Roma - WohnviertelkonflikteBericht vom "Bürgergespräch" Am 13.8.09 fand im Saal des Gemeindehauses der katholischen St. Godehardgemeinde das "Bürgergespräch" statt zu dem die Stadt die Anwohner eingeladen hatte. Um 17 Uhr war der Saal bereits mit ca. 170 Personen überfüllt. Vor der Glasfront an der Seite wurde von außen ein Transparent "gegen den rassistischen Normalzustand" hochgehalten. An der Tür beschwerte sich schon ein Anwohner, "die (Sozialdezernentin Schlapeit-Beck) hat gesagt, wir wären gar nicht eingeladen, aber wir sind doch Anwohner." An einer langen Tischreihe saßen Vertreter der Polizei und der Stadtverwaltung.
Bereits vor der Veranstaltung war der Redaktion seitens des Vorsitzenden des Integrationsrates Mehmet Tugcu mitgeteilt worden, dass er nicht mit eingeladen worden sei. Nicht direkt eingeladen waren auch die BewohnerInnen der Häuser die Anlass für Beschwerden gegeben hatten. Das Weststadtbüro, das für die Arbeit im "sozialen Brennpunkt" finanziert wird, war nicht am Podium vertreten. Eine Nachfragen vor der Veranstaltung per Email an das Weststadtbüro, ob es sich nicht bei der Suche nach Konfliktlösungen beteiligen möchte, blieb unbeantwortet. Um es vorweg zu sagen: es kam während der Veranstaltung ziemlich schnell zu einem hohen Geräuschpegel, zu Schreiereien und Streitgesprächen zwischen einzelnen Leuten in der Versammlung. Als eine laut gesprochene Ansprache vom Tisch aus gehalten wurde, bei der die Nichteinladung der Roma kritisiert wurde kam Unruhe auf. Ein Flugblatt wurde verteilt, aus dem folgender Auszug zitiert wird:
Es kam zunächst zu keinem ruhigen Dialog. Vereinzelt war die Forderung zu hören, die anwesende Polizei solle doch mal ein klärendes Wort sprechen. Der Kontaktbereichsbeamte rührte sich jedoch nicht. Alle PodiumsteilnehmerInnen blieben wie versteinert hinter ihrer Tischreihe sitzen. Nur Schlapeit-Beck stand eine Weile hilflos an ihrem Platz und erklärte schließlich, die Veranstaltung für beendet. An die Tafel wurde geschrieben: "Die Veranstaltung ist abgesagt". Aber die Beendigung der ursprünglich geplanten Veranstaltungsform war durch den Gang der Dinge eh schon vollzogen worden.
Die Anwesenden sprachen nun in kleinen Gruppen mehr oder weniger aufgeregt und streitend miteinander. Dabei konnte mehrfach festgestellt werden, dass diejenige Frau die sich als "Schriftführerin der Anwohner" ausgab nur von einer kleinen Gruppe der AnwohnerInnen unterstützt wird. Die Mehrheit wollte eher "normal" über die Themen reden. Diese "Schriftführerin hatte einen sehr rassistisch aufgeladenen Brief an den Oberbürgermeister geschrieben, was letztlich zu der aufgeregten Stimmung bei der Veranstaltung geführt hat.
