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Gesundheitsmesse & Ökonomie im Krankheitswesen

 

Das Gesundheitswesen als Auslöser der nächsten Kondratieffschen Welle?

Der "sechste Kondratieff" Beim letzten Rundgang über eine der Gesundheitsmessen kam mir der Zeitungsartikel (FAZ 10.2.10) über die "wachsende Bedeutung des Gesundheitswesens im umfassenderen Sinn" in Erinnerung. Dabei ging es um den "sechsten Kondratieff" . Kondratieffzyklen sind die langen Wellen der Konjunktur, die durch Basisinnovationen ausgelöst werden. Der Wirtschaftstheoretiker Leo A. Nefiodow sieht die nächste Kondratieff-Welle im Sektor "Gesundheit im ganzheitlichen Sinn", der 2008 in Deutschland schon 300 Mrd. Euro und damit 11 % des Bruttoinlandproduktes erreicht hat.

"Krankheit und Gesundheit sind Systemeigenschaften, die vom ganzen Menschen und seiner natürlichen und sozialen Umgebung abhängig sind. Auf diese ganzheitliche Sicht – körperlich, seelisch, geistig, sozial, ökologisch und spirituell – kommt es in Zukunft an. (...). Um diese Transformation zu verwirklichen werden aber nicht nur neue Konzepte, Strategien, Institutionen und Angebote benötigt, die den ganzen Menschen und seine Potentiale ernst nehmen." Leo A. Nefiodow

 

Gesundheitsmesse 2010

Demonstration besonderer Verfahren

Blickfang : radfahrendes Knochenskelett.

Da fiel am Eingang schon der Blick auf eine von der Schulmedizin wenig beachtete aber zunehmend als wirksam erachtete Medizin mittels Schüsslersalzen. Homöopathische Dosen wichtiger biochemischer Mittel wie Phosphor, Magnesium, Eisen, Sulfur etc. haben vielfach Heilerfahrungen gebracht. Entsprechende Tabletten kosten zwischen 3 und 6 Euro.
Ebenso wenig anerkannt von den Krankenkassen ist die Osteopathie - von der PatientInnen glaubhaft Erfolge berichten. An einem Infostand erhalte ich eine Borschüre: Osteopathie beruht auf der Erkenntnis, dass "bereits kleinste Fehlstellungen der Knochen zu einer Irritation der umliegenden nerven und Gefäße führen können. Insbesondere Läsionen der Wirbelsäue bedrängen dabei die umliegenden Nervenzentren und führen zu einer Beeintächtigung des freien Zu- bzw. Abflusses der Körpeflüssigkeiten in Form von Blut, Lymphe und "Nervenwasser". Osteopathische Behandlungen kosten jedoch weit über 50 Euro pro Stunde und sind daher nicht für jeden erschwinglich. Wenn man dem allerdings die Kassen-Kosten für Medikamente gegenüberstellt, könnte angesichts der alternativen Heilerfolge eine Unterstützung durch die Kassen auch ökonomischen Sinn machen.

Im Gesundheitssektor lassen sich Geschäfte machen - klar. Interessanterweise waren auf der Gesundheitsmesse aber keine klassischen Pharmaunternehmen vertreten. Nur Medikamentenverteiler, z.B. ein Verbund von 7 Göttinger Apotheken war mit einem Gemeinschaftsstand auf der Messe vertreten. Gehäuft waren Altenheime sowie Angebote für Alte allgemein (Hörgeräte z.B.) , Krankenkassen und Zahn-Implantate-Anbieter vertreten. (Die Frage nach dem Anteil von Mißerfolgen bei Zahnimplantaten wurde an einem Stand mit 5 % und an einem anderen mit 3 % angegeben.) Diagnosezentren waren mit aufwendigen Ständen vertreten.
An mehreren Stellen sprangen die ausgelegten metallisch glänzenden künstlichen Hüftgelenke ins Auge. Das Uni-Klinikum war mit einem großen nach Abteilungen ausdifferenzierten Standt vertreten, ebenso entsprechend kleiner das Evangelische Krankenhaus Weende (irgendwie und diverse Kliniken der Region. Der Fitness- und Wellness-Sektor war breit vertreten mit Massagen, Saunabetrieben etc. sowie die Physiotherapie / Krankengymnastik. Auch die in goest schon kritisch behandelten Firmen Carpe Diem und Ifas hatten Stände.
Es gab einen Stand der Selbsthilfegruppen und der sozialen Organisationen: der Paritätische und die Diakonie, Hospiz-Vereine und Palliativ-Verein Göttingen, das Gesundheitszentrum, KIBIS, AWO und Johanniter Hilfsdienst.

