbotzone
Gesellschaft für bedrohte Völker >>Erklärung vom 15.3.11 :
"Scharf kritisierte die Menschenrechtsorganisation außerdem, dass Deutschland die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen ablehnt. "Während fast die gesamte arabische Welt diese Flugverbotszone befürwortet, vertritt die Bundesregierung im Grunde die Interessen des libyschen Terror-Regimes", kritisierte der GfbV-Gründer Tilman Zülch am Dienstag in Göttingen. "Deutschland muss jetzt endlich die demokratische Opposition in Libyen unterstützen und so Wiedergutmachung für die Fehler der Vergangenheit leisten." Führende deutsche Politiker hätten das Gaddafi- Regime lange Jahre hofiert und gefördert, obwohl der Diktator im Sudan, dem Tschad und Uganda an der Niederwerfung von Widerstandsbewegungen und völkermordartigen Verbrechen beteiligt gewesen sei und auch westliche Gesellschaften mit Terrorangriffen bedroht habe. Dem Waffenexportbericht der Bundesregierung und der EU zufolge habe Deutschland allein 2009 an Libyen Rüstungsgüter im Wert von mehr als 53 Millionen Euro geliefert, kritisierte die GfbV. Darunter seien neben Hubschraubern, Geländewagen und Kommunikationstechnologie auch Störsender, die die Kommunikation der Oppositionsbewegung über das Internet unterbrechen könnten. "Bosnien darf sich in Libyen nicht wiederholen", mahnte Zülch und erinnerte daran, dass die deutsche Bundesregierung durch ihre passive Politik wesentlichen Anteil daran gehabt habe, dass Krieg und Völkermord an den bosnischen Muslimen ihren Lauf nahmen. Die damalige Bundesregierung habe selbst das befreundete Kroatien nicht daran gehindert, sich an der Zerstörung und Aufteilung Bosniens zu beteiligen und so Millionen Menschen zu Flüchtlingen zu machen."

DieGrünen: Militärisch eingreifen ggn Menschenrechtsverletzungen"
Presseerklärung Jürgen Trittin, Renate Künast, Dr. Frithjof Schmidt 18.3.11
"Die Maßnahmen der Vereinten Nationen halten wir insgesamt politisch für notwendig, um die Bevölkerung vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen. In dem Beschluss ist vorgesehen, Schutzzonen für die Zivilbevölkerung einzurichten, und es wird angekündigt, jeden drohenden Angriff notfalls mit Gewalt zu unterbinden. Diese Maßnahme sowie eine Flugverbotszone verschaffen Zeit, damit die ebenfalls verschärften Sanktionen an Wirkung gewinnen können."
Presseerklärung Claudia Roth 18.3.11
"Wir befürchten jedoch, dass die Durchsetzung einer Flugverbotszone zu hohen Verlusten in der Zivilbevölkerung führen könnte und sie militärisch nur eine geringe Wirkung entfalten wird. Deswegen sehe ich diese Maßnahme mit Skepsis. Wir halten die Maßnahmen der Vereinten Nationen insgesamt jedoch politisch für notwendig, um die Bevölkerung vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Und wir begrüßen, dass der Sicherheitsrat die Entsendungen von Besatzungstruppen ausdrücklich ausschließt (**). Eine militärische Eroberung der Herrschaftsgebiete Gaddafis lehnen wir ab. Der militärische Einsatz muss strikt an das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte gebunden und verhältnismäßig im Einsatz der Mittel sein."

(**) Militärexperten meinen, dass diese Formulierung nicht den Einsatz von Bodentruppen ausschließe - denn ab wann Truppen als Besatzungstruppen gelten, das ist nicht geklärt. Kurzfristiger Einsatz von Bodentruppen könnte als "Nicht-Besatzung" interpretiert werde.

Die Linke: NATO-Krieg in Libyen - Demokratiebewegung in Ägypten?
18.5.11 ver.di-Haus, Groner-Tor-Straße 32, 19 -21.00 Uhr
Ankündigungstext / Büro Lösing: "Seit Beginn dieses Jahres sind nahezu alle Länder Nordafrikas von Massendemonstrationen und Aufständen gegen die dort bestehenden Regimes betroffen. Zwei Beispiele für die sehr unterschiedlichen Entwicklungen in diesen Ländern stellen Ägypten und Libyen dar. Nach erfolgreichen Demonstrationen und einem Verfassungsreferendum bereiten sich die politischen Kräfte Ägyptens nun auf Parlamentswahlen im September vor. Übereinstimmend sehen die fortschrittlichen sozialen Kräfte allerdings eine erhebliche Gefahr in der Kürze der Zeit bis zu den Parlamentswahlen, die vor allem den etablierten, schon organisierten Kräften, wie den Anhängern des bisherigen Regimes und der reaktionären Muslim-Brotherhood zu Gute kommt. In Libyen kam es dagegen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die sich zu einem Bürgerkrieg unter Beteiligung der NATO ausgeweitet haben. Offiziell geht es in diesem NATO-Krieg darum, die Zivilbevölkerung Libyens zu schützen, tatsächlich war und ist das Ziel der Operation jedoch, einen Regimewechsel gewaltsam herbeizuführen. Man muss kein Freund des libyschen Diktators Muammar Al-Ghaddafi sein, um die Doppelbödigkeit der NATO-Propaganda scharf zu kritisieren. Sabine Lösing (Die LINKE) ist Mitglied des Europäischen Parlaments und dort im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten sowie im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung. Sie hat Ägypten im März bereist und dort mit VertreterInnen zahlreicher Gruppen gesprochen, unter anderem mit linken Intellektuellen, Studierenden, ArbeiterInnen, Jugendbewegungen, MenschenrechtsaktivistInnen und inoffiziellen GewerkschafterInnen. Die Militärintervention in Libyen, die unter dem Vorwand des Schutzes von Menschenrechten eigenen nationalen Interessen von NATO-Staaten dient, hat sie im Europaparlament von Anfang an scharf abgelehnt."

 

Beitrag zum Thema: Libyen, Öl, Gas, Flüchtlinge
Die Revolten in Nordafrika und der europäische Krieg gegen Flüchtlinge Veranstaltung mit Harald Glöde (>>Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Berlin) 30.3.11, 20.30 Uhr, Theater-Keller (Geismarlandstraße 19)

(...) Despoten wurden umso wichtigere "Partner", je effektiver sie als Wachhunde für das vorverlagerte EU-Grenzregime fungierten. Migrationsbewegungen aus Afrika sollten um jeden Preis eingedämmt werden. Die italienische Regierung zahlt an Libyen seit 2008 insgesamt 5 Milliarden Dollar für "mehr Gas, mehr Benzin, weniger illegale Einwanderer", wie Berlusconi es auf den Punkt brachte. Tausendfacher Tod und tausendfaches Leid, nicht mehr nur auf See, sondern auch in den Wüsten und Internierungslagern, waren und sind die Folgen dieser menschenverachtenden Komplizenschaft. Die EU hat beispielsweise den Regimen in Libyen und Tunesien zur Flüchtlingsbekämpfung zig Millionen Euro gezahlt und Überwachungstechnik für die Grenzen geliefert – "gute Geschäfte" auch für deutsche Konzerne. Die arabischen Revolutionen markieren möglicherweise das Scheitern dieses brutalen Ausgrenzungsprojektes der EU im Mittelmeerraum. Allerdings bemüht sich die EU bereits jetzt, eine Neuauflage des Anti-Flüchtlingsdeals mit einer neuen libyschen "Übergangsregierung"auszuhandeln. Mit der bewusst medial geschürten Hysterie vor nunmehr drohenden "Flüchtlingsströmen" von Millionen Menschen, die auf dem Weg nach Europa seien, wird die weitere Verschärfung und Militarisierung des EU-Grenzregimes gerechtfertigt. Dieses Kontrollregime wird seit 2004 durch die "Grenzschutzagentur" FRONTEX verkörpert. FRONTEX koordiniert und erweitert die nationalen Kontrollsysteme, die seit Jahrzehnten auf Abschreckung und Kriminalisierung der Migrationsbewegungen zielen."