Seitens der Stadt, so die Meinung gewöhnlich gut informierter Kreise, wollte man mit der Veranstaltung die Kritik der AnwohnerInnen zurückweisen. Dies aber nicht deshalb, weil von einzelnen ScharfmacherInnen z.B. die Abschiebung gefordert wurde (das wird ja von der Ausländerbehörde selbst auch betrieben) - sondern deshalb, weil alle nötigen Maßnahmen, den Konflikt zu entschärfen, Geld kosten würden, wie z.B. mehr Aufwand an SozialarbeiterInnen, Maßnahmen gegen unzumutbare Wohnverhältnisse, der Einbau einer vernünftigen Heizmöglichkeit usw. . Gegen Ende der langsam abebbenden Gespräche kamen immer häufiger vernünftige Positionen von zwei Seiten aufeinander zu, die stets an dem Punkt endete, dass hier gemeinsam von der Stadt eine materielle Unterstützung zur Behebung der Probleme geleistet werden müsse. Leider sei die Stadt nun wieder durch den Abbruch der Veranstaltung "fein raus". Das, so das Gegenargument, sei aber den ScharfmacherInnen aus den Kreisen der AnwohnerInnen zuzuschreiben, die durch rassistische Argumentationen entschiedenen Widerspruch herausgefordert hatten. Anschließend wurde von einer Teilnehmerin noch folgendes in einer Mail an die goest-Redaktion berichtet: "ich möchte in Zusammenhang mit dem "Bürgergespräch" darauf hinweisen das von einem Bewohner offen im Saal den Hitergruß gemacht wurde. Nachdem ich ihn darauf ansprach erwiderte er nur "warte bis ich meine fahne raushole". (...) außerdem sind immer wieder rassistische Äußerungen wie "die sind doch von ihrer natur schon kriminell" (kein zitat da ich mir die vormulierung leider nicht merken konnte) gefallen, sowie Verleumdungen, dass jeder im Rosenwinkel "mit Knüppel und Messer" bedroht würde! dies sind nur die sachen die ich mir in dem Tumult merken konnte."
Konflikt im Wohnviertel "Rosenwinkel" Anscheinend
gezielte Falschinformation? 12.8.09
/11:00 Gesprächstermin
von Anwohnern der Roma-Wohnblöcke mit der Stadt bestätigt Der Redaktion wurde eine anonyme Information zugeschickt, die darauf hinweist, dass einige AnwohnerInnen des Rosenwinkels (eine Straße in der Weststadt, parallel zur Pfalz-Grona-Breite an der Leine) gegen die dort wohnenden Roma vorgehen wollen. Bisher konnte für diese Information keine weitere Bestätigung gefunden werden. Da jedoch der Konflikt auch von der "Bürgerversammlung" 2008 her bekannt ist, hat die Information eine gewisse Plausibilität. Zwischendurch glaubten wir, es handele sich um eine Fehlinformation um die Demonstration am 27.8. gegen Abschiebungen ins Gespräch zu bringen. Wir hatten den Artikel zeitweise ganz herausgenommen, weil wir den Eindruck hatten die goest-Redaktion soll zur Falschmeldung verleitet werden. Inzwischen glauben wir aber wieder eher, dass es eine Aktion der Anwohnergruppe ist, die gegen die Roma vorgehen möchte. Denn die uns inzwischen zugesandten Briefe mit Beschwerden enthalten eine so detaillierte Aufzählung, dass hier vorrangig die Interessen der "Anwohner gegen Roma" im Hintergrund zu stehen scheinen. Man wird sehen. Jedenfalls scheint irgendwas im Busch zu rumoren und deshalb haben wir den Artikel wieder reingenommen. Nach der uns zugegangenen Information stellt sich der Sachverhalt folgendermaßen dar: Eine namentlich genannte Frau aus dem Rosenwinkel zeichnet demnach verantwortlich für ein in Briefkästen des Viertels verteiltes Flugblatt in dem es heißt: "An alle Bewohner des Rosenwinkel und der angrenzenden Straßen!! " . Darin wird zu einem Gespräch mit VertreterInnen der Stadt und anderen eingeladen. Grundlage sei eine Einladung der Stadt Göttingen für den 13.08.2009 um 17 Uhr in der Pfarrei St. Godehard zu einem Gespräch bezüglich der "Beschwerden über die Bewohner der Häuser Rosenwinkel 62-72." (Wohnblöcke mit Romafamilien) . Die Autorin des Flugblattes bittet "alle Anwohner um rege Teilnahme an dieser Veranstaltung, um endlich wieder Ruhe in diese Gegend einziehen