 

Kommentar: Ein alternatives Heilzentrum für Göttingen !
Was nun noch fehlt ist eine kritisch-konzeptionelle Begleitung dieser Messe, die sich auch nicht scheut, theoretisch "neue Konzepte, Strategien, Institutionen und Angebote" zu entwerfen, "die den ganzen Menschen und seine Potentiale ernst nehmen." und die ganze Angelegenheit auch in einen politischen Kontext der Einkommensverteilung stellen. Wenn die kommunalen Wirtschaftsförderer die Zeichen Kontradieffs ernstnähmen, wäre die Idee eines alternativen Heilzentrums Göttingen mit angeschlossenen Praxen sowie Forschungs-, Bildungs- und Tagungseinrichtungen.

 

Gesundheitsmesse 2009 - Kritische Begleitung fehlt

Seit die Leute viele Gesundheitsdienstleistungen selbst bezahlen müssen, lohnt es sich auch eine Publikumsmesse im Gesundheitsbereich. Leider fehlten kritische Initiativen im Gesundheitsbereich

Ein Beispiel:

die Teddybärenklinik soll Kindern die Angst vor dem Krankenhaus nehmen. Auf einem Messestand wurde die Röntgenaufnahme eines Teddybären mit Blitzlicht und Schwarzweiß-Bild aus dem Kopierer simuliert. Damit wird den Kindern die Angst vorm Röntgen genommen. Wer aber klärt gleichzeitig über die Verwendung des Röntgenpasses auf Informiert über Risiken und rät zur Vorsicht gegenüber zu häufigem Röntgen?

Die Gesundheitsmesse fand 2009 am Wochenende 14./15.02.09 in der Lokhalle statt. Von 10 - 18.30 Uhr konnte man für 5 Euro Eintritt (ermäßigt 2,50 und Familien für 7,50) die Ausstellung besuchen. Veranstalter war die "Göttinger Gesundheitsmesse GmbH" >>http://www.goettinger-gesundheit.de/ mit Sitz in der Kasseler Landstraße 68 . Geschäftsführer der Göttinger Gesundheitsmesse GmbH ist Andreas Bosk

PatientInnen steuern Gesundheitsausgaben selbst
Es geht natürlich ums Geld. So heißt es in der Ankündigung des Veranstalters: "Fast alle Bevölkerungsgruppen sind entschlossen, mehr für ihre eigene Gesundheit zu tun. Und die Menschen sind Umfragen zufolge bereit, für ihr „höchstes Gut“ – unabhängig vom Einkommen – mehr Geld auszugeben. Der Verbraucher hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend von einem passiven Konsumenten zu einem aktiven Teilnehmer im Gesundheitsmarkt entwickelt." Notgedrungen muß man sagen, denn die Krankenkassen übernehmen immer weniger Leistungen und wenn die Menschen die Gesundheitsdienstleistungen und Produkte selbst bezahlen müssen macht es natürlich Sinn, nicht nur Werbung bei Ärztinnen und Ärzten zu machen, sondern die PatientInnen selbst über das Produktangebot aufzuklären.