 

Beitrag zum Thema: Migration und Libyen-Flüchtlinge.
Dienstag, 12. Juli 2011 | 2o.oo Uhr | Theaterkeller
Neben Berichten von der Reise soll auf der Veranstaltung der Aufruf bekannt gemacht und darüber diskutiert werden, wie wir auch hier in Göttingen politischen Druck für eine Öffnung der Grenzen und eine Aufnahme von Flüchtlingen entwickeln können.
Im Mai 2011 war eine Delegation von Afrique-Europe-Interact und Welcome to Europe in Tunesien, um sich mit AktivistInnen sowie mit MigrantIinnen zu treffen. Die Delegation war in Tunis, in Sidi Bouzid, wo der Aufstand begann, an der tunesischen Küste und in den Lagern an der tunesisch-libyschen Grenze. Ziele dieser Reise waren, Strategien für ein neues Verhältnis zwischen Nordafrika und Europa zu entwickeln, das nicht wie bisher von den sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen der EU diktiert wird, sowie mit dem Migrations-Regime der EU zu brechen. Zur Vorverlagerung ihres Grenzregimes nach Nordafrika und zur Abwehr von Flüchtlingen haben die europäischen Staaten jahrelang mit den Despoten des Maghreb zusammengearbeitet. Während dieser Reise wurden im Flüchtlingslager Choucha mit über 20 MigrantInnen Video-Interviews geführt – viele von ihnen sind Überlebende von Bootsunglücken im Mittelmeer. Die Menschen konnten dem Krieg in Libyen entkommen, wo sie als ArbeitsmigrantInnen beschäftigt waren oder Zuflucht vor den Kriegs- und Krisenzonen im subsaharischen Afrika gesucht haben. Aus Verzweiflung und allen Gefahren zum Trotz machen sich viele von ihnen wieder Richtung libyscher Grenze auf den Weg, um die gefährliche Überfahrt nach Europa zu wagen. Während des Aufenthaltes der Delegation in Choucha kamen vier Flüchtlinge aus Eritrea bei einem Feuer ums Leben. Auf spontane Proteste und Straßenblockade reagierte das tunesische Militär mit Tränengas und Anwohner überfielen das Lager. Dabei wurden mindestens zwei Flüchtlinge erschlagen, viele trugen schwere Verletzungen davon. Das UNHCR bittet seit Wochen die europäischen Staaten um die Aufnahme von zumindest 6000 Flüchtlingen – vergeblich. Stattdessen wird die europäische Grenzschutzagentur Frontex verstärkt in Stellung gebracht und die neuen Regierungen in Nordafrika sollen wieder mit finanzieller Unterstützung etc dazu gebracht werden, die Abwehr von Flüchtlingen fortzusetzen. Die Stimmen von Choucha stehen für das Aufbegehren gegen eine Politik der Menschenrechtsverletzungen, die sich tagtäglich an den europäischen Außengrenzen abspielt. Ein Bruch mit dieser Politik ist notwendig, um das Sterben auf See und in der Wüste zu beenden. Die Demokratiebewegungen in Nordafrika bieten die Chance für einen Neuanfang. Als Konsequenz aus der direkt erlebten menschenunwürdigen Situation in diesen Lagern, in denen Tausende Flüchtlinge seit Monaten unter traumatischen Bedingungen und ohne Aussicht auf eine Lösung ihrer Situation blockiert werden, ist gemeinsam mit Pro Asyl, medico international und borderline europe der Aufruf „Voices from Choucha: Fluchtwege öffnen, Flüchtlinge aufnehmen!“ entstanden.

Beitrag zum Thema: Libyen Rückschläge für Demokratiebewegung
"Nach den Revolten in Tunesien und Ägypten - drohen jetzt Rückschläge?" - Ursachen, Organisationsformen und Perspektiven der Aufstände in Nordafrika Theater-Keller , 7.4.11, 20 Uhr Veranstaltung mit Bernard Schmid (Paris)

Ankündigungstext: "(...) In Libyen scheint seit Anfang März die Entwicklung, die bis dahin vielen Beobachtern eher zum Optimismus Anlass gab, umzuschlagen. Wo in Tunesien und Ägypten zivile Massenproteste, Arbeitslosenrevolten und gewerkschaftliche organisierte Streiks den Lauf der Dinge maßgeblich prägten, dominierten in Libyen schnell Auseinandersetzungen militärischen Charakters. Wesentlich dafür verantwortlich war die äußerst repressive und gewaltförmige Antwort des libyschen Regimes von Anfang an, die die repressiven Reaktionen der tunesischen und der ägyptischen Diktatur auf „ihre“ Protestbewegungen schnell überragte. Im Laufe der Wochen schien sich die libysche Diktatur erfolgreich in die Gegenoffensive zu bringen, die Protestfront und die bewaffneten Rebellen brachen auf militärischer Ebene ein. Im Falle einer deutlichen Niederlage drohten ihnen und der sie unterstützenden Bevölkerung schwere Massaker. Die Entwicklung an der „Front“ wurde von der Rekrutierung susaharianischer Söldner durch die Regierung, aber auch - politisch geschürten - pogromartigen Ausschreitungen gegen andere Afrikaner_innen mit schwarzer Hautfarbe und von einer Massenflucht der in Libyen lebenden Ausländer_innen begleitet. Mittlerweile hat die westliche Militärintervention („Flugverbotszone“) eine völlig neue Situation geschaffen. Auf der Veranstaltung wollen wir uns mit diesen unterschiedlichen Phänomen beschäftigen. Wir möchten uns die Frage stellen, zu welchen (vorläufigen) Ergebnissen die kontrastreichen Entwicklungen in Tunesien, Ägypten und in Libyen geführt haben, und wie sie einzuordnen sind. Welche Organisationsformen haben sich in den Protesten entwickelt? Welche Auswirkungen haben die Revolten auf die metropolitanen Staaten? Was für Gemeinsamkeiten aber auch Brüche zeigen diese Staaten im Umgang mit den Revolten? Was für Wirkungen und Nebenwirkungen hat in diesem Zusammenhang die militärisch durchgesetzte „Flugverbotszone“ bzw. Militärintervention? Am Ende soll eine gemeinsame Diskussion mit dem Publikum stehen. Was haben die Revolten in Nordafrika und den anderen arabischen Staaten mit der Linken bzw. den sozialen Bewegungen hier zu tun? Was können wir als Linke in Europa tun, um uns nicht nur verbal sondern auch praktisch mit den emanzipatorischen Teilen der Aufstandsbewegungen zu verbünden? Wir werden an diesem Abend nicht alle Fragen gleichermaßen tief diskutieren können, doch wenigstens ein Stück gemeinsam „fragend voranschreiten“. Bernard Schmid (Paris) ist eingeladen, um für und mit uns diese Prozesse zu beleuchten. Er arbeitet als Jurist bei einer antirassistischen Organisation und ist nebenberuflich freier Journalist und Autor mehrerer Bücher. Seine Hintergrundartikel zu den Entwicklungen im nordafrikanischen Raum werden in verschiedenen Zeitungen und Internetseiten veröffentlicht (u.a. www.labournet.de).

Film über Libyen 2011
DIARY FROM THE REVOLUTION - Libyen 2011
Nizam Najar hat seine Heimat Libyen bereits vor über zehn Jahren verlassen und lebt nun im Exil in Norwegen. Doch als die Aufstände gegen den Diktator Gaddafi immer konkretere Formen annehmen, beschließt er, nach Libyen zurück zu kehren und sich den Rebellen anzuschließen. Der Filmemacher versucht die Revolution einzufangen und dokumentiert dabei auf eine außergewöhnliche Art und Weise die Milizen, Familienverbände und intime Momente dieser schwierigen Zeit. In Form eines Videotagebuchs hält er protokollarisch bspw die Kampfhandlungen, Probleme beim Besorgen von Waffennachschub und das provisorische Lagerleben fest.

"Der AstA Universität Göttingen, Institut für angewandte Kulturforschung e.V. und dokumentarfilminteressierte Studierende zeigte den Film 18.12.2013

>>Trailer auf youtube.com/
>>http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/diary-from-the-revolution

Der Ruf nach dem „Märtyrertod“ verändert während der Kämpfe zunehmend seine Bedeutung. Vor allem die charismatische Gestalt Haj Siddiq steht im Fokus des Filmemachers. Wie ein Patriarch hat er seine Familie und die ehemaligen Mitarbeiter seines Bauunternehmens als Getreue um sich geschart. Sein selbstgefälliger Führungsstil birgt stellvertretend schon das Kalkül für die Machtübernahme nach dem Sieg. Der Tod Gaddafis ist bei weitem nicht das Ende der Dokumentation. Die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes stellen sich als fragwürdiges Unterfangen für die desillusionierten Revolutionäre heraus. Nach der Machtübernahme der Aufständigen sehen sich die Menschen in Libyen neuen Herausforderungen konfrontiert. Libyen scheint überflutet von Waffen, Misstrauen der neuen Regierung gegenüber und ökonomischer Instabilität.

 

Veranstaltungen
19.5.11 Jugendrevolte in Nordafrika mit neuen sozialen Medien?
18.5.11 NATO-Krieg in Libyen - Demokratiebewegung in Ägypten?
Harald Glöde Revolten in Nordafrika und der europäische Krieg gegen Flüchtlinge
Bernard Schmid: Ursachen, Organisationsformen und Perspektiven der Aufstände

Tunesien, Ägypten
-- Zu den Aufständen in den Maghreb-Staaten ...(Goedru-Artikel) 25.2.11
-- Revolution im arabischen Raum? (Goedru-Artikel) 25.2.11
-- Rede Friedensbüro Göttingen 26.2.11
--
Kundgebung Ägypten, Tunesien 4.2.11

> Syrien


Ägypten

Protest in Göttingen gegen die Angriffe auf Demonstranten in Kairo

Nach Bekanntwerden der brutalen Angriffe auf die prodemokratischen Demonstrationen in Kairo gingen auch in Göttingen Menschen in die Öffentlichkeit , um ihren Gefühlen der Verbundenheit mit den DemonstrantInnen Ausdruck zu geben.