zu lassen." Sie habe sich bereits am 11.6.09 mit einem Schreiben an die Stadt gewandt und auch noch einige Briefe von BewohnerInnen beigefügt, in denen sogar die Abschiebung der Roma gefordert worden sein soll. Seitens der Stadt wurde nun das Gespräch am 13. August angeboten, an dem u.a. VertreterInnen der Stadtverwaltung, der Polizei und des Zolls teilnehmen. Die Initiatorin wurde gebeten, weitere InteressentInnen des Viertels einzuladen. Soweit die uns zugesandte Information. Bislang haben wir keine Bestätigung seitens der Stadt für diesen Termin Bei der Recherche vor Ort am 11.8. wurde ein Bewohner der Romahäuser gefragt, ob bekannt sei, dass ein Gespräch mit der Stadt stattfinde. Der ältere Herr wußte von einem solchen Vorhaben nichts. Offensichtlich bleiben die Roma außen vor, wenn die Anwohner ihre Beschwerden der Stadt gegenüber vorbringen. Inzwischen wurden uns Kopien von Schreiben zugesandt, die von Mietern im Rosenwinkel an die Stadtverwaltung, den Beschwerdemanager Westphal und schließlich an OB Meyer mit Durchschriften an Trittin, Oppermann und Fischer verschickt wurden. Außerdem die Kopie eines Schreibens von Sozialdezernentin Schlapeit-Beck, die zu dem Treffen am 13.8. einlädt. Es steht noch eine Bestätigung des Schriftverkehrs durch die Stadt Göttingen aus. Überprüfungen
ergeben Unstimmigkeiten
Kommentar
goest: Eine Formulierung im goest-Kommentar von 2002 lautete bereits: "Für die Auseinandersetzung zwischen Anwohnern und Roma im Blümchenviertel fehlte ein Gespräch zwischen den beiden Gruppen (soweit notwendig mit Dolmetschern) die ein Verständnis zwischen beiden zum Ziel gehabt hätten. Hauseigentümer die mit sturem Interesse nur auf den "sinkenden Mietwert" ihrer Wohnungen in der Umgebung hinweisen, hätte man ruhig beiseite lassen und dadurch isolieren können.." |
Ein Bürgergepräch in der Weststadt drohte abzukippen Fast wäre die Veranstaltung nach rechts abgeglitten. Vor allem der Ruf nach Sicherheit und Ordnung und vor allem die Interessen von HausbesitzerInnen kamen massiv zur Geltung beim BürgerInnengespräch in der Weststadt.
Die
Beschwerden gegen Roma im Rosenwinkel ("wenn da schon die Teppiche draussen
liegen" , "dauernd die Musik bei offenen Fenstern") nahmen breiten
Raum ein. Leute die ihr Haus verkaufen wollen jammerten, dass sie wegen der Lage
im Viertel nur schwer Kaufinteressenten fänden. Zusätzlich wurdedie
Befürchtung geäußert, die Leute aus den Treppchenhäusern
am Maschmühlenweg würden nach Abriss
der Häuser dort ebenfalls in der Weststadt angesiedelt. Dies dementierte
allerdings die anwesende Sozialdezernentin Schlapeit-Beck. (Anmerkung 2009: Die
abbruchreifen Häuser im Maschmühlenweg sind inzwischen geräumt.) Der
zuständige Kontaktbereichsbeamte, den eine Frau aus dem Publikum ungeniert
"Cob" nannte wurde in zahlreichen Wortmeldungen angesprochen um mehr
Hilfe und Unterstützung zu erbitten. Er soll bei Lärm, bei zu schnellem
Fahren, usw. für Ordnung sorgen. Als der Kontaktbereichsbeamte Herr Tornow
jedoch erklärte, dass er auch das Gebiet um die Uni , Weende und Nikolausberg
zu betreuen habe - da beklagte man gemeinsam die mangelhafte personelle Ausstattung
der Polizei.
Resümmee: Die verschiedenen Gruppen der Weststadt sind noch weit voneinander entfernt in einen Dialog zu treten. Vorerst hatten vor allem die Hausbesitzer ihre Interessen lautstark und erregt vorgetragen. Dennoch gab es auch eine ganze Reihe von Anregungen für Verbesserungen in der Weststadt. Die stereotype Anwort von Dezernentin Schlapeit-Beck "Vielen Dank für die Anregung, wir nehmen das mit und prüfen es". Beim Hinausgehen war zu hören wie eine Teilnehmerin zu einer anderen sagte: "Das war doch jetzt wieder nur alles heisse Luft oder?" - Na hoffen wir nicht und vor allem wird die Einrichtung des Bürgergesprächs nicht auf Dauer den Schwerpunkt "interessensvertretung für Hausbesitzer" haben. |