Ziel der Gesundheitsmesse GmbH ist eine "Publikumsmesse" bei der Anbieter aus der Region "Südniedersachsen, Nordhessen und Nordthüringen" über ihre Angebote im Bereich Diagnose, Therapie, Reha, Pflege und sonstiger Gesundheitsdienstleistungen informieren. Diese sonstigen Angebote umfassen die Randbereiche Sport, "Fitness und Wellness, Beauty und Lifestyle" oder Angebote zu Frage des Wohnens im Alter. Auf über 8000 m² waren ca. 100 Aussteller in der Lokhalle verteilt: Infostände von Apotheken, Sanitätshäuser, Krankenkassen, Krankenhäuser, Reha- und Pflegeeinrichtungen, Sozialverbände wie z.B. der Paritätische, Pharmazie, wissenschaftliche Einrichtungen, Krankenhäuser und Handel mit Gesundheitsprodukten. Die Standfläche kostete 75 Euro/m² Messebau ab 45 Euro/m² . Auf einem kleinem Stand mit Angeboten der Alternativmedizin hatten sich mehrere Anbieter/innen zusammengeschlossen und mußten dafür ca. 1500 Euro hinblättern.


Tai-Chi-Vorführung , auf der Großen Bühne im Rahmenprogramm

Das Rahmenprogramm war etwas auf konservative ältere Leute hin orientiert. Da traten auf der Bühne die "Garden und Funkenmariechen der Karnevalsgesellschaft Rheintreue" auf. Es gab eine Podiumsdiskussion "In Würde älter werden." und "Seniorentanz" (statt Männer allerdings vorwiegend alte Frauen) und "Neue Wohn- und Nachbarschaftsideen nicht nur für's Alter" Vortrag und Diskussion. Eingebaut war noch das "Ökumenisches Mittagsgebet" und der Kaffeebereich mit ca. 80 Plätzen war ziemlich ausgebucht mit "Kaffee und Kuchen".

Kritische Begleitung fehlt
Ganz dringend wäre eine kritische Begleitung dieser Angebote. Z.B. wäre es wünschenswert, wenn gleichzeitig vor der Lokhalle in einem Zelt von der Stadt gesponsert das Gesundheitszentrum, die Göttinger Selbsthilfegruppen und kritische Initiativen die vernachlässigten Themen und Sichtweisen der Messe für das Publikum bereithalten könnten. Dazu gehört auch die "Unabhängige Patientenberatungsstelle" die durch gesetzliche Abgaben von den Krankenkassen finanziert werden muß und die eine unabhängige Beratung sicherstellen soll. Die haben wir leider nicht gefunden auf der Messe !
Die Problematik der "elektronischen Gesundheitskarte" die demnächst eingeführt werden soll, war nur in einem vom Publikum abgetrennten Fachpublikumsbereich Thema. Bei der Frage an einen Göttinger Apotheker zu diesem Thema gab dieser einen interessanten Hinweis: Was ist eigentlich wenn der Strom ausfällt und jemand kommt mit einem Rezept auf der Chipkarte nachts zum Notdienst wenn man nicht mal eben beim Arzt nachfragen kann?

Vorführung auf der Bühne :

Beinamputierte üben Fussball. Ein Vortrag beschäftigte sich auch mit Nordic-Walking für Amputierte

Ein Prothesenhersteller ein Sanitätshaus der Region gehörten zu den größten Sponsoren der Messe.

 

Neues Hüftgelenk -

kostspielige Investition


Informationsstand aus dem Dentalbereich und ein erkältetes Skelett

Insbesondere ein Dental-Labor war mit mehreren Vorträgen vertreten: "An jedem Zahn hängt auch ein Mensch - integrative Zahnmedizin" , "Die Behandlung des Schnarchens mit zahnmedizinischen Geräten" "Implantologie – Möglichkeiten und Grenzen" (insbesondere finanzielle Grenzen wäre zu ergänzen, da ein Zahnimplantat ca. 2000 Euro kostet) .