Kundgebung am Gänseliesel 4.2.11 14 Uhr zur Unterstützung der pro-demokratischen Demos

VeranstalterInnen so heißt es sind "verschieden arabische Menschen" . Welche Richtung diese Solidaritätskundgebung schließlich nehmen wird und welche Akzente sie setzen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt (vor der Kundgebung) nicht klar.

Update 5.2.11: Es nahmen nur sehr wenige Menschen, ca. 30 an der Kundgebung teil. (Angesichts der massiven Finanzhilfe (1,3 Milliarden Euro) sowie Waffenlieferungen aus Deutschland an Ägypten hätte man eigentlich eine größere Teilnahme von Göttinger Linken erwarten können. Immerhin waren VertreterInnen des Friedensbüros und einige andere mit Internationalismusfragen beschäftigte GöttingerInnen anwesend. Auf die Frage wer Veranstalter der Kundgebung sei, hieß es die Kundgebung sei von einer Privatperson angemeldet worden, es sei keine Kundgebung einer Organisation. Es wurden 2 verschiedene Flugblätter verteilt, einmal eine Erklärung der Kommunistischen Partei Ägypten mit einer Solidaritätserklärung der DKP (unterschrieben mit "Bettina Jürgensen, Vorsitzende der DKP (Essen). Desweiteren ein Flugblatt der PGG.e.V. aus dem im Folgenden zitiert wird.


Foto vom 4.2.11 / Kundgebung - um 14 Uhr

Flugblatt und Wortbeitrag der PGG:
Zu der Kundgebung ruft u.a. auch die Pälästinensische Gemeinde Göttingens PGG e.V. auf. Wie groß die Mobilisierungsfähigkeit arabischer Menschen in Göttingen ist, zeigten Demonstrationen 2009 , damals waren 280 bis 350 TeilnehmerInnen gezählt worden. In der Erkläreung der PGG heisst es, sie unterstütze die Proteste in Ägypten und Tunesien weil sie sich gegen "Diktaturregime" richten, die sich "mittels korrupter Machtapparate seit Jahrzehnten" an der Macht halten. Die Proteste, so die PGG richten sich gegen "Arbeitslosigkeit, Preistreiberei, Korruption, Unterdrückung, Folter und alle anderen Auswüchse des Mubarak-Regimes." Die angeblichen Regime-Befürworter in Kairo, so die PGG, seien ohne Zweifel Provokateure, deren Gewalttaten vom Mubarak-Regime gesteuert würden. Dies zeige "dass Mubarak zu seiner Machterhaltung die ungeheuren Geschehnisse auf Kairos Straßen und über 1.500 Verletzte und fünf Tote in Kauf nimmt". In Tunesien lägen die Gründe für die Massenproteste darin, dass 70% der Bevölkerung unter 30 und nahezu jeder zweite Jugendliche beschäftigungslos ist. Sie richten sich gegen Arbeitslosigkeit, Armut, Schikane und Korruption. Die Menschen gingen für Meinungs-, Versammlungs- und Informationsfreiheit sowie für eine unabhängige Justiz auf die Straße. "Der Funke, der die tunesische Revolution am 17. Dez. 2010 entfachte, war nicht allein die Ver-zweiflungstat des 26-jährigen Straßenverkäufers Mohamed Bouazizi, der sich – perspektivlos und von tagtäglicher Erniedrigung und Schikane durch die Polizei zermürbt – vor dem Gemeindeamt von Sidi Bouzid mit Verdünner übergoss und selbst anzündete."

Infoquellen http://english.aljazeera.net/indepth/spotlight/anger-in-egypt/
englischsprachiger Flash-Video-Livestream von Al Jazeera auf dem Bilder aus Kairo zu sehen sind und immer wieder mal gegen das Regime Prostestierende per Handy zu Wort kommen stundenlang vom Tahir-Paltz berichtet wurde).
Für Filtereinstellungen: brightcove.com darf nicht geblockt werden, um den Stream anzuzeigen.

 

Rückblick 2014 zum Wahlsieg und Sturz Mursis

Wie kam es zum Wahlsieg Mursis, und warum wurde er gestürzt?
Hans Peter Hucke Ägypten-Korrespondent von goest / 4.4.14

1992 führte die Unicef in Ägypten eine Studie zur Schul – und Bildungssituation durch. Danach wurden 20% der schulpflichtigen Kinder nicht eingeschult und davon wiederum haben 30% dieser Kinder die Schule vorzeitig abgebrochen. Sie wurden, wie zu dieser Zeit üblich, zur Arbeit herangezogen, um den Lebensunterhalt der Familien mit zu sichern und Eltern sahen auch keine Notwendigkeit einer Ausbildung für ihre Kinder. Es brauchte einige Zeit, bis die Schulpflicht vom Staat einigermaßen durchgesetzt werden konnte. So hat sich die heutige Situation zwar zum positiven geändert, aber auch heute noch können etwa 30% der Bevölkerung weder schreiben noch lesen. Sie werden zwar über Rundfunk und Fernsehen erreicht, größeren Einfluss aber haben Scheichs, Imame, die Dorfältesten und Familienvorstände in den Dörfern , die eher vom Koran geleitet werden und entsprechend „aufklären“. Ein lohnendes Wählerpotenzial für Mursi und seine Moslembrüder. Bei rund 25 Millionen Wahlberechtigten waren es etwa 7,1 Mio., die „Wahlhilfe“ brauchten. Die Moslembrüder haben die Situation erkannt und „Wahlhelfer“ eingesetzt, die nachdrücklich Wähler/innen bedrängt, ja bedroht oder gekauft haben. Somit konnte Mursi die Wahl ganz knapp gewinnen.
Der Bevölkerung wurde aber recht schell klar, wo die Reise unter Mursi hingehen sollte. Die Moslembruderschaft gab Mursi die politische Richtung vor. Dem Tourismusminister wurde untersagt westliche Staaten zu besuchen um von dort Touristen ins Land zu holen, sie aber sollten draußen bleiben. Er wurde angehalten in radikalislamischen Ländern wie Iran, Pakistan, Malaysia, Irak und Türkei ( Erdogan gehört ebenfalls der Moslembruderschaft an ) zu werben, um von dort Touristen ins Land zu holen. Die ersten, die kamen, wurden nicht sehr begeistert von den Ägyptern empfangen.

Es wurden liberale Persönlichkeiten, zum Beispiel Gouverneure (Bürgermeister) aus ihren Ämtern entfernt und durch Moslembrüder ersetzt. So sollte in Luxor der Anführer der Terroristengruppe als Gouverneur eingesetzt werden, der 1997 das Massaker im Tempel der Hatschepsut mit über 60 Toten, zum größten Teil westliche Touristen, initiierte und zu verantworten hat. Eine empörte Menschenmenge ließ ihn gar nicht erst aus dem Zug steigen und verhinderte so seinen Amtsantritt. Nach und nach zog Mursi Moslembrüder und Fundamentalisten auf dem Sinai zusammen, um einen reinen islamistischen Parallelstaat zu errichten als Basis für die Unterwanderung ganz Ägyptens. Er fing an, eine separate Armee, einen separaten Polizeiapparat, ein separates Gesundheitswesen und ein separates Rechssystem auf Grundlage der Sharia, aufzubauen.

Zurzeit geht das ägyptische Militär gegen die Moslembrüder auf dem Sinai vor, was schwierig ist, da die Bevölkerung von ihnen, den Moslembrüdern, als Schutzschild missbraucht wird. Die Machenschaften von Mursi sind also der breiten Masse der Bevölkerung nicht verborgen geblieben. Der Unmut und die Wut gegen Mursi und seine Anhänger steigerte sich bis zur zweiten Revolution. Auf Initiative von El - Sisi, dem ranghöchsten Militär, bildeten die beiden großen Kirchen, die islamische und die koptische, zusammen mit der Kairoer Universität eine Koalition gegen Mursi und seine Bruderschaft. Sie legten Mursi nahe, freiwillig zurückzutreten. Der lehnte ab mit der Begründung, er sei demokratisch gewählt worden und bleibt im Amt, ansonsten wird es viel Blut auf den Straßen geben, was eindeutig Bürgerkrieg bedeutet hätte. Also stellte sich das Militär auf die Seite der Bevölkerung und verjagte Mursi aus dem Amt.

Inzwischen sind die Vorbereitungen für die Präsidenten – und Parlamentswahlen in vollem Gang. Neben anderen Kandidaten hat am 27.03. El – Sisi sich bereit erklärt, für das Präsidentenamt zu kandidieren, und seine militärischen Aufgaben niedergelegt und inzwischen seine Kandidatur per Unterschrift bestätigt. Somit kann die Wahl des Präsidenten eingeleitet und danach die Parlamentswahl durchgeführt werden. El – Sisi wird als fortschrittlich und liberal eingeschätzt und ist in der Bevölkerung sehr beliebt. In ihn setzten viele Menschen die Hoffnung, dass das Staatswesen wieder in Gang kommt, die Wirtschaft wieder angekurbelt wird, die Sicherheit wieder hergestellt wird ( unter Mursi war die Kriminalitätsrate so hoch wie nie zuvor ) und dass wieder Touristen ins Land kommen. Dann würden auch die 5-6 Mio. Menschen und ihre Familien, die im Tourismusgeschäft tätig sind, wieder ein geregeltes Einkommen haben. Spätestens Bis zum 16. Juni 2014 ( ? ) sollen sowohl der Präsident als auch das Parlament gewählt, also alle Wahlgänge abgeschlossen sein. Dann kann die Regierung auf Grundlage demokratischer Beschlüsse tätig werden. Sicher gibt es auch Bedenken gegen El - Sisi, die dahin gehen, er könnte wieder Mubarak ähnliche Zustände etablieren, was bedeuten würde, Polizeistaat, Rede – und Versammlungsverbot, Einschränkung der Rundfunk- und Pressefreiheit, also Beschneidung aller demokratischen Rechte. Die Menschen sagen, wenn das der Fall sein sollte, dann wissen wir, was wir zu tun haben, wir haben keine Angst mehr.


 

Reisewarnungen in den Medien
Text und Fotos von Hans Peter Hucke

4.4.14 (korrigierte Fassung 5.4.14) / Vier Wochen in Ägypten und kein einziges böses Wort.

Den ganzen März über war ich zu Gast in Luxor und habe dort einen sehr entspannten Urlaub verlebt. Ich konnte mich frei bewegen, habe mir Luxor angesehen, Tempel, Museen und Gräber besucht, war sowohl auf dem Bauernmarkt in Qurna als auch in Luxor Atmosphäre schnuppern und einkaufen. Und, obwohl die Menschen dort durch das Ausbleiben der Touristen sehr viel weniger bis gar kein Einkommen haben, waren sie freundlich, hilfsbereit und gastfreundlich. Auch wenn das Feilschen um einen angemessenen Preis beim Kaufen von zum Beispiel Lebensmitteln oder Andenken und Geschenke für die Lieben zu Hause, manchmal anstrengend war, hörte ich kein einziges böses Wort. Im Gegenteil, fast immer wurde ich zu einem Tee eingeladen. Leider vermitteln die Medien in Deutschland ein ziemlich verzerrtes Bild über die Lage in Ägypten. Sie vermitteln den Eindruck, als wäre es in allen Teilen des Landes gefährlich. Dabei hat das Auswärtige Amt Reisewarnungen nur für bestimmte Gebiete und Städte herausgegeben, nicht aber pauschal für das ganze Land. Sicher gibt es Anschläge von Terroristen auf Polizei und Militär, und die gewaltsamen Auseinandersetzungen während der beiden Revolutionen beschränkten sich in Kairo auf und um den Tahirplatz und Universität, sowie Alexandria und den Sinai. Hilfreich wären sicher auch Berichte von zum Beispiel deutschen Dauergästen in Luxor, Hurghada und anderen Orten gewesen, die sich zu jeder Zeit sicher gefühlt haben und sich auch jetzt sicher fühlen. Wenn von den Medien Reisewarnungen herausgegeben werden, sollten sie vorher sorgfältiger recherchieren. Dann würden sie auch differenzierter berichten können und Ägyptenurlauber nicht verängstigen. In Luxor zum Beispiel gab es kleinere Demonstrationen, die alle friedlich verlaufen sind. Es gibt also keinen Grund nicht zum Beispiel in Luxor oder Hurgada seinen Urlaub zu verbringen. (Siehe auch die redaktionelle Anmerkung)

Redaktionelle Anmerkung: goest 4.4.14 / Die Einschätzung von H.P.Hucke bezieht sich schwerpunktmäßig auf Luxor. Das Auswärtige Amt bestätigt dies (Stand 4.4.14) für Luxor, spricht bezogen auf das gesamte Lande aber von einer >>Teilreisewarnung und gibt differenzierte Hinweise auf ernsthafte Risiken in anderen Landesteilen. U.a. heisst es dort:
"Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt. Dies gilt auch für den Badeort Taba. In diesen Regionen finden militärische Operationen statt, und es kommt – wie zuletzt am 16.02.2014 in Taba – zu terroristischen Anschlägen. Von Reisen in alle anderen Regionen der Sinai-Halbinsel wird dringend abgeraten, einstweilen auch in die Badeorte. (...) Von Reisen in das Nildelta außerhalb der Ballungszentren Kairo und Alexandria sowie von Reisen in das Niltal südlich von Kairo bis nördlich von Luxor wird abgeraten. (...) Das Auswärtige Amt rät außerdem von Reisen in entlegene Gebiete der Sahara eindringlich ab. Es gilt nicht für Schiffstouren zu den historischen Städten und für den Nasser-See bis Abu Simbel. Luxor und Assuan selbst wie auch der dazwischenliegende Nilabschnitt sind bisher ruhig geblieben."

Buch
Kristina Bergmann "Tausendundeine Revolution"Die arabische Welt im Umbruch, erschienen 2012 im Lenos Verlag, behandelt den ägyptischen Aufstand 2011.
Lesung: 15.1.2013 – 19.30 Uhr, Im Roter Buchladen

Der Arabische Frühling begann in Tunesien und nahm seinen Fortgang in Ägypten: Innerhalb von Wochen wurden zwei Gewaltregime von Protestierenden hinweggefegt. Der Funke der Revolution ist auf diverse andere Länder übergesprungen - Die arabische Welt ist in Aufruhr - noch immer: Speziell in Ägypten haben die postrevolutionären Prozesse in den letzten Monaten an Brisanz zugenommen. Das Verfassungsreferendum wurde jüngst unter Protest durchgeführt und wie es im Moment aussieht, angenommen.
Die Autorin und Journalistin Kristina Bergmann war 2011 vor, während und nach der Revolution in Ägypten. Sie lebt seit 20 Jahren in Ägypten, kennt das Nilland, die Region und den gesamten Nahen Osten und studierte Arabisch in Zürich und Kairo. Die Korrespondentin der Neuen Züricher Zeitung für Ägypten, Libyen, den Sudan und den Nahen Osten, arbeitete unter anderem als Übersetzerin von beispielsweise Ghada Abdelaal und Chalid al-Chamissi und ist auch Herausgeberin verschiedener Sachbücher und eines Romans.
Kristina Bergmann hat Ägypterinnen und Ägypter getroffen, die die Revolution im Januar und Februar 2011 hautnah miterlebt haben und von ihren Erlebnissen erzählen, aber auch von ihren Erwartungen an ein neues, freieres Ägypten und ihren Hoffnungen auf ein besseres Leben. Sowohl Muslime als auch Christen kommen zu Wort, Frauen und Männer unterschiedlicher sozialer Herkunft: ob ArbeiterInnen oder Intellektuelle – sie alle eint die Erfahrung, gemeinsam auf den Strassen und Plätzen Kairos ein Stück Weltgeschichte geschrieben zu haben.
Das Buch wird ergänzt mit Beiträgen von Ghada Abdelaal und Chalid al-Chamissi sowie Analysen von Esther Saoub, Cordula Weißköppel, Amira Sayed El Ahl und Doa al-Scharîf

Filme

Filme im Lumière

  • 7.6.12 , 19 Uhr "Tahir - Platz der Befreiung". Der Film dokumentiert in je einem Kapitel die Geschehnisse aus der Perspektive der Demonstranten und der Polizei. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz. Im dritten Kapitel des Films gibt es ein satirisches Selbsthilfeprogramm "Wie werde ich Diktator in 10 Schritten". Die Vorführung wird eingerahmt von einem Vortrag von Pedram Shahyar. Pedram war als Publizist und Aktivist bei der Präsidentschaftswahl in Kairo dabei und berichtet über die Geschehnisse und Entwicklungen in Ägypten.
  • "Weder Allah noch Herrscher"
  • "Kairo 678

Film "Words of Witness"
Anlässlich der Ausstellung "Tahrir Platz" wird am 14.5.12, im Goethe-Institut Merkelstr. 4, (Filmsaal) um 19.30 Uhr der Film "Words of Witness" gezeigt. Eintritt ist frei.
Der Dokumentarfilm "Words of Witness" erzählt die Revolution in Ägypten aus Sicht der Journalistin Heba Afify. Heba Afify (23) studierte Journalismus an einer privaten Amerikanischen Universität und fand ihre erste Stelle als Reporterin, als die ägyptische Revolution begann. Kurz danach beschloss die amerikanische Filmemacherin Mai Iskander, deren Vater aus Ägypten stammt, Afity zu porträtieren. Ihr Dokumentarfilm "Words of Witness" feierte seine Premiere auf der Berlinale im Februar 2012. "Words of Witness" setzt mit den Protesten auf dem Tahrir Platz ein und folgt Heba dabei, wie sie leidenschaftlich engagiert daran arbeitet, der neuen Meinungsvielfalt eine Stimme zu geben.