Genauer hingeschaut beim Infostand für Baubiologie

Beim Besuch der Gesundheitsmesse trafen wir auf den Stand einer Firma, die sich mit Baubiologie. Architektur, Messtechnik und entsprechenden Gutachen beschäftigt. Wir unterhielten uns dort mit Frau Dr. Ing. Marion Baumann, die dabei ist, eine Art Elektrosmog-Kataster für Göttingen anzulegen.

Zur Veranschaulichung ein Ausschnitt eines Gebietes im Ostviertel, wo die roten Punkte Mobilfunkeinrichtungen darstellen und die gelbgefärbten Straßen die erhöhte Belastung durch Elektrosmog kennzeichnet. Je nach Belastungsgrad sind die Straßen im Stadtgebiet mit unterschiedlichen Farben von Blau über Gelb und Grün bis Rot gekennzeichnet.

Foto: Screenshot-Ausschnitt kilper&kilper

> Dossier Elektrosmog in goest
> Mobilfunkforum im Göttinger Rathaus

Damit erledigt Frau Baumann eine Arbeit, die bereits 1992 gefordert wurde. Dr. Varga, Heidelberg, erklärte bereits damals das Problem kurz und bündig in einer Fernsehreportage über Mobilfunktürme (SAT 1, 4.5.92) wie im O-Ton in gebrochenem Deutsch,verschriftlicht: "Diese Türme würden wahrscheinlich keine große Leistung haben - alleine - aber diese Leistung von Türme sind sehr hochfrequente Strahlen, die sind sehr gefährlich und wenn man diese Strahlen superponiert mit andere Strahlen von Fernsehen, von Radar, von Satelliten usw., dann summiert sich das und ich befürchte, das summiert sich auf eine so hohe Leistungsdichte, was für den Menschen gefährlich werden kann. Alle sind beeinfluß aber merken nicht alle, sondern etwa jeder Dritte und zwar sieht das so aus, dass die Leute über Klimakterium, also 40, 45 Jahren, die sind empfindlicher und zwar Frauen zweimal so empfindlich wie Männer; und Kinder, weil sie mehr Wasser im Körper haben etwa drei mal so empfindlich wie Männer."

Die Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Post und Telekommunikation bestellte damals schon ebenfalls 1992 Vertreter von Telekom und Mannesmann, die beiden Betreiberfirmen von Mobilfunknetzen damals , zu einer Beratung nach Mainz. Dabei regten Strahlenschutzexperten passend zur obigen Aussage von Varga an, "für Deutschland einen elektromagentischen Immissionskataster zu erstellen und sämtliche Sendeanlagen auf ihre Umweltverträglichkeit zu überprüfen. Solche Untersuchungen vor dem Baubeginn eines Sendemastes würden allerdings den Netzausbau weiter verzögern." (Wirtschaftswoche, 13.3.92, S.9).


Sendemast-Ensemble auf dem Blauen Turm der Universität (2009)


Schornstein der Firma Refratechnik, der als Sendemast genutzt wird (2009)


Sendeanlage auf dem Wohnhauskomplex "Iduna-Zentrum" Weender Landstr. (2009)

Frau Baumann wies uns dann noch auf einen Artikel des Medizinphysikers Dr. Lebrecht von Klitzing hin in dem es heisst: "Elektrosensibilität ist messbar. Als zuverlässiger Indikator für Elektrosensibilität hat sich die Herzratenvariabilität (HVR) bewährt. Daraufhin getestete Personen lassen sich in drei Gruppen einordnen. Doch nur eine dieser Gruppen repräsentiert die objektivierbare die nachweisliche Elektrosensibilität. Entziehen sich elektrosensible Personen dem Feldeinfluss, dauert es in aller Regel zwischen zwei und sechs Wochen bis zum Abklingen typischer Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen oder Herzrhythmus-Störungen." ( Link zu dem gesamten Artikeltext )

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