Fotoausstellung zum Tahrir-Platz
Vom 19. April bis 31. Mai ist die Ausstellung im Göttinger Goethe-Institut
Vor einem Jahr stand der Tahrir Platz in Kairo wochenlang im Fokus der Weltöffentlichkeit, die ägyptische Revolution bewegte die ganze Welt. Der Tahrir Platz in Kairo symbolisiert wie kein anderer Ort den Wunsch der ägyptischen Bevölkerung nach Freiheit und Demokratie. "Tahrir" bedeutet Befreiung. Seinen Namen erhielt der Platz 1952 nach dem Sturz der Monarchie. 1977 wurde er Schauplatz der spontanen und gewalttätigen "Brotunruhen" gegen die Regierung von Anwar as-Sadat und im März 2003 Zentrum der Proteste gegen den Irakkrieg. Am 25. Januar 2011, einem der sogenannten "Tage des Zorns", besetzten erstmals etwa 15.000 Demonstrierende den Tahrir. Am 2. Februar kam es zu stundenlangen Straßenkämpfen zwischen Regimegegnern und Anhängern des damals noch amtierenden Präsidenten Husni Mubarak.
Infolge dieser Ereignisse eröffneten das Auswärtige Amt, das Goethe-Institut und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit im April 2011 im Goethe-Institut Kairo, das in unmittelbarer Nähe des Tahrir Platzes liegt, die "Tahrir Lounge @ Goethe". Hier treffen sich Künstler, Journalisten, Blogger, Aktivisten von Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsgruppen, tauschen sich über aktuelle Entwicklungen und die Zukunft Ägyptens aus und engagieren sich für ein demokratisches Ägypten, das nach rechtsstaatlichen und freiheitlichen Prinzipien organisiert ist. Im Mai 2011 wurde die Ausstellung "Tahrir Spirit - Photos from the Revolution" von Beshoy Fayez in der Tahrir Lounge @ Goethe präsentiert.
"Für das Goethe-Institut ist die Unterstützung von Transformationsgesellschaften ein zentrales Anliegen. In der Tahrir-Lounge werden Freiräume geschaffen, die es den Menschen ermöglichen, die Impulse des arabischen Frühlings aufzugreifen und zivilgesellschaftlich zu verankern." Angela Kaya, Leiterin Goethe-Institute in Deutschland.
Beshoy Fayez wurde 1986 geboren und machte 2007 seinen Abschluss in der Japanabteilung an der Kunstfakultät der Universität Kairo.

 

Tunesien

Veranstaltung mit AktivistInnen der tunesischen Revolution,
9.5.12 Uni ZHG, Hörsaal 101, 19 Uhr

10.5.12 goest / Da waren sie also, Teilnehmer der tunesischen Revolte in Göttingen zu Gast. Einer war das erste Mal im Leben überhaupt in einem Flugzeug geflogen Nicht irgendwelche Politvertreter aus formalen Organisationen sondern unmittelbar von der Basis der Bewegung, die auch heute noch keine Ruhe geben wollen und sagen: "Ihr klaut uns nicht die Revolution".
dieser Teil wurde korrigiert

...
Tunesische Basisaktivisten zu Gast in Göttingen und auf der Rundreise / von 4 Eingeladenen scheiterten einer Frau und ein Mann an Visaproblemen: dem Mann wurde von vornherein der Visa-Antrag abgelehnt.
von links:
* Ein Aktivist ist in Regueb Koordinator der UDC (Union des diplomés chômeurs - Organisation der Arbeitslosen mit Diplom) die eine der treibenden Kräfte der Bewegungen sind .

* Ein Aktivist des "Mouvement des Jeunes Tunsiens Libres" und
* ein Aktivist der organisierten prekären ArbeiterInnen dem das Visum verweigert worden war, der aber per Internet zur Veranstaltung zugeschaltet war.


Mit dem Schengeninstrumentarium aufgehalten
Eine Aktivistin , die in einem Frauennetzwerk aktiv ist und über die Aktivitäten von Frauen in den Kämpfen berichten wollte konnte leider nicht dabei sein. Sie war am Weiterflug gehindert worden. Nachträgliche andere Reisewege kosten die VeranstalterInnen zusätzliches Geld (das noch durch Spenden reinkommen muß).

Zu Gast im Frauennotruf e.V.
Die angereisten Männer besuchten aber für ihre Mitstreiterin u.a. den Frauennotruf e.V. in Göttingen um zuhause über diese Einrichtung berichten zu können. Dort stellten sie ungewohnte Fragen wie: "Glaubt ihr, dass damit das Patriarchat abgeschafft werden kann?" oder "Wie ist das Verhältnis von Frauenbewegung und Kapitalismus" oder ähnliches.
Gerade selbstverwaltete Basis-Projekte interessierten die Gäste besonders, weil sie sich davon Ideen für die Umsetzung in Tunesien erhofften.

Der Hörsaal 101 war mit geschätzt ca.120 Personen gut gefüllt. Zugeschaltet über Internet war zudem ein Mitstreiter der Gäste, der nicht anreisen konnte und der die Veranstaltung verfolgte.

Vielleicht durfte man nicht so viel an ausgefeilten Theorien darüber erwarten, wie Tunesien sich nun z.B. wirtschaftlich und sozial weiterentwickelt, sondern entscheidend war die konkrete Anwesenheit von Aktivisten aus der Mitte der Bewegung und der Hauch der Praxis, der mit der Anwesenheit der Gäste von Nordafrika herüberwehte: Eine Gesellschaft im totalen Umbruch!
Das erinnert an die Hoffnungen, die einmal mit der portugiesieschen Revolution in den 70er Jahren aufkamen. Damals als "Nelken-Revolution" verniedlicht und heute im Fall Tunesien als "Jasmin-Revolution" auch nicht genau getroffen. Die Hoffnung damals bei Portugal wurde bitter enttäuscht, alle radikaleren Ansätze wurden im nächsten Schub ver-sozialdemokratisiert. Und so berichten auch die Aktivisten aus Tunesien, dass die Mehrheit der Bevölkerung meine, die Sache sei jetzt abgeschlossen und jene, die mehr wollten, würden nur unnötige Unruhe schaffen.

Allzuoft wurde plakativ die "Revolution" und manchmal die Revolution in der gesamten Welt beschworen, aber sowohl bei der Führung durch die Ausstellung als auch durch den Enthusiasmus der Aktivisten wurde etwas wichtiges transportiert: Das Gefühl, dass grundlegende Änderungen machbar sind, dass sich eine Gesellschaft von Grund auf erneuern kann, dass versteinerte Verhältnisse zerbröseln können. Das erzeugt ein Gefühl der Stärke, ein Selbstbewußtsein das nach den ersten Erfolgen der Revolte noch nachhallt und wohl erst langsam im mühsamen Prozess der konkreten Umgestaltung Gefahr läuft sich abzunutzen.


Im Foyer war bereits seit nachtmittags eine Fotoausstellung zu sehen.

VeranstalterInnen: Soliplenum Revolten, Institut für angewandte Kulturforschung (IFAK), AK Asyl. Mit Unterstützung des Asta der Universität Göttingen. Gefördert durch die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt (die einzige Stiftung, die überhaupt positiv auf den Antrag geantwortet hatte)

Ankündigungstext der VeranstalterInnen 25.4.12 /
Am 17.Dezember 2010 verbrannte sich Mohamed Bouazizi in Sidi Bouzid und setzte damit das Fanal für eine Aufstandsbewegung, die zunächst das Regime in Tunesien und anschließend das in Ägypten hinwegfegte und die auch heute noch in großen Teilen des arabischen Raums und darüber hinaus andauert. Die Bewegung ist auch in Tunesien keineswegs beendet. Bis heute lebt sie weiter und bis heute sind weite Bereiche der tunesischen Gesellschaft umkämpfte Territorien. Die Kämpfe in Tunesien und im gesamten arabischen Raum, die wir früher kaum wahrgenommen haben, gärten schon lange und haben eine widerständige Gesellschaftlichkeit geschaffen, die sich in den letzten Jahren immer wieder in kurzen Aufständen und Revolten Luft verschaffte. Innerhalb kürzester Zeit wurden nicht nur Regime gestürzt, sondern auch unsere metropolitane Vorstellung revolutionärer Kämpfe und gesellschaftlicher Veränderung grundlegend verändert. Und nicht zuletzt wurden durch sie die Fragen internationaler Solidarität und der Gemeinsamkeit von Kämpfen im globalen Süden und im globalen Norden neu gestellt. Wir haben vier AktivistInnen der tunesischen Kämpfe eingeladen um uns über den Stand und die Perspektive der Kämpfe in Tunesien zu berichten und um gem"Making a revolution, defending a revolution" Veranstaltung mit AktivistInnen der tunesischen Revolution einsam mit ihnen zu diskutieren, wie wir im "Norden" gemeinsam mit den Menschen im "Süden" den globalen Kampf um Befreiung führen können.

Film / Tunesien

"No more fear"(2011) Tunesien 2011, 74 Min, Arabisch mit englischen Untertiteln R:Mourad Ben Cheikh

Mittwoch 16.1.13 – 19.30 Uhr– ZHG 009 Das IfaK und das Clubkino des Studentenwerks laden recht herzlich zu einer Filmvorführung innerhalb der Veranstaltungsreihe "Arabischer Frühling" ein.
No More Fear ist eine Dokumentation über die tunesische Revolution aus dem Jahr 2011 von Ben Mourad Cheikh, einem tunesischen Filmemacher, der bei dem Ausbruch der Proteste in Tunesien mit seinen FreundInnen an den Demonstrationen teilnahm. Tunesien war das erste Land Nordafrikas, in dem die Auflehnung gegen das vorherrschende Regime den Diktator stürzte. Die ersten Aufnahmen entstanden nur wenige Tage vor der Flucht des Diktators Zine Abedine Ben Ali, als der Filmemacher nach eigener Aussage noch nicht vorhatte, eine Dokumentation zu drehen.
Eine immer wiederkehrende Aussage von ProtagonistInnen in aktuellen Filmen aus Nordafrika lautet, dass mit dem Sturz der Diktatoren in Tunesien und Ägypten "die Angst" gewichen sei gegen Ungerechtigkeiten und für eine freie Gesellschaft einzutreten. Am Beispiel einer Menschenrechtsanwältin, eines Journalisten, einer Bloggerin und eines psychisch Kranken vermittelt der Film eindrucksvoll, welche Befreiung es für viele TunesierInnen bedeutet, nach Jahrzehnten der Diktatur nicht länger wegen ihrer politischen Haltungen bespitzelt und verfolgt zu werden. Die Veränderungen der tunesischen Medien zu Zeiten des Cyberaktivismus und die Frage was die Auslöser für die Prozesse waren und wer die wirklichen Träger der Revolution waren, werden verschieden diskutiert. Im Rahmen des Filme darf gerne auch kritisch hinterfragt werden, welches Bild vermittelt wird - war es eine Brotrevolution der ArbeiterInnen und Jugendlichen oder ein Aufstand der gebildeten oppositionellen Mittelschicht?

Tunesien drei Monate nach dem Sturz von Ben-Ali

1. 6.11 20 Uhr Roter Buchladen (Nikolaikirchhof, Göttingen) Veranstaltet von: Solidaritäts-Plenum Revolten (Göttingen) Das offene "Soli-Penum Revolten" trifft sich immer Mittwochs um 20.00 Uhr in den Räumen über dem Kabale. Mehr Infos: http://aut-goe.de

Bei dieser Veranstaltung werden Menschen sprechen, die sich an der Liberation without border tour vom 13. bis 18. Mai 2011 in nachrevolutionären Tunesien beteiligten. Sie werden von ihren Erlebnissen und der aktuellen Situation in Tunis, sowie von ihren Treffen mit Aktivist_innen und Gruppen, die sich an den Aufständen beteiligten oder jetzt für eine emanzipatorische Gesellschaft kämpfen, berichten. Dazu werden eigene Bilder und Videos gezeigt. Anschließend ist Zeit für eine Diskussion.
Communiqué Tunis am 18. Mai 2011 : "In Tunis haben Delegationen von Knowledge Liberation Front, Network Welcome to Europe und Aktivist_innen von NoBorder, Soliplenum Revolte (Göttingen), Afrique-Europe-Interact und ABCDS (Oujda, Morocco) zusammen Recherchen aus militanter Perspektive im fundamentalen und komplexen politischen Versuchsfeld der nachrevolutionären tunesischen Gesellschaft durchgeführt. Die Basis unserer Zusammenarbeit ist das gemeinsame Ziel, die Kämpfe für Bewegungsfreiheit von Menschen und Wissen, gegen die Privatisierung des Schulsystems, gegen die Prekarisierung und gegen die nationalen Grenzregime zu kombinieren. Diese obengenannte Initiative verfasste eine gemeinsame politische Deklaration: der Ort der Kämpfe und der sozialen Transformation ist ein transnationaler Ort, welcher sowohl durch die kontinuierliche und lebendige Aufgabe, als auch durch die Konflikte, die mit diesem Prozeß verbunden sind, markiert ist. Wir trafen uns mit Menschen, Gruppen und Aktivist_innen, die in diese revolutionäre Bewegung involviert sind, genauso wie mit denen, die sich auf die Frage der Migration konzentriert haben. Unsere Zusammenarbeit in dem tunesischen Versuchsfeld ist der erste und wichtigste Schritt in Richtung der Organisierung gemeinsamer Kampagnen und Initiativen in der nächsten Zeit. Zusammen haben wir an Treffen mit der Front de Liberation Populaire Tunisien und anderen Aktivist_innen teilgenommen, die an einem großen tansnationalen Treffen im September 2011 in Tunesien arbeiten."

 

Sonstige Artikel

Aktionstag gegen Grenzregime 16./17.6.11

Veranstaltung im Buchladen
Grenzregime - eine Einführung in Diskurse und Praktiken Donnerstag, 16.06.11 ab 20:45 Uhr Buchladen "Rote Straße" Nikolaikirchhof 7 Die Angst vor einem angeblich unberechenbaren Zustrom von Migrant*innen und der damit verbundenen Gefährdung des europäischen Wirtschaftsraums, hat die EU in den letzten Jahren zum Anlass genommen, ein komplexes Sicherungssystem der EU Außengrenzen zur Abwehr unerwünschter Migration zu errichten. Die Vielzahl der involvierten Akteur*innen erschwert es, den Gesamtzusammenhangs zu verstehen. Vorallem, weil es nicht nur um die hochtechnisierte Kontrolle von Staatsgrenzen geht, sondern zugleich um die Absicherung der innereuropäischen Verhältnisse. Die Referent*innen Sabine Hess und Marc Speer versuchen einen kritischen Einblick in die herrschenden Diskurse zu geben und zeigen anhand der Ukraine, einem sog. „sicheren Drittstaat“, die praktischen Auswirkungen des EU Grenzregimes, weit über die eigenen Grenzen hinweg. Sabine Hess forscht über migrantische Praktiken und ist Mitglied bei kritnet.org und Herausgeberin des Buches "Grenzregime" (Assoziation A, 2010). Marc Speer, ebenfalls Mitglied bei kritnet, schreibt für das "Hinterland" Magazin und betreut das "Bordermonitoring Ukraine" Projekt (http://bordermonitoring-ukraine.eu) Die Veranstaltung ist Teil des Göttinger am 17.06.

Aktionstag - am Gänseliesel
Aktionstag "Solidarität mit den Revoltierenden in Nordafrika" arbeitskreis asyl / bündnis gegen abschiebung frontex / revolten veranstaltungen / termine maghreb Unter dem Motto „Solidarität mit den Revoltierenden in Nordafrika – Bewegungsfreiheit statt Militarisierung des EU-Grenzregimes“ findet am Freitag, den 17. Juni, ab 14.00 Uhr ein Aktionstag mit Musik, Filmen, Infos, Redebeiträgen und einer Ausstellung am Gänseliesel statt.

Textauszug der Ankündigung
vollständig auf >>http://www.papiere-fuer-alle.org/
Die Massenaufstände Anfang diesen Jahres stürzten die Diktatoren in Tunesien und Ägypten. Sie sind jedoch keine Einzelfälle geblieben, sondern breiteten sich wie ein Flächenbrand gegen die herrschenden Regime im Maghreb, im Nahen Osten und in den Golfstaaten aus. (...) Zur Zeit verbreiten sich sowohl in Ägypten als auch in Tunesien neuartige Sozialbewegungen, die die Reste der alten Regime verjagen wollen und dieses teilweise bereits mit Erfolg geschafft haben. So ist in Tunesien mittlerweile die dritte Regierung nach der Flucht Ben-Alis im Amt. Die Streiks, Kämpfe und Demos, besonders in Tunesien und Ägypten, aber auch vielen anderen Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens, gehen also weiter! (...) Die Verkäufer_innen und Angestellten sollten so schnell wie möglich zum Alltag zurückkehren, der Protest schade den Geschäften. Auch die unter Ben-Ali regimetreue Einheitsgewerkschaft UGTT stellt diese Forderung an die Demonstrant_innen. Die jetzt von westlichen Politiker_innen wie Merkel, Sarkozy und Obama geforderte „Förderung“ des demokratischen Wandels“ in Ägypten und Tunesien ist die pure Heuchelei! Seit Jahren unterstützen die westlichen Staaten zur Durchsetzung ihrer wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interessen diktatorische Regime, die die Bevölkerung mittels Repressionen unterdrücken, die für die prekäre Situation der Menschen verantwortlich sind und die jeglichen Widerstand gegen diese Bedingungen bekämpfen. (...). Die gewachsene Kollaboration dient neben ökonomischen Interessen aber auch der Migrationskontrolle. Despoten wurden umso wichtigere „Partner“, je effektiver und williger sie das Grenzregime für die EU vorverlagerten. Migrationsbewegungen aus Afrika sollten um jeden Preis eingedämmt werden. Tausendfacher Tod und Leid nicht mehr nur auf See, sondern auch in den Wüsten und Internierungslagern waren und sind die Folgen dieser schändlichen Komplizenschaft. Um unsere internationale Solidarität mit den Aufständischen in Nordafrika und dem Nahen Osten zu zeigen und gegen die Interessen des internationale Kapitals in der Region zu protestieren, rufen wir Euch dazu auf am Freitag an dem Solidaritäts-Aktionstag zu beteiligen. * Schluss mit der deutschen Unterstützung für die reaktionären Regime ! * Kündigung aller Abkommen mit den Diktaturen ! * Sofortiger Stopp aller Waffenlieferungen ! * Fluchtwege öffnen! Aufnahme von Flüchtlingen und Arbeitsmigrant_innen ! * Hoch die internationale Solidarität !

 

Veranstaltungen zum Thema Arabien / Nordafrika / Naher Osten

19.5.11 Jugendrevolte in Nordafrika mit neuen sozialen Medien?
Club Quer, IFAK, Buchladen, 19.30 Uhr im Bildungswerk verdi, Rote Str. 19
Ankündigungstext: "In den letzten Jahren waren Marokko, Algerien, Tunesien und auch Ägypten immer wieder Schauplätze politischer und sozialer Unruhen. In dieser Zeit wurde ein relevanter Teil der jungen Generation politisiert und radikalisiert. Der Referent Pedram Shayar, Attac - Koordinierungskreis, bloggte für verschiedene Zeitung vom Tahrir - Platz in Ägypten. Welche Bedeutung hatten facebook und twitter? Welchen Einfluss haben die Netzdebatten und -diskussionen auf die reale Politik? Donnerstag, 19. Mai um 19.30 Uhr im ver.di Bildungswerk Pedram Shayar: Jugendrevolte in Nordafrika mit neuen sozialen Medien!? Ein wichtiges Moment während der Rebellion vor allem in Ägypten stellten die aktivistischen Netzwerke und der Einsatz der neuen sozialen Medien wie Facebook und Twitter dar. Welche Bedeutung sie für die Jugendrevolte in Nordafrika hatten und welchen Einfluss die dort geführten Debatten und Diskussionen auf eine reale Politik haben, darauf wird der Referent Pedram Shayar eingehen. Pedram ist seit 20 Jahren in unterschiedlichen linken und sozialen Bewegungen aktiv, seit 2003 im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac tätig und arbeitet an verschiedenen Projekten zu politischer Kommunikation im Web 2.0. Während der Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo berichtete er in verschiedenen Zeitungsblogs über die dortige Lage."

 

Veranstaltungen des "Solidaritäts-Plenum Revolten"

Organisiert vom "Solidaritäts-Plenum Revolten", AUT, Bündnis gegen Rassismus und Abschiebung, AK Asyl e.V. Infos bei >>www.aut-goe.de/Revolte/Revolte.html
-- Am 09.03.11 referierte Helmut Dietrich über die sozialen Entwicklungen in Tunesien und Algerien in den vergangenen Jahren (näheres unter www.aut-goe.de – demnächst dort auch der Audio-Mitschnitt der Veranstaltung mit Helmut).
-- Am Donnerstag dem 07. April wird um 20.00 Uhr im Theater-Keller Bernard Schmid (Paris) über die Revolten in Nordafrika referieren. Es soll unter anderem um die Organisationsformen der Aufständischen gehen und die Bedeutung der Revolten für die hiesige Linke (Bitte beachtet die gesonderte Ankündigung!).
-- Weitere Veranstaltungen zu Gender-Aspekten der Revolten und zur Bedeutung deutscher Rüstungsexporte für die Stabilisierung der Regimes sind in Vorbereitung.

 

"Zu den Aufständen in den Maghreb-Staaten und dem (Nicht-)Verhalten der deutschen Linken"

Göttinger Drucksache Nr. 683,vom 26 Februar 2011
Der Artikel beschäftigt sich u.a. mit der Frage, wieso die Linke in Göttingen so wenig Interesse an den gravierenden Veränderungen in den arabischen Ländern Nordafrikas zeigt. Am 22. Januar habe eine Demo stattgefunden ( >goest-bericht) , die sich mit der Repression gegen Linke beschäftigte, zur gleichen Zeit seien die DemonstrantInnen in Kairo auf dem Tahirplatz brutal angegriffen worden und , so beklagt der Artikel, es habe keine Bezugnahme auf diese Ereignisse gegeben. Beispielhaft nennt der Artikel Antifa, Arbeitsloseninitiativen und Antikriegsinitiativen, die praktisch nebeneinander her ihre politischen Segmente bearbeiten. Die Teilbewegungen müssten endlich ihre Zusammenhänge entwickeln und sich darüberhinaus auch als Teil eines weltweiten Veränderungsprozesses begreifen. "die kapitalistischen Zentren führen tagtäglich Krieg in den Ländern des Trikonts, aber hier im Herzen von Europa nimmt niemand diese Kriege wahr." (...) "Erkennen wir endlich die Zusammenhänge und die Notwendigkeit zwischen unseren und den weltweiten Kämpfen". Der Bezug zu "unseren Kämpfen" ist allerdings recht dürftig. Der Artikel betont die Teilung in ein "reiches Zentrum" und eine "verarmte Peripherie" , die zunehmende Spaltung in Armut und Reichtum im "reichen Zentrum" wird nur kurz gestreift indem die Proteste von "Arbeitsloseninitiativen gegen Sozialabbau" als ein Bestandteil "unserer Kämpfe" erwähnt werden. Wie eingeschränkt der Blick des Artikels ist, wird sich möglicherweise dann erweisen, wenn ein massiv steigender Ölpreis Arbeitslosigkeit und Armut "in den reichen Zentren" verschärft. Die Bewegung, die dann in der Gesellschaft entsteht, wird solch relativ kleine Erscheinungen wie die genannten Initiativen vergleichsweise bedeutungslos erscheinen lassen. Und schlimmer noch - werden eher egoistische Interessen überwiegen, als erstes demnächst vielleicht einen Autokorso gegen steigende Benzinpreise, oder nationalistische aggressive Forderungen nach Disziplinierung der Ölländer .


AK Internationalismus und AUT analysiert schwerpunktmäßig die sozialen und ökonomischen Aspekte der Revolten. Gegen die oberflächliche Beschreibung der Revolten als "spontane Eruptionen" geben sie Hinweise auf eine in den letzten Jahren neu entstandene "soziale Gesellschaftlichkeit" "jenseits von Facebook und Twitter". Neben den AktivistInnen der Bloggerszene, so der Text "gibt es ein Ansteigen der ArbeiterInnenkämpfe in den letzten sechs Jahren, die im direktem Verhältnis zu den seit einigen Jahren verschärften Privatisierungs- und Deregulierungsangriffen stehen." Ebenso bedeutsam sei es "dass in allen drei Ländern die Kämpfe nicht von den Metropolen ausgingen, sondern von den Rändern in diese hineingetragen wurden." nachdem die Politik der Deregulierung Massenarmut erzeugt habe. Als Reaktion auf die hoffnungslose Lage in den Armenviertel habe sich eine "Gegengesellschaft" gebildet, in der "kollektive Überlebensstrategien" entwickelt wurden. "Informellen Hilfen, Aneignungsstrategien" und "bargaining by riot" seien zunehmend als eine Gefährung der Systemstabilität angesehen und entsprechend intensiv von den Regierungen bekämpft worden.
Damit weist der Text verstärkt auf den sozialen und ökonomischen Kern der Revolte hin. Es wird dabei nicht übersehen, dass es viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen waren, die für eine Umwälzung auf die Straße gingen. Diese übergreifenden Bündnisse seien zunächst nationaler Natur und teilweise eine Fortsetzung einer antikolonialistischen Tradition. Der Übergang in soziale, ökonomische Umwälzungen wären erst in einer weiteren Phase zu erwarten. Dabei spielt die Entwicklung von Bündnissen eine wichtige Rolle: "für Ägypten gibt es Einschätzungen, dass die Blogger bspw. keinen Kontakt zu den ArbeiterInnenkämpfen der vergangenen Jahre hatten. Deutlich ist aber aktuell, dass gerade aus den bürgerlichen Lagern – und eben auch bei den Bloggern – Bewegungen hin zu den Übergangskräften des Regimes zu notieren sind." Eine andere starke Kraft der Veränderung sind die massenhaften Streiks z.B. in Ägypten. "Als Mubarak seine zweite Rede hielt und alle Welt auf die Verkündung seines Rücktritts wartete, er aber nur wachsweiche Zugeständnisse machen wollte, setzte eine riesige Streikwelle ein, die erstmals auch die Beschäftigten des Suez-Kanals, eines der profitträchtigsten Unternehmen der Armee, erfasste. Keine 24 Stunden später sah sich das Regime genötigt Mubarak sofort abzusetzen"
Ein wenig betonter Aspekt der allgemeinen Berichterstattung ist die Tatsache, dass Aufständischen auch Gewalt einsetzten um sich zu wehren: "Als die Mubarak-Schergen die Menschen auf dem Tahrir-Platz angriffen, ergaben diese sich keineswegs ihrem Schicksal. Entgegen den deutschen Presseberichten waren die Menschen auf dem Platz keinesfalls friedlich, sondern wehrten sich militant gegen die Angriffe. Mollies und Steine flogen von beiden Seiten." Außerdem seien die DemonstrantInnen auf dem Tahrir-Platz sehr gut organisiert gewesen "die Logistik und die medizinische Versorgung für zigtausende Menschen hervorragend klappten. Aber auch unmittelbaren Auseinandersetzungen wurden sehr gut organisiert: Von den tunesischen Kämpfen lernten sie sich gegen Tränengas und Wasserwerfer zu schützen. An besonders neuralgischen Punkten kämpften im Straßenkampf erprobte Hooligan-Gruppen, weiter hinten wurde die Presse- und Informationsarbeit koordiniert, medizinische Ersthelfer versorgten die Verletzen und brachten sie in provisorische Krankenstationen." (>> Kompletter Artikeltext bei aut)

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Protest gegen Panzer-Geschäft mit Saudi-Arabien im CDU-Büro

Am 12.7.11, besuchten einige Menschen das Göttinger CDU-Parteibüro in der Reinhäuser Landstraße, um gegen das von der CDU dominierten Bundesregierung zu verantwortende Waffengeschäft mit Saudi-Arabien zu protestieren. Die Lieferung von 200 modernsten Leo-Panzern an das diktatorische Regime Saudi-Arabiens war Anlass für die Empörung der BesucherInnen.

In einer Mitteilung an die goest-Redaktion erklärten die DemonstrantInnen:

"Damit wollten wir auf die geplanten oder eventuell bereits beschlossenen Panzerlieferungen an das autoritär-diktatorische Regime Saudi-Arabiens aufmerksam machen. (...) Vor einigen Tagen hat die Bundesregierung beschlossen, dass 200 Kampfpanzer an Saudi-Arabien geliefert werden. Den Lippenbekenntnissen der deutschen Regierung zur Unterstützung der arabischen Aufstände folgt die Unterstützung eines der reaktionärsten und brutalsten Regime in der arabischen Welt. Für den Profit und aus geostrategischen Gründen geht die BRD wieder einmal lieber über Leichen. Mitte März ist Saudi-Arabien mit über 1000 Soldaten in Bahrain einmarschiert um die bahrainische Despotie gegen die Demonstrationen und Unruhen der Bevölkerung zu schützen und vor dem Sturz zu retten. In der Vergangenheit ist es auch in Saudi-Arabien schon mehrere Male zum Einsatz des Militärs gegen Demonstrationen und Unruhen, z.B. gegen die Schiiten im Osten Saudi-Arabiens, gekommen. Mit deutscher Hilfe soll Saudi-Arabien zukünftig Unruhen im eigenen Land und auch in Nachbarländern noch besser unterdrücken können: Der Kampfpanzer Leopard 2A7+ ist besonders für den Straßenkampf geeignet. Die Panzerlieferung richtet sich also eindeutig gegen die Freiheitsbewegungen in den arabischen Ländern."

Im Anhang der Mitteilung über die Protestaktion wurden nebenstehende Fotos an die goest-Redaktion versandt.

 

"Al Jazeera und der arabische Frühling"

Veranstaltung am 27.11.17 mit dem ehemaligen Korrespondenten des katarischen TV-Senders Al Jazeera, Aktham Suliman, 19 Uhr Im Victor-Gollancz-Haus, Geiststraße 7, (Gesellschaft für bedrohte Völker GfbV

Text GfbV:
Aus Protest an zunehmend tendenziöser Berichterstattung, verließ Aktham Suliman 2012 den von Katar finanzierten Fernsehsender. Dieser hatte sich in den vorherigen Jahren, durch kritische Berichterstattung über die Konflikte und Entwicklungen im Nahen Osten, einen seriösen Ruf erarbeitet, auch außerhalb der Region. Besonders während des Arabischen Frühlings, konnte sich Al Jazeera als eine der wenigen regionalen Sender auszeichnen, welcher ausführlich über die Situation berichtete und somit die Verbreitung der Proteste begünstigte. Doch mit dem wachsenden Einfluss der Muslimbrüder, welche ebenfalls von Katar finanziert und unterstützt werden, wurde die Berichterstattung zunehmend tendenziöser, so dass Al Jazeera von vielen als Sprachrohr der Muslimbrüder wahrgenommen wurde. Aktham Suliman berichtete in Folge seiner Kündigung öffentlich von "Manipulation" und "Hofberichterstattung", welche er selbst nicht weiter vertreten konnte und wollte.Als Ergebnis der undifferenzierten Berichterstattungvon Al Jazeera sind ethnische und religiöse Minderheiten insbesondere Christen und Yeziden zu einer "beliebten" Zielscheibe der Radikalislamisten geworden.

 

Algerien

Freitag 5.4.19 , 15 Uhr Infostand beim Gänseliesel zu Menschenrechtsverletzungen in

Djaffar Bali, ein algerischer Flüchtlinge informierte über Menschenrechtsverletzung in Algerien und drückte seine Solidarität mit Jugendlichen, Unterdrückten und allen Menschen aus, die derzeit im Algerien gegen das despotische Regime für ihre Freiheit kämpfen. Vorgestern hatte Algeriens Präsident Bouteflika angekündigt, bis zum 28. April zurückzutreten. Trotzdem gehen dort Proteste weiter. Für Djaffar Bali geht es nicht um einen Rücktritt des Präsidenten, sondern zusammen mit den Protestierenden auf der Strasse in Algerien um ein Leben in Würde und um Gerechtigkeit, die ihnen das brutale FLN Regierung seit Jahrzehnten verwehrt.

 

Leben als Politik - Wie ganz normale Leute den Nahen Osten verändern
Buchvorstellung mit Asef Bayat Mittwoch, den 29. Mai 2013 20 Uhr
Buchladen Rote Straße Nikolaikirchhof 7 37073 Göttingen

26.5.13 / Asef Bayat bietet uns in seinem Buch „Leben als Politik“ einen neuen Weg zum Verständnis der Menschen und Kämpfe in den Gesellschaften des Nahen Ostens an. Er zeigt uns, dass nicht nur unsere Vorstellungen von gesellschaftlicher Veränderung eurozentriert sind, sondern auch, dass das theoretische Instrumentarium, mit dem wir Gesellschaften betrachten, nicht in der Lage ist, die sozialen Konflikte in den Gesellschaften des Nahen Ostens wahrzunehmen. Die Bewegungen im Nahen Osten werden getragen von ganz normalen Menschen (ordinary people). Ausgehend von ihren Primärbeziehungen (vor allem Verwandtschaft) organisieren diese ihren Alltag und versuchen ihr Leben zu verbessern. Diese Bewegungen sind nicht formell organisiert und bilden auch keine festen politischen Strukturen und Autoritäten heraus. Sie versuchen auch nicht, durch an den Staat gestellte Forderungen ihre Situation zu verändern. Es sind stattdessen Prozesse, deren AkteurInnen ganz normale Menschen sind, in ihrem Bemühen um eine unmittelbare Verbesserung ihres alltäglichen Lebens. Und sie machen dies gemeinsam mit jenen, mit denen sie ihren Lebensalltag bewältigen müssen, vor allem mit ihrer (erweiterten) Familie. Dabei erobern sie immer größere Bereiche des öffentlichen Raums. Wenn sie Erfolg damit haben, finden sie NachahmerInnen. Wenn nicht, weichen sie zurück. Ausgehend von praktischen Alltagsnöten und -wünschen massifiziert sich ein Verhalten, ohne das es einer formellen Organisierung bedarf. Bayat bezeichnet diese 'kollektiven Aktionen nicht-kollektiver AkteurInnen', die sich durch ihr stilles Vordringen in die öffentliche Sphäre konstituieren, als 'soziale Nicht-Bewegungen'. Asef Bayat liefert uns mit seinem Buch einen neuen Zugang zu den Menschen und gesellschaftlichen Prozessen im Nahen Osten. Und obwohl sein Buch vor den aktuellen Kämpfen in der Region seit 2011 ('Arabischer Frühling') entstand, gibt er uns ein neues Verständnis für deren Hintergründe. Asef Bayat, Soziologe an der Universität Illinois, wurde im Iran geboren und hat acht Jahre an der American University of Cairo gelehrt. Er forscht seit Jahren zu sozialen Bewegungen und Prozessen im arabischen Raum und möchte uns sein neuestes Buch ‚Leben als Politik’ vorstellen und mit uns diskutieren.
VeranstalterInnen: Institut für angewandte Kulturforschung (ifak), Ak Internationalismus, aut, FSR Philosophische Fakultät, Buchladen Rote Straße, unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung